# taz.de -- Herberge für Kriegsflüchtlinge: Hotels statt Turnhallen | |
> In Hamburg suchen 12.000 Ukrainer schutz. Stadt stellt Notbetten in | |
> leerem Fegro-Markt auf. Hotels stellten 700 Zimmer bereit, bisher | |
> kostenfrei. | |
Bild: Thema auch schon vor anderthalb Jahren: Demonstranten fordern Hotelunterb… | |
HAMBURG taz | Menschen aus Fluchtgebieten schlafen in Hallen. Dahin wollte | |
man eigentlich nicht wieder kommen. In einem ehemaligen Fegro-Markt in | |
Hamburg-Harburg stellten Ehrenamtliche des Roten Kreuzes 600 Feldbetten für | |
geflüchtete Frauen und Kinder aus der Ukraine auf. Außerdem stattete die | |
Stadt am Wochenende fünf Turnhallen mit je 150 Feldbetten aus. In Hamburgs | |
Messehallen sind bereits seit einer Woche Mütter und Kinder untergebracht. | |
Die [1][Helferin Tatjana Sosin] hatte vor einer Woche 120 Geflüchtete in | |
einem Doppeldeckerbus nach Hamburg gebracht und in der taz davor gewarnt, | |
dass diese Art der Unterbringung die Menschen traumatisiere. Sie hat selbst | |
Wurzeln in der Ukraine und brachte Eine Mutter, die sie begleitete zog es | |
tatsächlich vor, Hamburg zu verlassen und in Polen bei Bekannten | |
unterzukommen. | |
Eine zweite Familie sei aber [2][in der Messehalle geblieben]. „Die ist | |
relativ zufrieden“, sagt Sosin. „Sie hat dort ein eigenes Abteil bekommen, | |
auch gibt es Waschmaschinen und Trockner, das Essen ist gut.“ | |
Der Zustrom an Geflüchteten hat ein historisches Ausmaß und ist derzeit | |
stärker als 2015. Darauf wies Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) auf | |
der Landespressekonferenz hin. Man habe inzwischen 12.000 Kriegsflüchtlinge | |
aus der Ukraine in der Stadt, von denen etwa die Hälfte registriert seien. | |
Um lange Wartezeiten zu verkürzen, soll für Ankunftsregistrierung bis zum | |
Wochenende eine „Online-Terminbuchung“ möglich sein. Berlin und Hamburg | |
seien die Städte, die am häufigsten angesteuert werden. | |
## Kostenerstattung für Hotels unklar | |
„Die Hallen werden wieder belegt. Es geht nicht anders. Ich mache niemandem | |
einen Vorwurf“, sagt Simone Will von der [3][Gruppe „Kids Welcome“], die | |
seit sieben Jahren Kinder in Unterkünften betreut. Die Organisation | |
verteilt Willkommenstüten mit Malstiften für die Kinder am Hauptbahnhof und | |
will ab Donnertag ein Kinderprogramm in der Messehalle anbieten. Das | |
[4][Rote Kreuz Altona-Mitte], das die Unterkunft in den Messehallen | |
betreibt, sei bemüht, das Beste draus zu machen. „Es stehen im Essraum | |
sogar Blumen auf dem Tisch.“ | |
Die Stadt hatte zur Hochzeit des Flüchtlingszustroms um 2016 rund 37.000 | |
Plätze, die später wieder abgebaut wurden. Grote sagte, die Stadt gebe sich | |
alle Mühe. Zum Zeitpunkt des Ausbruchs des Ukraine-Krieges habe es rund | |
30.000 Unterkunftsplätze gegeben. Seither habe man diese Zahl auf rund | |
35.000 erhöht. Etwa 2.500 ukrainische Flüchtlinge lebten in öffentlichen | |
Unterkünften, zwischen 3.000 und 3.500 in besagten Notunterkünften. | |
„Wir würden diese Zahl gern reduzieren“, sagte Grote. Knapp 700 Menschen | |
wurden bereits auf andere Bundesländer verteilt. 434 seien noch vor ihrer | |
