| # taz.de -- Flucht aus der Ukraine: Schulpflicht gilt für alle Kinder | |
| > In Hamburg beginnt nach den Ferien auch die Schule für tausende | |
| > Geflüchtete. Behörde sucht Lehrer für 300 Klassen. Kitas nehmen mehr | |
| > Kinder auf. | |
| Bild: Bildermalen mit Buntstift: Ehrenamtler von Kids-Welcome bieten Kinderprog… | |
| Hamburg taz | Wenn am Montag in Hamburg die Märzferien zuende gehen, steht | |
| Hamburg vor der großen Aufgabe, die Schulkinder aus der Ukraine zu | |
| integrieren. Die Schulbehörde geht davon aus, dass etwa ein Viertel der | |
| [1][rund 15.000 bisher in Hamburg Schutzsuchenden] im schulpflichtigen | |
| Alter sind – sprich: Es geht um 3.000 bis 4.000 Kinder und Jugendliche. | |
| „Wir wollen gut vorbereitet sein und wenigstens so viele Flüchtlingskinder | |
| in den Schulen aufnehmen können, wie 2015/2016“, sagt Behördensprecherin | |
| Luisa Wellhausen. Damals gab es in Hamburg 525 „Internationale | |
| Vorbereitungsklassen“ (IVK) und „Basisklassen“ für geflüchtete Kinder. | |
| Aktuell hatte die Stadt zuletzt 225 solcher Klassen. Nötig sind also 300 | |
| neue Klassen. | |
| Darum würden seit zwei Wochen mit Hochdruck zusätzliche Lehrkräfte | |
| akquiriert. Auch unter Pensionären gebe es „eine Welle der | |
| Hilfsbereitschaft“, sagte Wellhausen. In der [2][Schulbehörde wurde gar ein | |
| eigener „Krisenstab“ eingerichtet]. | |
| Die ukrainische [3][Generalkonsulin Iryna Tybinka hatte unlängst vor der | |
| Kultusministerkonferenz] „Kontinuität beim Bildungsprozess“ ukrainischer | |
| Kinder in Deutschland angemahnt. Sie fürchte eine verlorene Generation. Es | |
| sei wichtig, dass die Kinder weiter ihre Sprache, Geschichte und Kultur | |
| lernen könnten. „Der heutige Krieg ist gerade von Putin und Russland | |
| begonnen worden, um die Ukraine als Nation auszulöschen“. | |
| Die Hamburger CDU hatte in einem [4][Maßnahmekatalog gefordert], Hamburg | |
| müsse Angebote in enger Abstimmung mit dem Generalkonsulat organisieren. Es | |
| sei richtig, die ukrainischen Kinder in IVKs unterzubringen. Doch ergänzend | |
| müssten „Möglichkeiten des gemeinsamen Lernens innerhalb der eigenen | |
| Community geschaffen werden“. Neben der Stärkung der Muttersprache sei auch | |
| der Aspekt des „Miteinanders in der vertrauten Sprache wichtig“. | |
| ## Auf Fluchterfahrungen vorbereitet | |
| Zur CDU-Forderung befragt, erklärt die Schulbehörde, es gebe für die | |
| verschiedenen Communities „eigene Angebote“, und zwar im Rahmen des | |
| Sprachförderkonzeptes und des Herkunftssprachenunterrichtes. | |
| Außerdem seien Hamburgs Schulen auf die Betreuung von Kindern mit | |
| Fluchterfahrung vorbereitet, denn die Stadtteilschulen und die | |
| Berufsschulen verfügten über einen sozialpädagogischen Beratungsdienst und | |
| alle Schulen über „mindestens eine Beratungslehrkraft“. Darüber hinaus | |
| würden aktuell Unterrichtsmaterialen erstellt sowie Informationsschreiben | |
| für Eltern, diese teils auch in ukrainischer Sprache und kyrillischer | |
| Schrift. | |
| Für den Unterricht der geflüchteten Schüler [5][in ihrer Herkunftssprache], | |
| würden derzeit urkrainische Lehrer gesucht. Der Krisentab habe zudem den | |
| „Ukrainischen Hilfsstab“ als Vertretung der Community gebeten, darauf | |
