# taz.de -- Studie zur Bildung von Geflüchteten: Noch viel zu tun | |
> Die Kultusminister loben das deutsche Bildungssystem. Forscher sehen | |
> viele Mängel, wenn es um die Zukunftschancen junger Flüchtlinge geht. | |
Bild: Bildung ist die beste Möglichkeit der Integration: Flüchtlingskinder in… | |
Berlin taz | Die bisherigen Integrationserfahrungen geben Grund zur Sorge: | |
Vor Kurzem stellte der Nationale Bildungsbericht verheerende Zahlen vor: | |
Personen ohne deutschen Pass erreichen nur halb so oft die Allgemeine | |
Hochschulreife wie ihre deutschen MitschülerInnen, und verlassen doppelt so | |
häufig die Schule ohne Hauptschulabschluss. Die Integration von | |
MigrantInnen: noch gelingt sie dem deutschen Bildungssystem nicht wirklich. | |
Die Studie haben WissenschaftlerInnen unter Federführung des Deutschen | |
Instituts für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) erstellt. In | |
Auftrag gegeben haben sie die KultusministerInnen der Länder. Und die | |
scheinen die Sorgen der ForscherInnen nicht zu teilen, wenn es um die | |
Zukunftschancen junger Geflüchteter geht. | |
In einem am Donnerstag veröffentlichtem Bericht kommen sie zu dem Schluss: | |
„Unser Bildungssystem hat sich (…) als tragfähig und zupackend erwiesen.“ | |
Länder und Kommunen hätten geholfen, den „enormen zusätzlichen Raum-, | |
Ressourcen- und Personalbedarf schnell, unkonventionell und unbürokratisch“ | |
zu decken. | |
Die rund 300.000 zusätzlichen Kinder und Jugendliche aus Syrien, | |
Afghanistan oder Eritrea, die 2015 nach Deutschland gekommen sind, sind zum | |
großen Teil in der Schule (auch wenn sie nicht überall – wie von | |
Bildungsexperten empfohlen – gleich in die Regelklassen genommen werden). | |
Für Jede und Jeden gilt: Wer fleißig Deutsch lernt, kann später vielleicht | |
studieren oder zumindest einen Ausbildungsplatz ergattern, wenn die | |
Wirtschaft mitspielt. Also alles gut? | |
## In Berlin fehlten 1.350 LehrerInnen | |
Ganz so weit gehen die KultusministerInnen in ihrem Bericht nicht. Sie | |
sehen die „vielfältigen Herausforderungen“, wie die „notwendige Schaffung | |
von schulräumlichen Kapazitäten“ oder die „Akquise bzw. [die] notwendige | |
Ausweitung der Angebote zur Aus-, Weiter- und Fortbildung von Lehrkräften“. | |
Schon Anfang des Jahres hat die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, | |
die Bremer Senatorin für Kinder und Bildung Claudia Bogedan (SPD), den | |
Lehrermangel als Integrationsbremse bezeichnet – und die Einstellung von | |
20.000 zusätzlichen LehrerInnen gefordert. Die Frage ist nur, woher sie | |
kommen sollen. | |
In Berlin etwa fehlten zum neuen Schuljahr 1.350 LehrerInnen – und das | |
obwohl der Senat seit Anfang 2014 schon 5.692 Lehrkräfte neu eingestellt | |
hat. Von den Berliner Hochschulen kommen aber nur 300 Referendare im Jahr | |
nach. Und in vielen ländlichen Regionen müssen Kinder und Jugendliche | |
bisweilen monatelang auf einen Platz in der Schule oder Berufsschule | |
warten, beklagen Flüchtlingsräte in mehreren Bundesländern. | |
## Lange Wartelisten, lahme Ämter | |
Dazu kommt, dass vor allem Lehrer fehlen, die kompetent Sprache vermitteln | |
können. Bisher ist aber nur in Nordrhein-Westfalen „Deutsch als | |
Fremdsprache“ ein verpflichtender Teil der Lehrerausbildung. Diese Vorgabe | |
wollen die KultusministerInnen den Ländern auch bei der Konferenz mit dem | |
Schwerpunkt Integration nicht machen. In Bildungsthemen herrscht föderale | |
Autonomie. Sie wird ungern angerührt. | |
Die Integration von MigrantInnen ist nicht nur in der Schule, sondern auch | |
auf dem Arbeitsmarkt ein Problem. Wer im Ausland die Schule besucht hat und | |
sich in Deutschland um einen Ausbildungsplatz bewerben will, muss seine | |
Zeugnisse anerkennen lassen. Und dies könne bis zu zwei Jahren dauern, | |
berichtete erst diese Woche auf einer Bildungskonferenz Joseph Laudien, der | |
im Hessischen Kultusministerium für die Umsetzung der | |
EU-Berufsanerkennungsrichtlinie zuständig ist. Wer nicht früh genug dran | |
ist, den bremst die Bürokratie aus. | |
Selbst für dringend benötigte Fachkräfte – wie Mediziner – ist es | |
langwierig, ehe sie in Deutschland zugelassen werden. Nicht nur wegen der | |
hohen Ansprüche, sondern auch wegen fehlender Weiterbildungsplätze. | |
Kein Bafög für Geflüchtete | |
Bei der Frage, wie Geflüchtete schnell studieren können, zeigen die | |
KultusministerInnen hingegen Handlungsfähigkeit. Demnächst wollen die | |
Länder vorstellen, wie Studieninteressierte, die fluchtbedingt keine | |
Originalzeugnisse vorlegen können, ihre „Studierfähigkeit“ nachweisen | |
können. Seit Ende vergangenen Jahres besteht die Option für Hochschulen. | |
Bisher musste sich aber jede Uni selbst überlegen, wie sie Geflüchtete auf | |
deren Begabung und Bildungsniveau testet. | |
Das Potential, in Deutschland zu studieren, haben zumindest viele. Nach | |
einer Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IBA) | |
haben fast die Hälfte der Geflüchteten mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit | |
eine höhere Schulbildung haben. | |
Dumm nur, dass Flüchtlinge im Studium nicht sehr unterstützt werden. Wer | |
länger als 15 Monate in Deutschland ist und studiert, bekommt keine | |
Asylbewerberleistungen. Wer im Asylverfahren steckt, hat gleichzeitig aber | |
kein Anspruch auf Bafög. Eine Zwickmühle. Die MinisterInnen schreiben dazu: | |
Hier muss zeitnah eine Lösung gefunden werden“. Oder anders: Nicht die | |
Länder, der Bund soll's richten. | |
NaN NaN | |
## AUTOREN | |
Ralf Pauli | |
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