# taz.de -- Abschiebung von Minderjährigen: Heim ins Heim | |
> Eine deutsche Behörde plant zwei Heime in Marokko. Ihre Absicht ist es, | |
> unbegleitete minderjährige Flüchtlinge dorthin abzuschieben. | |
Bild: Was viele minderjährige Flüchtlinge durchgemacht haben, würde schon ei… | |
BERLIN taz | Das [1][Bundesamt für Migration und Flüchtlinge] (Bamf) will | |
Abschiebeheime für Minderjährige in Marokko bauen. Dorthin sollen | |
unbegleitete minderjährige Flüchtlinge abgeschoben werden können, wenn sie | |
straffällig werden oder wenn sie freiwillig zurückkehren. Das geht aus | |
einem Planungsdokument des Bamf hervor, das der taz vorliegt. | |
Die zunächst zwei Heime sollen jeweils 100 Plätze umfassen und 960.000 Euro | |
im Jahr kosten. Der Projektbeginn ist noch für 2017 geplant, die Pilotphase | |
bis 2020 angesetzt. Neben Unterkunft und medizinisch-pädagogischer | |
Betreuung sollen dort auch schulische und berufliche Ausbildung angeboten | |
werden, heißt es in dem Papier. | |
Das Bamf will „geeignete NGOs“ mit der Errichtung und dem Betrieb der Heime | |
in Marokko beauftragen. Diese sollen gemeinsam mit dem Bamf individuelle | |
„Hilfspläne“ für die Jugendlichen entwickeln. Welche NGOs das sein sollen, | |
ist unklar; ebenso, ob die Abschiebung statt oder nach einer Strafe in | |
Deutschland vorgesehen ist. Das Bamf ließ alle Anfragen zu dem Projekt | |
unbeantwortet. | |
„Geeignete“ EU-Staaten sollen sich an der Errichtung der Heime beteiligen | |
können. Konkret gefragt wurde Schweden. „Projektpartner“ des Bamf sind | |
Innen- und Sozialministerium von Nordrhein-Westfalen. | |
## Ein vergleichbares Projekt existiert bisher nirgendwo | |
Das Bundesland hatte im August 2016 mit dem Bund eine „Taskforce“ | |
eingerichtet, die die „Rückkehrsituation“ für ausreisepflichtige Marokkan… | |
verbessern soll. Dabei würden „Aspekte der illegalen Migration | |
unbegleiteter minderjähriger Marokkaner mitbetrachtet“, heißt es in einer | |
Stellungnahme der beiden Ministerien. Sie weisen darauf hin, dass die Heime | |
auch Plätze für minderjährige Obdachlose in Marokko bieten sollen. „Dadurch | |
soll eine Bleibeperspektive für diese Personen geschaffen und möglicher | |
illegaler Migration nach Europa vorgebeugt werden.“ Die Planungen seien | |
noch in einem frühen Stadium; in welchem Umfang sich Nordrhein-Westfalen | |
letztlich beteiligen werde, sei offen. | |
Die Abschiebung unbegleiteter Minderjähriger ist rechtlich eine heikles | |
Thema. Ein mit den Bamf-Plänen vergleichbares Projekt existiert bislang | |
nirgendwo. Dass die Wahl auf Marokko fiel, dürfte vor allem mit der | |
Diskussion über kriminelle Migranten aus Nordafrika nach Köln | |
zusammenhängen – tatsächlich ist die fragliche Gruppe extrem klein: | |
2016 stellten 35.939 [2][unbegleitete Minderjährige] in Deutschland einen | |
ersten Asylantrag. Davon stammten nur 124 aus Marokko. Zwei unbegleitete | |
minderjährige Marokkaner wurden 2016 in andere EU-Staaten abgeschoben. | |
Insgesamt 3.999 Marokkaner stellten 2016 einen ersten Asylantrag, 174 von | |
ihnen bekamen Schutz. Derzeit leben etwa 72.000 Marokkaner in Deutschland, | |
rund 3.800 sind ausreisepflichtig. Mit dem neuen Programm der | |
Bundesregierung zur geförderten freiwilligen Rückkehr reisten 2016 | |
insgesamt 170 unbegleitete Minderjährige aus, allerdings keine aus Marokko. | |
„Verantwortungslos“ nannte Grünen-Asylpolitikerin Luise Amtsberg die Pläne | |
des Bamf. „Grundlegende Fragen, wie und mit wem das gelingen soll und wie | |
dabei das Kindeswohls berücksichtigt werden soll, bleiben offen“, sagte | |
Amtsberg. Abschiebungen und Entwicklungspolitik dürften nicht miteinander | |
verknüpft werden. „Hier bahnt sich mal wieder ein Projekt an, auf dem | |
‚Fluchtursachen‘ draufsteht und Abschottung drinsteckt.“ | |
## Deutschland plant keine Heime in anderen Ländern | |
Schweden räumt ein, dass Abschiebeheime, wie sie nun in Marokko entstehen | |
sollen, künftig [3][auch in anderen Ländern] errichtet werden sollen. In | |
der Antwort auf eine Anfrage der Grünen vom 19. April bestreitet das | |
deutsche Innenministerium dies allerdings: Die Bundesregierung habe „keine | |
diesbezüglichen Pläne“. | |
4 May 2017 | |
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## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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