# taz.de -- Ukraine-Flüchtlinge in Berlin: Geordnetes Chaos | |
> Die vielen Ukraine-Geflüchteten machen auch den Berliner Bezirksämtern | |
> Arbeit: Die Schlangen vor Sozialämtern werden länger. | |
Bild: In einem abgesperrten Bereich in der Messe sind Feldbetten für geflücht… | |
Berlin taz | Die Auswirkungen des Ukrainekrieges sind nicht mehr nur [1][an | |
Hauptbahnhof] und Zentralem Omnibus-Bahnhof zu beobachten, wo täglich | |
Tausende Kriegsflüchtlinge eintreffen. Auch die Sozialämter der Bezirke, wo | |
Geflüchtete ein erstes Überbrückungsgeld bekommen können, haben sich zu | |
Hotspots der Geschäftigkeit entwickelt. | |
Vor dem Kreuzberger Sozialamt in der Yorckstraße hat sich am | |
Donnerstagmittag eine etwa 50 Meter lange Warteschlange gebildet. „In den | |
letzten Tagen kamen täglich um die 340 bis 350 Menschen, die wir versorgt | |
haben“, sagt Amtsleiter Horst Dietrich Elvers. Auch der extra für | |
Ukrainer*innen eingerichtete Warteraum im ersten Stock ist voll. Hier | |
sitzen vor allem ukrainischen Frauen, die versuchen ihre Kinder mit dem | |
bereitgestellten Spielzeug abzulenken. Auch für Lunchpakete ist gesorgt. | |
Was sich im und vor dem Gebäude abspielt, lässt sich wohl am besten als | |
geordnetes Chaos beschreiben. | |
Laut Elvers erhalten alleinstehende Erwachsene eine einmalige Auszahlung | |
„um die 370 Euro“. Für Familien gebe es eine gewichtete Abstufung je nach | |
Zahl und Alter der Kinder. Der Betrag richtet sich nach den Regelsätzen des | |
Asylbewerberleistungsgesetzes und wird den Betroffenen nach Elvers' Angaben | |
bar ausgezahlt – oder auf ein deutsches Konto, sofern vorhanden. | |
So einfach und unbürokratisch ist es wohl nicht überall. Ein junger | |
Ukrainer, der mit seiner Frau und ihren drei minderjährigen Geschwistern in | |
der Schlange steht, berichtet, dass er beim Sozialamt in Lichtenberg sehr | |
unhöflich abgewiesen worden sei. Grund: Er und seine Frau haben keine | |
Ausweise mehr. Auch für die Kinder, die noch im Besitz ihrer Dokumente | |
sind, habe die Mitarbeiterin kein Geld geben wollen, weil sie kein | |
Bankkonto hätten und man in Lichtenberg wohl kein Bargeld auszahle. | |
## Erbostes Bezirksamt | |
Und nicht nur dort scheint man sich angesichts der aktuellen Situation – | |
bei aller Beteuerung über „unsere Solidarität mit der Ukraine“ – | |
überfordert zu fühlen. Einigermaßen erbost reagierte etwa das Bezirksamt | |
von Charlottenburg-Wilmersdorf auf den Brief der Regierenden | |
Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) an die 110.000 Landesbeschäftigten, | |
mit dem sie am Montag um Freiwillige für das neue Ankunftszentrum in Tegel | |
bat. | |
In einem Brief an die eigenen Mitarbeitenden, der der taz vorliegt, | |
schrieben alle Bezirksbürgermeriste*innen, man sehe sich außerstande, eine | |
Abordnung nach Tegel zu schicken: „Die Schlangen vor den Ämtern werden | |
täglich länger. Wir stoßen als Bezirk bereits jetzt mit den Regelaufgaben | |
an unsere Grenzen.“ | |
Die Sprecherin des Senats, Lisa Frerichs, erklärte dazu am Donnerstag auf | |
taz-Anfrage, Giffey habe ja geschrieben, dass „wir uns in Berlin in einer | |
absoluten Ausnahmesituation befinden“. Die Unterstützung für Tegel sei | |
zudem freiwillig und müsse mit der jeweiligen Dienststelle abgesprochen | |
werden. Auch sei klar, dass bestimmte Stellen wie Sozialämter „keine oder | |
nur wenige“ Mitarbeiter*innen abstellen könnten. | |
Immerhin hatten sich bis Donnerstagmittag laut Sprecher der | |
Finanzverwaltung 164 Landesbedienstete mit Zustimmung ihrer Chef*innen | |
gemeldet, was man „ganz positiv bewerte“. Die benötigte Zahl von 400 | |
Mitarbeitenden zum Betrieb von Tegel müsse nicht komplett mit | |
Landesmitarbeiter*innen bestückt werden, erklärte er. | |
## „So schnell es geht“ | |
Dazu würden auch die 80 Soldaten zählen, die die Bundeswehr nach Giffeys | |
Amtshilfeersuchen ab Freitag schicken will; weitere „Hilfsarbeiten“ könnten | |
über Personalagenturen gedeckt werden. Nach taz-Informationen sind auch | |
Mitarbeitende aus Impfzentren nun mit dem Aufbau beschäftigt. | |
Geplant ist, dass in Tegel [2][10.000 Geflüchtete pro Tag registriert und | |
großenteils in andere Bundesländer verteilt werden sollen]. Zur | |
Erstunterbringung sollen zudem bis zu 7.500 Betten im ehemaligen | |
Flughafengebäude sowie in einer Zelt- und Containerstadt auf dem ehemaligen | |
Rollfeld entstehen. Die 500 Betten, die schon stehen, sind seit Tagen | |
belegt. Weitere neue Notquartiere sind in den letzten Tagen in der Messe | |
Berlin (aktuell 945, Ausbau läuft), in Terminal 5 vom BER (aktuell 200, | |
Ausbau läuft) und in zahlreichen Kirchengemeinden entstanden. Allerdings | |
sind dies alles keine Dauerlösungen, die meisten dieser Geflüchteten werden | |
bald in andere Bundesländer weiterziehen müssen. | |
Wann das Ankunftszentrum mit der Registrierung und Weiterverteilung | |
startet, ist jedoch weiter offen. „So schnell es geht“, heißt es vage aus | |
der Integrationsverwaltung. | |
17 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Julian Csép | |
Susanne Memarnia | |
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