# taz.de -- Willkommensklassen für Geflüchtete: Jetzt bloß nicht sparen | |
> Berlins Schulen müssen jetzt schnell Strukturen für die Integration | |
> ukrainischer Kinder schaffen – auch wenn Vieles unklar ist. Ein | |
> Wochenkommentar. | |
Bild: Unter den Geflüchteten, die täglich aus der Ukraine ankommen, sind viel… | |
An dem [1][Konzept der Willkommensklassen], die anderswo als in Berlin | |
etwas weniger euphemistisch Integrationsklassen heißen, scheiden sich die | |
Geister. Die einen finden, damit integriere man geflüchtete Kinder nicht, | |
sondern grenze sie aus. Die anderen, darunter Berlins Schulsenatorin | |
[2][Astrid-Sabine Busse (SPD), finden: Jeder „Hauch von Normalität“] ist | |
besser als nichts. Sprich, besser vormittags in die Schule als den ganzen | |
Tag in der Notunterkunft. | |
Das ist, wenn man mal vom Kind aus denkt, durchaus ein Punkt, in dem Busse | |
Recht haben könnte. Jede Art von Schule ist erstmal besser als keine Schule | |
– weil jede „Normalität“ gut ist, wenn eigentlich gerade gar nichts | |
„normal“ ist. Fürs Fußballspielen auf dem Schulhof muss man noch nicht | |
einmal dieselbe Sprache sprechen. Kinder integrieren sich sowieso | |
selbstständig, ob nun trotz oder wegen der Existenz von | |
Integrationsklassen. | |
Die Hauptsache ist deshalb, dass Berlin jetzt weder spart noch zögert beim | |
Aufbau der Willkommensstrukturen in den Schulen. Gerade weil es leicht ist | |
zu sagen: Wir wissen ja gar nicht, wie viele Kinder tatsächlich kommen. | |
Busses Staatssekretär Alexander Slotty gab am Donnerstag 15.000 Kinder und | |
Jugendliche als Schätzgröße aus; das würde einen Anstieg der gesamten | |
Schüler*innenzahlen um 4,5 Prozent bedeuten. Angesichts des ohnehin | |
schon eklatanten Raum- und vor allem Personalmangels in den Schulen ist das | |
eine Herausforderung – die man sich aber eben nicht ersparen darf. Als | |
Gastgeber, als Einwanderungsland, hat man eine Verantwortung für die Gäste. | |
Die grüne Bildungspolitikerin Marianne Burkert-Eulitz fordert nun, Berlin | |
müsse wie schon in der Flüchtlingskrise 2015/16 einen „Masterplan | |
Integration und Sicherheit“ neu auflegen: Es brauche zusätzliche | |
Haushaltsmitte für die Schulen – für mehr Schulpsychologie, für | |
Sozialarbeit, [3][für Lehrerfortbildungen zum Ukraine-Krieg]. Das könnten | |
die Schulen nicht aus den Geldern stemmen, die sie dafür regulär zur | |
Verfügung haben. | |
Tatsächlich stehen aber bei den laufenden Haushaltsverhandlungen gerade für | |
solche Maßnahmen Budgetkürzungen im Raum. Das geht aus einem Schreiben der | |
Senatsbildungsverwaltung an die Schulleitungen von Anfang März hervor. | |
## Mehr Initiative ist gefragt | |
Nun ist es eine ganz andere Frage, ob die Schulen, so sie denn Geld haben, | |
das auch sinnvoll in Personal investieren können, das im besten Fall | |
Ukrainisch spricht und Deutsch als Zweitsprache unterrichten kann. | |
Vielleicht muss die Bildungsverwaltung sich da auch sehr schnell noch etwas | |
mehr Initiativen überlegen als den Hinweis an geflüchtete ukrainischer | |
Lehrkräfte, man möge sich doch bitte bei der zuständigen Personalstelle in | |
der Verwaltung melden. | |
Die ukrainische Generalkonsulin Iryna Tybinka hatte in der zurückliegenden | |
Woche für Diskussionen gesorgt, weil sie erklärt hatte, Integrationsklassen | |
seien nicht das Richtige. Salopp gesprochen sagte Tybinka dieses: Da lernen | |
die Kinder nix, und außerdem bleiben sie eh nicht lange in Deutschland, | |
wenn der Krieg vorbei ist. | |
Mit letzterem könnte sie Unrecht haben, mit ersterem vielleicht gar nicht | |
so sehr. Nun ist es nicht so, dass sich die Bildungspolitik mit dem Hinweis | |
aus der Verantwortung entlassen könnte, irgendwie Schule ist besser als gar | |
keine Schule. Es ist aber auch nicht so schlimm, wenn die | |
Willkommensklassenlehrerin das kyrillische Alphabet nicht beherrscht – so | |
man die Integrationsklassen als einen Zwischenschritt begreift in ein | |
Schulsystem, das deutlich besser ausgestattet werden muss, wenn man es | |
wirklich ernst meint mit der Integration der ukrainischen | |
Flüchtlingskinder. | |
19 Mar 2022 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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