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# taz.de -- Schulbesuch geflüchteter Kinder: Unterricht kriegen manche nicht
> Junge Geflüchtete in Bremen und Niedersachsen warten oft Monate auf einen
> Schulplatz, kritisieren Flüchtlingsräte. Die Ursachen sind mannigfaltig.
Bild: Gemeinsam in der Schule arbeiten – dieses Grundrecht auf Bildung wird f…
Bremen taz | Geflüchtete Kinder und Jugendliche müssen oft [1][monatelang
auf einen Schulplatz warten] – diese Kritik äußern mehrere
Flüchtlingsverbände. Auch in Bremen und Niedersachsen würden die
Schulpflicht und das Schulrecht der Geflüchteten auf diese Weise verletzt,
so die Flüchtlingsräte der beiden Länder. Bis zu einem Jahr lang müssten
einzelne geflüchtete Jugendliche auf einen Schulplatz warten, heißt es etwa
aus Bremen.
Der Evangelische Pressedienst (EPD) hatte am Donnerstag die Kritik von
Flüchtlingsräten aus mehreren Bundesländern zu Verstößen gegen die
Schulpflicht zusammengetragen. Demnach scheinen die Verstöße
länderübergreifend üblich: Aus Nordrhein-Westfalen, aus Berlin, aus
Niedersachsen und Bremen kommt die Kritik. Besonders Großstädte scheinen
betroffen zu sein.
Die Gründe dafür sind unterschiedlich – es hängt vielfach davon ab, in
welcher Familiensituation und mit welchem Flüchtlingsstatus die jungen
Geflüchteten untergebracht sind. Aber: „Alle minderjährigen Flüchtlinge
können davon betroffen sein“, betont Holger Dieckmann vom Bremer
Flüchtlingsrat.
## Zweifel an der Minderjährigkeit
Ein ganz grundlegendes Problem, so Dieckmann: Es gibt nicht genug Plätze
für alle. In Bremen sollen junge Geflüchtete entweder in den noch recht
jungen Willkommensschulen unterkommen – oder aber von Anfang an im
Klassenverbund von Regelschulen mitlernen. Parallel dazu müssen sie dann
Deutschkurse besuchen. In der Praxis aber seien die Wartezeiten auf solche
Deutschkurse manchmal extrem lang – und ohne Kurs gebe es keine Einschulung
in die normale Klasse.
Schwierig ist es auch für junge Geflüchtete, denen die Behörde nicht
abnimmt, dass sie minderjährig sind: So lange es [2][Zweifel gibt, werden
sie üblicherweise nicht beschult.] Eine Altersfeststellung durch die
Behörde – beispielsweise durch das umstrittene Handknochen-Röntgen – daue…
normalerweise nur wenige Tagen bis Wochen, so der Sprecher der Bremer
Sozialbehörde, Bernd Schneider. Dem widerspricht der Flüchtlingsrat –
schließlich gibt es immer wieder Situationen, in denen am Ende ein Gericht
über die Frage entscheiden muss.
Viele unbegleitete minderjährige Geflüchtete haben besondere Hürden für den
Schulbesuch: Wenn die Behörden sie in speziellen Einrichtungen vorläufig in
Obhut nehmen, ist ein Schulbesuch für sie gar nicht vorgesehen. Die
Erklärung: Die Jugendlichen sollen in diesen Häusern nur bleiben, bis
entschieden ist, wie es für sie weitergeht – das kann in Bremen oder auch
in einem anderen Bundesland sein.
Länger als einen Monat soll diese Übergangsphase nicht dauern. „Das ist
zwar gesetzlich so vorgeschrieben, faktisch dauert es aber auch mal acht
Monate“, sagt Dieckmann. In der gesamten Zeit blieben die Jugendlichen
unbeschult.
## Es fehlt an Daten
Auch wegen der Vielzahl der unterschiedlichen Gründe gibt es in Bremen
keine klaren Zahlen dazu, wie viele schulpflichtige Geflüchtete aktuell
ohne Schulplatz dastehen.
Auch in Niedersachsen sind die Landesbehörden über die Lage nicht voll im
Bilde. Innen- und Kultusministerium hatten jegliche Probleme dem EPD
gegenüber bestritten: Ein Sprecher teilte der Nachrichtenagentur mit, dass
es in dem Bundesland „prinzipiell kein Kind und keinen Jugendlichen ohne
Schulangebot und Schulplatz“ gebe.
Das ist jedoch falsch. Wie auch in Bremen gibt es unbegleitete
minderjährige Ausländer, die sich noch in der Clearingphase befinden, also
übergangsweise in staatlicher Obhut, bevor klar ist, wo sie längerfristig
bleiben. Auch in Niedersachsen ist für sie kein regulärer Schulbesuch
vorgesehen, obwohl auch hier in Zeiten überlasteter Jugendhilfe die
sogenannte Clearingphase länger als die vorgesehenen vier Wochen dauert.
„Wir peilen acht Wochen an, aber das wäre schon ein guter Wert“, erklärt
eine Sprecherin der Region Hannover, die als staatliche Stelle unbegleitete
Minderjährige in Obhut hat. „Die Jugendlichen in dieser Zeit gut
unterzubringen, ist fast nicht zu schaffen.“ Sprich: Mehrere Monate ohne
Schulbesuch kommen schon so zustande.
## Überfüllte Notkurse
Am späten Nachmittag ergänzt die Kultusbehörde ihr Statement gegenüber der
taz um einen weiteren Punkt: Für Geflüchtete beginnt die Schulpflicht in
Niedersachsen erst nach dem Wegfall der [3][Verpflichtung, in einer
Aufnahmeeinrichtung zu wohnen] – also nach der Verteilung auf die Kommunen.
Die Kinder und Jugendlichen hätten aber nichtsdestotrotz das Recht, vom
ersten Tag an eine Schule zu besuchen.
Dass das in der Praxis nicht ganz so leicht ist, weder für Jugendliche in
der Aufnahmestelle noch für solche, die in ihrer Zielkommune angekommen
seien, erklärt wiederum die Sprecherin der Region Hannover. Jugendliche,
die älter als 15 Jahre sind, sollen im Zweifel in Berufsschulen
untergebracht werden – für die aber gebe es lange Wartelisten. Gerade für
Familien, die während des laufenden Schuljahres kämen, könne es einige Zeit
dauern, bis ein Platz frei würde.
Aber gibt es nur die Schule? Das Kultusministerium in Niedersachsen
verweist auf Ersatzunterricht für alle, die aus verschiedenen Gründen nicht
beschult werden können. Tatsächlich werden in den Unterkünften oft Angebote
externer Bildungsträger angeboten – Sprachkurse etwa.
Mit regelhaftem Schulunterricht sei das allerdings nicht zu vergleichen, so
die Sprecherin der Region Hannover und der [4][Flüchtlingsrat
Niedersachsen]. Kai Weber vom Flüchtlingsrat Niedersachsen spricht von
„unzureichenden Sprachlernkursen und Notkursen, die noch dazu oft völlig
überfüllt“ seien.
2 Mar 2024
## LINKS
[1] /Schulplatzmangel-fuer-Gefluechtete/!5934782
[2] /Fluechtlingsinitiative-vs-Sozialbehoerde/!5533220
[3] /Schulplatzmangel-fuer-Gefluechtete/!5914698
[4] https://www.nds-fluerat.org/
## AUTOREN
Lotta Drügemöller
## TAGS
Geflüchtete
Schule
Minderjährige Geflüchtete
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Niedersachsen
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Abschiebung
Niedersachsen
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