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# taz.de -- Geflüchtete aus der Ukraine: Zwischenstation Berlin
> In Berlin kommen weiterhin Tausende Ukrainer:innen an. Helfende
> organisieren Tickets für die Weiterfahrt, in der Hauptstadt bleiben wird
> schwieriger.
Bild: Erleichterung am Hauptbahnhof Berlin: eine Frau begrüßt ein Mädchen au…
Berlin taz | Für die ukrainischen Flüchtenden ist der Berliner Hauptbahnhof
in Deutschland der erste Anlaufpunkt. Nach Schätzungen der Senatsverwaltung
kommen derzeit täglich [1][zehntausend Menschen dort an].
Die Deutsche Bahn setzt Sonderzüge ein, die mehrmals am Tag zwischen der
polnischen Grenze und Berlin pendeln. Dazu verkehren regulär Eurocity-Züge
zwischen Warschau und Berlin. In einem von ihnen sind auch Chad und sein
Freund Beni das letzte Stück bis nach Deutschland gekommen. Vor sieben
Tagen sei er in Ternopil im Westen der Ukraine aufgebrochen, einen Teil der
Strecke bis nach Polen seien sie zu Fuß gegangen. Chad stammt aus dem Kongo
und lebte zum Studieren in der Ukraine. Er spricht langsam und leise. Wie
fast alle Ankommenden ist ihm die Erschöpfung deutlich anzusehen.
## Tickets zur Weiterfahrt sind kostenlos
Viele Menschen sitzen im Berliner Hauptbahnhof auf ihren Koffern, ruhen
sich aus oder schauen auf ihre Handys. Sie halten ihre Kinder im Arm oder
kümmern sich um die Katzen und Hunde, die sie in kleinen Transportboxen
mitgebracht haben, während sie auf die Weiterfahrt warten.
Im Untergeschoss des riesigen Bahnhofs haben Freiwillige innerhalb weniger
Tage eine Ankunftsstation für die Flüchtenden eingerichtet. Sie verteilen
Lebensmittel und frische Kleidung, Kinderspielzeug, Sim-Karten und
Coronatests. Es gibt [2][Informationsstände für BPoC] und LGBTQI*-Menschen.
Die Deutsche Bahn verteilt an einem Schalter kostenlose Tickets zur
Weiterfahrt innerhalb Europas an ukrainische Fahrgäste. Zwischen den
sichtlich erschöpften Menschen laufen Helfer*innen in roten und gelben
Warnwesten durch die Menge. Die Hilfsaktion in Berlin wird über Telegram-
und Facebookgruppen koordiniert, einen zentralen Ansprechpartner gibt es
nicht.
„Ich bin einfach gekommen und wollte helfen“, erzählt Michele Trincia. Der
66-jährige Unternehmer habe am Sonntag drei Ukrainerinnen von der
polnischen Grenze mit seinem Privatauto abgeholt und zum Berliner
Hauptbahnhof gebracht. Seitdem sei er hier, geschlafen habe er nicht. „Wir
sprechen die Menschen an und helfen ihnen, das Ticket für die Weiterfahrt
zu holen“, sagt er. Viele würden weiterreisen in andere Städte in
Deutschland, wo sie Verwandte oder Bekannte haben. Einige wollen auch
weiter Richtung Westen, nach Paris zum Beispiel.
## Unterkünfte werden über Messengerdienste vermittelt
Während er erzählt, winkt er einen Mann mit einer Krücke zu sich und deutet
auf einen Campingstuhl, der neben ihm steht. Er fragt ihn auf Russisch, wie
er helfen kann. Der Mann deutet auf sein Knie. Seit Mittwoch seien sein
14-jähriger Sohn und er unterwegs, von Kiew aus über die Slowakei nach
Deutschland. Er sei auf der Flucht immer wieder hingefallen und habe
Schmerzen. Ein weiterer Helfer kommt hinzu und holt das Rote Kreuz, es geht
eine Weile hin und her.
Etwas später erzählt Trincia, der Mann habe niemanden, bei dem sein Sohn
und er jetzt aufgenommen werden könnten. Er habe ihnen gesagt, dass sie
dann weiterreisen müssten, [3][„Berlin ist voll“.] Wohin, das solle er für
sie aussuchen, habe der Mann geantwortet. Während Trincia erzählt, schluckt
er mehrmals, seine Stimme stockt. „Die Züge sind voll mit Leuten, die wie
er tagelang im Keller gewohnt haben, nicht geduscht haben, nichts gegessen
haben. Das kann man sich nicht vorstellen.“
Die Berliner Senatssozialverwaltung hatte am Montag auf Twitter vermeldet,
dass alleine am Sonntag mehr als 13.000 Menschen aus der Ukraine nach
Berlin gekommen seien, Samstag kamen nach Angaben der Senatsverwaltung rund
11.000 Menschen mit Bus und Bahn nach Berlin. Berlins Regierende
Bürgermeisterin Franziska Giffey hatte vor einer Woche mit 20.000
Geflüchteten gerechnet. Nach Giffeys Angaben sollen Ukraine-Flüchtlinge in
der Hauptstadt auch in Hotels unterkommen, Viele Hotels böten freiwillig
Hilfe an.
Wer in Berlin bleibt, wird von den Helfer*innen zum Busterminal oder zu
den Treffpunkten mit Angehörigen oder Bekannten begleitet. Auch die
Unterkünfte werden teilweise über den Messengerdienst Telegram vermittelt.
So sind auch Roxy und John auf die Aktion aufmerksam geworden. Das Paar aus
Brandenburg wartet am Aufgang zu den Gleisen auf eine Frau und deren zwei
Kinder, die sie bei sich aufnehmen wollen. „Sie hat in einer Gruppe
geschrieben, dass sie etwas sucht, und dann haben wir uns einfach
gemeldet“, erzählt John.
Sein eigener Vater und seine Brüder lebten auch in der Ukraine, können aber
nicht ausreisen. Sie hätten immerhin ihren Heimatort Kiew in Richtung
Westen verlassen können, erzählt der 27-Jährige. Vier Tage lang habe er
nichts von ihnen gehört, bis sie sich schließlich gemeldet und vorerst
Entwarnung gegeben hätten: „Alles okay.“ Mit selbst geschmierten Brötchen,
Trinkpäckchen und einem Puzzle für die Kinder unterm Arm warten sie nun,
bis der Zug aus Polen ankommt.
7 Mar 2022
## LINKS
[1] /Fluechtlinge-aus-der-Ukraine/!5835661
[2] /Schwarze-Gefluechtete-aus-der-Ukraine/!5834093
[3] /Ankunft-von-Gefluechteten-in-Berlin/!5839360
## AUTOREN
Jette Wiese
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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Kolumne Der rote Faden
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