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# taz.de -- Geflüchtete Kinder in Niedersachsen: Endlich Recht auf Schulbesuch
> Wenn geflüchtete Kinder lange in der Erstaufnahme bleiben, entsteht eine
> Bildungslücke. Die niedersächsische Landesregierung will dem abhelfen.
Bild: Bekommen bald eine reguläre Schulbildung: Geflüchtete Kinder in der Ers…
Hamburg taz | Mit dem neuen Schuljahr haben nun auch Geflüchtete in
Erstaufnahmeeinrichtungen (EAE) die Chance auf eine reguläre Schulbildung.
In Niedersachsen gehen sie bislang nicht zur Schule. Das will die
schwarz-rote Landesregierung nun ändern. Ab dem neuen Schuljahr sind
Regelschulen für den Unterricht in EAE zuständig. Verantwortlich ist jetzt
also das Kultusministerium, nicht mehr das Innenministerium.
Eigentlich gilt die Schulpflicht für alle, völlig unabhängig von
Nationalität und Herkunft. Ein Schulbesuch gehört zu den UN-Kinderrechten.
Nach einer EU-Richtlinie müssen Geflüchtete spätestens nach drei Monaten
Zugang zu Bildungsangeboten bekommen. In Niedersachsen gilt die
Schulpflicht jedoch erst, wenn sie einer Kommune zugeteilt wurden. In den
Einrichtungen nehmen sie bisher an Interkulturellen Lernwerkstätten teil.
Dort lernen sie vor allem Deutsch.
Zum Problem wird dieses System, wenn Betroffene mehrere Monate in der EAE
bleiben. Das gilt vor allem für Geflüchtete aus sogenannten sicheren
Herkunftsländern, weil sie nicht mehr auf die Kommunen verteilt werden, wie
der Flüchtlingsrat Niedersachsen kritisiert hat. „Es ist eine Katastrophe,
wenn die Kinder teilweise mehr als ein Jahr lang praktisch keine
Schulausbildung erfahren“, sagt Laura Müller. Sie kümmert sich beim
Flüchtlingsrat um die Aufnahme und Integration. Ganz gleich, ob Geflüchtete
später in ihre Heimat zurückkehren müssten: Ein Recht auf Bildung hätten
sie trotzdem.
FlüchtlingsaktivistInnen kritisieren schon lange, dass Geflüchtete länger
als sechs Monate in den EAE bleiben. Bereits 2017 hatte der Flüchtlingsrat
dem Land in einem Forderungspapier vorgeworfen, das Wohl der Kinder zu
gefährden.
Zur Zeit wohnen in Niedersachsen 382 schulpflichtige Kinder in den sechs
Einrichtungen der Landesaufnahmebehörde (LAB). Sie verteilen sich auf
Braunschweig, Osnabrück, Bramsche, Oldenburg, Friedland und Bad
Fallingbostel. Pro Standort sind nun eine Grundschule und eine
weiterführende Schule für die Geflüchteten zuständig. Sie sollen an
Schultagen fünf Unterrichtsstunden in den Räumen der EAE anbieten. Die
Schulen können nun auch Fachlehrer für Englisch, Sachunterricht oder Musik
abstellen.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) unterstützt die Pläne.
„Im Sinne der Integration ist das absolut richtig“, sagt die
Landesvorsitzende Laura Pooth. Zusätzlicher Sprachunterricht dürfe aber
nicht wegfallen, damit Geflüchtete ausreichend Deutsch lernten, sagt Pooth.
Auch der Flüchtlingsrat lobt das neue Konzept. „Nur so können die Kinder
und Jugendlichen Fachunterricht erfahren“, sagt Müller. „In der
Erstaufnahmeeinrichtung haben Geflüchtete bisher keine Chance auf einen
Bildungsabschluss.“
Ausgenommen von der neuen Regelung ist der Standort Bad Fallingbostel. Dort
leben momentan 51 Kinder zwischen sechs und achtzehn Jahren. Nach Angaben
des SPD-geführten Innenministeriums bleiben Geflüchtete nicht lange dort im
Ankunftszentrum, sondern werden sofort weiter verteilt. Eine Änderung sei
dort nicht nötig.
Der Flüchtlingsrat sieht diese Entscheidung kritisch. „Nach unserer
Erfahrung kann sich der Aufenthalt trotzdem sehr lange hinziehen“, sagt
Müller. „Ein Angebot sollte auf jeden Fall geschaffen werden“.
Noch im Januar hatte das Innenministerium das Konzept Interkulturelle
Lernwerkstatt verteidigt. Das Recht auf einen Schulbesuch werde in
Niedersachsen gewahrt, antwortete das Ministerium auf eine Kleine Anfrage
der FDP. Die Abgeordneten hatten der Landesregierung vorgeworfen, EU-Recht
zu verletzen, weil Geflüchtete aus sicheren Herkunftsländern nicht zur
Schule gehen. Damals waren 27 von 175 schulpflichtigen Kindern aus diesen
Ländern bereits länger als ein halbes Jahr in Erstaufnahmeeinrichtungen.
15 Aug 2019
## AUTOREN
Jana Hemmersmeier
## TAGS
Niedersachsen
Schule
Integration
Erstaufnahme
Geflüchtete
Geflüchtete
Geflüchtete
Vertriebene
Kinderrechte
Immigration
Bildungschancen
Geflüchtete
Kultusministerkonferenz
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