# taz.de -- EU-Abgeordneter über Interessenkonflikte: „Der Euro kann nicht �… | |
> Fabio De Masi von der Linkspartei kritisiert Jean-Claude Juncker, Mario | |
> Draghi und Martin Schulz. Die EU-Kommission verhindere Aufklärung, sagt | |
> er. | |
Bild: „Mario Draghi hatte natürlich wegen der Politik der Bundesregierung ka… | |
taz: Herr De Masi, Europa will Steuerdumping und Steuervermeidung | |
bekämpfen. Die EU-Kommission hat dazu Vorschläge gemacht. Trotzdem fordern | |
Sie Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auf zurückzutreten. Warum? | |
Fabio De Masi: Ich habe Juncker nie gewählt. Er war der Architekt der | |
Steueroase Luxemburg. Wegen solcher Steuertricks verlieren die EU-Länder | |
jährlich Hunderte von Milliarden Euro an Steuereinnahmen. Das heißt, | |
Juncker und Co haben den Europäern direkt ins Portemonnaie gegriffen. Als | |
wir die LuxLeaks-Affäre im Parlament aufklären wollten, hat er sich feige | |
hinter seinen Beamten versteckt. Dabei geht es mir gar nicht um seine | |
Person. Es geht darum, dass eine Europäische Union der Banken und Konzerne | |
der europäischen Idee schadet. | |
Anfang Januar ist bekannt geworden, dass Juncker auch in der sogenannten | |
Code of Conduct Group zur Unternehmensbesteuerung gemauschelt haben soll. | |
Können Sie uns das erklären? | |
Die Gruppe wurde von den EU-Staaten ins Leben gerufen, um gemeinsam die | |
schmutzigsten Steuertricks von Konzernen einzudämmen. Doch in der Praxis | |
trinkt man da lieber Kaffee, und die üblichen Verdächtigen blockieren. | |
Was ist das Problem? | |
Die EU hat keine Kompetenzen bei der Unternehmensbesteuerung. Das | |
Europäische Parlament kriegt nicht einmal alle Protokolle dieser Gruppe von | |
der EU-Kommission. Wir können nur versuchen, ein wenig schmutzige Wäsche zu | |
lüften. Ich habe deshalb vor dem EU-Gericht Klage gegen die Kommission | |
eingereicht. Sie ist Teil der Experten-Gruppe, mauert aber. Es gibt | |
offensichtlich etwas zu verbergen! | |
Das Europaparlament hat die Kommission jetzt auch wegen der geplanten | |
Schwarzen Liste zu Geldwäsche gerügt. Wieso? | |
Richtig, die Liste wurde auf Antrag der Linksfraktion vom Parlament | |
abgelehnt. Der Grund ist, dass die EU-Kommission sich bei ihrer Liste | |
einfach auf Angaben der OECD stützt. Deshalb fehlten etwa Länder wie die | |
Bahamas oder Panama. Die Kommission ist laut Geldwäsche-Richtlinie aber zu | |
eigenen Analysen verpflichtet. Länder, die Terrorfinanzierung oder | |
Geldwäsche fördern, dürfen nicht von Brüssel geschützt werden. Deshalb | |
zeigt das Europaparlament jetzt endlich Zähne. | |
In Deutschland ist das kein großes Thema. Hier konzentriert sich die Kritik | |
an der EU auf den Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi. | |
Ja, sein Anleihenkaufprogramm und die niedrigen Zinsen werden in | |
Deutschland kritisiert. Draghi hatte natürlich wegen der Politik der | |
Bundesregierung kaum eine andere Wahl. Er wollte die Finanzmärkte beruhigen | |
und verhindern, dass der Euro zerbricht. Allerdings haben wir nun einen | |
giftigen Cocktail aus billigem Geld und Kürzungen – und das ist die | |
schlimmste aller Kombinationen. Denn das billige Geld kommt nicht in der | |
realen Wirtschaft an, sondern landet auf den Finanzmärkten. Wer sich über | |
Draghi beschwert, muss also investieren. Dann wären auch wieder etwas | |
normalere Zinsen möglich. Bei null Zinsen nicht mehr zu investieren, wie | |
Schäuble, ist absurd. | |
Allerdings wird gegen Draghi nun ermittelt, weil er in der | |
Finanzlobby-Gruppe namens G-30 mitmischt. Sogar die Ombudsfrau der EU hat | |
sich eingeschaltet. | |
Zu Recht. Wie auch die lobbykritische NGO CEO habe ich mich bei der | |
Ombudsfrau beschwert: Die EZB ist seit der Finanzkrise mit der Aufsicht | |