| hinzuwirken, dass sich ukrainische Deutschlehrer, die in Hamburg | |
| registriert werden, direkt bei der Behörde melden. Details zum | |
| Einstellungsverfahren würden „zurzeit noch geklärt“. Bisher habe man etwa | |
| ein Dutzend ukrainische Lehrer gefunden. | |
| Die Schulfrage ist wichtig. In der Flüchtlingskrise vor sieben Jahren gab | |
| es Kritik, weil [6][Kinder teils monatelang in Unterkünften lebten], ohne | |
| eine Schule von innen zu sehen. Die Stadt bringt auch diesmal wieder | |
| Menschen in den Messehallen unter – die Platzzahl wurde dort erst am | |
| Freitag auf 2.000 aufgestockt. Die Innenbehörde beteuert, es handle sich | |
| nur um eine „Zwischenunterbringung“ der Menschen bis zur Registrierung und | |
| anschließenden Zuweisung auf andere Unterkünfte. Die Stimmung dort soll | |
| laut der [7][Hilfsgruppe „Kids Welcome“], die dort vormittags ein | |
| Kinderprogramm anbietet, ganz gut sein. Allerdings ist der taz eine | |
| Familien bekannt, die seit zehn Tagen dort lebt. | |
| Die Frage, ob in Hamburg für die ukrainischen Kinder ab Ankunft die | |
| Schulpflicht gilt, bejaht die Behörde. „Mit der Registrierung in der | |
| zentalen Erstaufnahme erhält die Schulbehörde über das Melderegister die | |
| Daten der Schulpflichtigen“, sagt Luisa Wellhausen. Die Eltern könnten ihre | |
| Kinder aber auch direkt bei der Schule anmelden oder im | |
| „Schulinformationszentrum“ in der Hamburger Straße. | |
| ## Unterschiedliche Verfahren je nach Alter | |
| Das Verfahren ist aber je nach Alter unterschiedlich. Bei Kindern der | |
| ersten und zweiten Klassen geht man davon aus, dass sie so schnell Deutsch | |
| lernen und gleich die normalen Schulen besuchen können. Kinder ab | |
| Jahrgangsstufe 3 – also im Alter von acht bis 15 Jahren – werden in den | |
| Vorbereitungsklassen unterrichtet, um Deutsch zu lernen und anschließend in | |
| eine Regelklasse überzugehen. Der Übergang soll fließend sein, berichtet | |
| die Sprecherin. Es gebe auch in den 3. und 4. Klassen Kinder, die schon | |
| Deutsch sprechen und mit Förderung in die Regelklassen übergehen können. | |
| Jugendliche ab 16 Jahren sollen in einer Ausbildungsvorbereitungsklasse für | |
| Migranten beschult werden, wo sie den ersten oder mittleren Schulabschluss | |
| machen können. | |
| Sven Quiring, der Hamburger Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und | |
| Wissenschaft (GEW), lobte die Behörde dafür, dass sie bereits Informationen | |
| in ukrainischer Sprache zum Schulbesuch veröffentlichte. Wichtig sei, eine | |
| gleichmäßige Verteilung der Kinder und Jugendlichen auf alle Stadtteile und | |
| „auch auf die Gymnasien“ sicherzustellen. Auch würden unbedingt zusätzlic… | |
| Sozialarbeiter, Psychogen und Sprachlehrer gebraucht. Und um tatsächlich | |
| mehr Muttersprachler an die Schulen zu bringen, solle Hamburg die | |
| Anerkennung ausländischer Lehramts-Abschlüsse erleichtern. Auch die Linke | |
| unterstützte diese Forderungen. | |
| Auch für kleinere Kinder im Kita-Alter gibt es ein Angebot. Eltern können | |
| einen Kita-Gutschein erhalten, der ihnen mindestens zu einem | |
| Fünf-Stunden-Platz verhilft. Der [8][Paritätische Wohlfahrtsverband | |
| richtete ein Online-Portal] ein, auf dem sich über 60 Kitas anmeldeten, die | |
| kurzfristig aus der Ukraine geflüchtete Kinder aufnehmen können. „Der | |
