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# taz.de -- Kriegsflüchtlinge im Norddeutschland: Tor zur Welt verstopft
> Vor Hamburgs Ausländerbehörde warten Ukrainer tagelang auf Registrierung.
> Der Kreis Pinneberg zeigt mit Online-Registrierung, das es schneller
> geht.
Bild: Vor dem Migrationsamt in Hamburg ist es eng. Eine Mitarbeiterin versucht,…
Hamburg taz | Noch abends spät um 22 Uhr standen am Dienstag Menschen aus
der Ukraine vor der Hamburger Ausländerbehörde, um auf ihre Registrierung
zu warten. Es hatte dort in der Nacht zuvor sogar „eine größere Anzahl“
übernachtet, räumte Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) vor der Presse
ein – und warb um Verständnis: Die Mitarbeiter arbeiteten sogar am
Wochenende, es ginge nicht schneller. Es handele sich bei der Registrierung
um „anspruchsvolle Vorgänge mit sensiblen Daten“.
An [1][die 15.000 geflüchtete Menschen waren da schon in der Stadt], von
denen erst 5.847 registriert waren. Dieser Vorgang gilt als Flaschenhals.
In das Amt für Migration im Stadtteil Wandsbek kommen jene, die privat oder
bei Verwandten wohnen und keinen Platz in einer öffentlichen Unterkunft
brauchen.
Die Stadt teilt [2][auf ihrer Homepage] mit, dass die vor dem Krieg
geflohenen Menschen nach EU-Regel für die Registrierung zwar bis zu 90 Tage
Zeit haben. Aber für Leistungen vom Staat brauchen sie diese Anmeldung.
„Die Leute stehen dort, und jedes Mal, wenn die Tür aufgeht, flammt
Hoffnung auf“, beschreibt Helferin Barbara Adolph die Situation. Sie ist
[3][Mitglied bei „Welcome to Wandsbek“], eine von mehreren Initiativen, die
die Menschen dort mit warmen Getränken, Decken und Essen versorgen, zu
Telefonkarten verhilft und begleitet.
## Helferin: Die Menschen haben Geldprobleme
Eine Unterstützerin, die Ukrainisch spricht, habe den Wartenden erklärt,
dass die medizinische Versorgung in Hamburg auch so gewährleistet sei und
es Sozialhilfe rückwirkend gebe, berichtet Adolph. „Aber die Leute haben
ein Geldproblem, weil die ukrainische Währung fast nicht zu tauschen ist.“
Außerdem gehe es hier nicht nur um praktische Fragen: „Die Leute haben in
kürzester Zeit alles verloren. Sie brauchen wieder Sicherheit, und zwar von
einer Behörde.“
Die Hamburger CDU fordert nun, dass Hamburg eine Online-Registrierung für
Flüchtlinge aus der Ukraine einrichtet, wie sie der Kreis Pinneberg hat.
Dort könnten sich die Menschen vorab digital registrieren und würden später
zu einem Termin eingeladen. „Das erspart Zeit“, sagt Fraktionschef Dennis
Thiering.
In der Tat hat der [4][Kreis Pinneberg] seit Montag ein Online-Formular auf
seiner Seite, in das die Menschen ihre Kontaktdaten eingeben können. Sobald
dieses ausgefüllt ist, kommt eine automatische Antwort zurück, mit dem sich
die Menschen zusammen mit ihrem Ausweis an das örtliche Sozialamt wenden
können, um Leistungen zu beantragen, Krankenversicherungsschutz zu erhalten
oder eine Unterkunft zu finden. „Die Online-Registrierung der
Ausländerbehörde wird sehr gut angenommen“, sagt Sprecherin Katja Wohlers.
„Gleich am ersten Tag haben sich 645 Menschen dort registriert.“
Auf das [5][Beispiel Pinneberg angesprochen, sagt Senator Grote], „eine
vollumfängliche Registrierung geht im Online-System nicht“. Was die
Großstadt aber einrichten will, ist eine „[6][Online-Terminbuchung]“,
sodass die Menschen nicht mehr vor Ort warten müssen. Grote warb noch
einmal für das Hamburger Verfahren.