Registrierung in einer Art Nachbarhilfe von Schleswig-Holstein, Thüringen | |
und Mecklenburg-Vorpommern aufgenommen worden. 252 habe man nach ihrer | |
Registrierung nach „Königsteiner Schlüssel“ umverteilt. | |
Um die Not zu lindern, ist die Stadt nun auf die Hotelbranche zugegangen. | |
Wie der [5][NDR am Freitag berichtete], erhielten hunderte Hoteliers von | |
der städtischen Hamburg-Tourismus-Gesellschaft (HHT) und dem | |
Branchenverband Dehoga eine Mail, ob sie kurzfristig Zimmer zur Verfügung | |
stellen könnten, kostenfrei für ein paar Nächte. Die Stadt wäre auch | |
bereit, dafür zu zahlen. Dafür müssten aber die Hoteliers ihr ganzes Haus | |
oder mindestens 30 Zimmer für ein halbes Jahr bereit halten. | |
## Viel Solidarität von Hotels | |
Laut HHT-Sprecher Sascha Albertsen hatten bis Freitag 20 Hotels mehr als | |
700 Zimmer zur Verfügung gestellt. „Die Solidarität in der Hotelbranche ist | |
groß“, sagte Albertsen. Doch wie das Hamburger Abendblatt berichtete, gab | |
es in der Hotelbranche Irritationen über die Konditionen, klingt es doch | |
nicht gerecht, wenn nur große Hotels Geld bekommen. | |
Dehoga-Vizepräsident Nikolaus Kaiser von Rosenburg sagte laut Abendblatt, | |
die Hotels bräuchten zumindest eine Pauschale für die Verköstigung der | |
Menschen. Gegenüber der taz wollte sich die Dehoga zu der Sache nicht | |
äußern, das sei „Unternehmensentscheidung“. | |
Auf Nachfrage teilte die Innenbehörde mit, komplette Hotels seien noch | |
nicht angemietet worden, sondern nur einzelne Zimmer. „Den Hotels werden | |
die Kosten für die Zimmer und etwaige Verpflegung erstattet“, sagte Florian | |
Abbenseth. Ob dies tatsächlich aber erst ab einem Kontingent von 30 Zimmer | |
gelten soll, konnte er am Montag nicht abschließend auflösen. Zudem habe | |
man zumindest die Turnhallen am ersten Tag noch nicht nutzen müssen. Sie | |
seien ohnehin nur als „Zwischenunterbringung“ gedacht. | |
## Förderung für Privatvermieter? | |
Die Linke mahnte am Montag, es sei Hamburgs Pflicht, alle Geflüchteten, | |
nicht nur die mit ukrainischem Pass, „schnell und menschenwürdig“ | |
unterzubringen. Feldbetten in einer Turnhalle seien „ganz sicher nur eine | |
Notlösung“, sagte Fraktions-Vize David Stoop. Hamburg müsse alle | |
Möglichkeiten prüfen. So brauche man von der städtischen Saga einen | |
„transparenten Überblick“ über deren leere Wohnungen. | |
Und neben der Unterbringung in Hotels könnte Stoop sich auch „die | |
finanzielle Förderung privat bereitgestellten Wohnraums“ vorstellen. Dabei | |
spielt der Abgeordnete auf Großbrittannien an. Dort erhalten [6][Bürger für | |
jedes Zimmer], das sie an Ukrainer vermieten, 350 Pfund. | |
15 Mar 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Not-Unterkunft-fuer-Kriegsfluechtlinge/!5836603 | |
[2] /Not-Unterkunft-fuer-Kriegsfluechtlinge/!5836603 | |
[3] http://kids-welcome.org/ | |
[4] https://www.drk-altona-mitte.de/ | |
[5] https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Auch-Hamburger-Hotels-sollen-Ukraine… | |
[6] https://www.stern.de/politik/gute-idee-aus-london---private-helfer-bekommen… | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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