| Besuch einer Kita hilft den Kindern, ein Stück Normalität und unbeschwerte | |
| Kindheit zu erleben“, sagte Verbandsreferentin Trixi Wildenauer-Schubert. | |
| Sie böte außerdem den Eltern Gelegenheit, zur Ruhe zu kommen, Behördengänge | |
| zu erledigen und einen „ersten kleinen Schritt einer neuen Zukunft zu | |
| gestalten“. | |
| Auch bei den Kitas gab es 2015 eine ungleichmäßige Verteilung, weil nur | |
| wenige Einrichtungen in bestimmten Stadtteilen viele aufnahmen. Die | |
| Sozialbehörde erlaubte nun allen Kita-Trägern in einem Rundbrief, eine | |
| „temporäre Überlegung“ von ein bis zwei Kindern pro Gruppe, sofern die | |
| „räumlichen Voraussetzungen“ gegeben und die „Aufsichtspflicht“ | |
| gewährleistet sei. Der dazu befragte GEW-Kita-Experte Jens Kastner sieht | |
| das aus Arbeitnehmerperspektive auch kritisch. „Selbstverstänlich wollen | |
| wir helfen. Aber die Bedingungen müssen stimmen“. Die Personaldecke in den | |
| Kitas sei „ohnehin dünn“. | |
| 19 Mar 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Herberge-fuer-Kriegsfluechtlinge/!5838418 | |
| [2] https://www.hamburg.de/bsb/ukraine/ | |
| [3] /Willkommensklassen-starten-in-Berlin/!5838689 | |
| [4] https://dennis-thering.de/category/neuigkeiten/ | |
| [5] https://li.hamburg.de/herkunftssprachlicher-unterricht/ | |
| [6] /Integration-ins-Bildungssystem/!5379543 | |
| [7] http://kids-welcome.org/ | |
| [8] https://www.paritaet-hamburg.de/presse/pressemitteilungen/details/artikel/h… | |
| ## AUTOREN | |
| Kaija Kutter | |
| ## TAGS | |
| Schulbehörde Hamburg | |
| Ukraine | |
| Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
| Schwerpunkt Flucht | |
| Schule | |
| Kinder | |
| Geflüchtete | |
| Kinder | |
| Schulbehörde Hamburg | |
| Pinneberg | |
| Kita-Ausbau | |
| Schwerpunkt Flucht | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Schulbesuch geflüchteter Kinder: Unterricht kriegen manche nicht | |
| Junge Geflüchtete in Bremen und Niedersachsen warten oft Monate auf einen | |
| Schulplatz, kritisieren Flüchtlingsräte. Die Ursachen sind mannigfaltig. | |
| Honorarkräfte von Spielmobilen: Pädagogen zweiter Klasse | |
| Honorarkräfte von Hamburger Spielmobilen erhalten nur halb so viel Geld wie | |
| Kollegen an Schulen. Das finden sie ungerecht und starten eine Petition. | |
| Unterricht für geflüchtete Kinder: Direkt in die Schule ist besser | |
| Hamburg sollte Kinder nicht in separate Vorbereitungsklassen schicken, sagt | |
| die Linke. Sie beruft sich auf eine Studie, die Fünftklässler vergleicht. | |
| Kriegsflüchtlinge im Norddeutschland: Tor zur Welt verstopft | |
| Vor Hamburgs Ausländerbehörde warten Ukrainer tagelang auf Registrierung. | |
| Der Kreis Pinneberg zeigt mit Online-Registrierung, das es schneller geht. | |
| Kita-Versorgung in Hamburg: Ein leeres Versprechen | |
| Jedem Kind steht ein Kita-Gutschein zu, doch die Plätze sind rar. Ein | |
| vierjähriges Mädchen, das kein Deutsch spricht, wartet seit einem Jahr. | |
| Integration ins Bildungssystem: Flüchtlingsschüler zu lange unter sich | |
| Hamburg will zugewanderte Kinder in internationalen Vorbereitungsklassen | |
| für die Schule fit machen. Doch besonders für ältere Kinder wird | |
| Integration wird so eher verhindert. Wie es anders geht, macht Bremen vor. |