## Bund lenkt Sonderzüge um
Die Menschen bekämen mit der Registrierung alles, was sie brauchen, aus
einer Hand – zum Beispiel auch die Arbeitserlaubnis. Die Flüchtlingskrise
2015 habe gezeigt, wie wichtig ordentliche Registrierung sei. Damals sei
man hinterher mit Bleistift und Zettel durch die Unterkünfte gegangen und
habe Leute gesucht.
CDU-Politiker Thiering überzeugt das nicht. Die geplante digitale
Terminvergabe ändere „an der Situation und den teils ewigen Wartezeiten der
Flüchtlinge wenig“.
Martin Link vom [7][Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein] vermutet noch ein
anderes Problem. „Die Leute sitzen in Wandsbek so lange vor der Tür, weil
sie die Chance nicht verpassen wollen, sich in Hamburg registrieren zu
lassen.“ Denn seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine gebe es fast täglich
neue Erlasse auf Bundes- und Länderebene. So greift seit Mittwoch die
sogenannte „Easy-Verteilung“ auf Grundlage des „Königsteiner Schlüssels…
Wie aus einem Brief des [8][Bundesinnenministeriums] hervorgeht, wird der
Bund fortan die „koordinierbaren Züge und Busse nicht mehr nach
Freiwilligkeit, sondern nach Leistungsfähigkeit der Länder“ verteilen.
[9][Vor allem Berlin] und Hamburg seien von einem hohen Zuzug belastet.
Nach „Easy-Quote“ müsste Berlin jedoch nur 5,1 und Hamburg 2,6 Prozent der
Menschen aufnehmen.
Bisher nicht betroffen von der „Easy“-Zuweisung sind die Menschen, die wie
die Wartenden in Wandsbek privat untergekommen sind und keine Unterkunft
brauchen. Link sagt: „Es ist fraglich, ob das wirklich so bleibt oder die
Länder hier nicht auch Gegenmaßnahmen einleiten.“ Denn die Integration
privat Aufgenommener verursache den Ländern und Kommunen Kosten. „Das
zeigen die Erfahrungen aus dem Jugoslawienkrieg.“
Innensenator Grote räumte ein, dass mit dem „Easy“-Verfahren die Wahl des
Wohnsitzes „nicht mehr ganz so frei“ sei. Er beteuerte aber, dies gelte
nicht, wenn Menschen keine öffentliche Unterbringung brauchen. Die könnten
sich „den Ort frei aussuchen“.
Anmerkung der Redaktion: Nach Erscheinen dieses Textes gab der Hamburger
Senat bekannt, dass die angekündigte [10][Online-Terminvergabe für die
Registrierung] privat untergebrachter Personen aus der Ukraine ab sofort
freigeschaltet ist. Zunächst stünden 4.300 Termine zur Verfügung, die
täglich von 8 bis 17 Uhr und auch am Wochenende gebucht werden können.
17 Mar 2022
## LINKS
[1] /Herberge-fuer-Kriegsfluechtlinge/!5838418
[2] https://www.hamburg.de/ukraine/
[3] https://welcome-to-wandsbek.de/
[4] https://www.kreis-pinneberg.de/Ukraine.html
[5] https://www.youtube.com/watch?v=jl7XonZf7yg
[6] https://serviceportal.hamburg.de/HamburgGateway/FVP/FV/Bezirke/DigiTermin/B…
[7] https://www.frsh.de/home/
[8] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/faqs/DE/themen/ministerium/ukraine-krieg…
[9] /Fluechtlinge-aus-der-Ukraine/!5837099
[10] https://serviceportal.hamburg.de/HamburgGateway/FVP/FV/Bezirke/DigiTermin/…
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Flucht
Ukraine
Sozialbehörde Hamburg
Pinneberg
Bundesinnenministerium
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Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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