über die größten Banken befasst. Es ist deshalb höchst problematisch, wenn | |
Draghi Mitglied in der Group of 30 ist, also einem Club mit den | |
Vorsitzenden der Banken, die er eigentlich beaufsichtigen soll. Dort | |
diskutiert er womöglich die Geldpolitik mit privaten Finanziers – das ist | |
ein Interessenkonflikt, denn die Investoren könnten so einen | |
Informationsvorsprung gewinnen. In den USA gibt es viel striktere Regeln. | |
Sehen Sie die Zukunft des Euro so schwarz wie US-Nobelpreisträger Joseph | |
Stiglitz, der den Zusammenbruch prophezeit? | |
Ich bin überzeugt, dass der Euro nicht überleben kann. Denn Deutschland | |
zwingt die Euro-Partner mit chronischen Exportüberschüssen in Verschuldung | |
und Arbeitslosigkeit. Da genügt ein Blick nach Italien: Das Land hat seit | |
Einführung des Euro ein Viertel seiner Wirtschaftsleistung verloren, steckt | |
in einer permanenten Depression. Draghi droht, dass Italien seine Kredite | |
aus dem Target2-System [dem internen Verrechnungssystem der EZB – die Red.] | |
in Euro zurückzahlen muss, wenn es die Währung verlässt. Dabei nehmen | |
bereits Nicht-Euro-Länder an Target teil. | |
Also könnte Italien ungestraft aus dem Euro austreten? | |
Ich nehme Draghis Drohung nicht besonders ernst. Je mehr Anleihen er kauft, | |
desto einfacher wird ein Schuldenschnitt. Denn für die EZB ist das nur eine | |
Luftbuchung. | |
Aber Deutschland wird nicht zulassen, dass Italien geht und damit der Euro | |
zusammenbricht. | |
Deutschland tut aber alles dafür, dass der Euro zerbricht. Berlin hat | |
derzeit die Hosen an in der EU, das stimmt. Deshalb ist die Bundestagswahl | |
auch wichtig für Europa. Leider bieten SPD und Grüne in der Europapolitik | |
jedoch keine echten Alternativen. Dabei ist doch offensichtlich, dass die | |
EU nicht weitermachen kann wie bisher! Wer etwa als Reaktion auf den Brexit | |
und die Wahl Donald Trumps in den USA aufrüstet und damit noch mehr Krieg, | |
Terror und Flucht vor Europas Haustür schafft, hat nichts verstanden. | |
Mit Martin Schulz soll ja nun alles anders werden. Wie sind Ihre | |
Erfahrungen mit dem SPD-Kanzlerkandidaten aus der gemeinsamen Zeit im | |
Europaparlament? | |
In Brüssel war Schulz der Türsteher der Großen Koalition. In der | |
LuxLeaks-Affäre zu Steuerdeals mit Konzernen hat er Juncker geschützt, beim | |
Konzernschutzabkommen Ceta hat er Debatten verhindert und die | |
Kürzungspolitik in Griechenland unterstützt. Entscheidend ist daher nicht, | |
was die SPD vor der Wahl verspricht, sondern ob die SPD noch vor der Wahl | |
liefert und die Mehrheiten im Bundestag nutzt. | |
Sie könnte etwa mit der Linken und den Grünen die Abgeltungsteuer des | |
früheren SPD-Finanzministers Eichel wieder abschaffen. Einkommen aus Arbeit | |
wird höher besteuert als Leute, die Geld und somit andere arbeiten lassen. | |
Die SPD will zudem keine Vermögensteuer für Millionäre. Das riecht doch | |
sehr danach, dass sich Schulz als Vizekanzler unter Merkel bewirbt. | |
3 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
## TAGS | |
Mario Draghi | |
LuxLeaks | |
Jean-Claude Juncker | |
Eurokrise | |
EU-Kommission | |
EU | |
OECD | |
EU-Kommission | |
Soziale Gerechtigkeit | |
Schwerpunkt Krise in Griechenland | |
EU-Kommission | |
EU-Kommission | |
Grexit | |
Kanzlerkandidatur | |
Griechenland | |
Eurokrise | |
LuxLeaks | |
LuxLeaks | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
OECD kämpft gegen Steuerdumping: Nie mehr doppelt oder nichts | |
Mehr als 3.000 Doppelbesteuerungsabkommen sollen verhindern, dass Konzerne | |
zweimal zahlen. Die Folge: Viele zahlen keinmal. | |
Neue Vorwürfe wegen Steuerbetrug: Juncker im Zwielicht | |
Nach der LuxLeaks-Steueraffäre gerät der EU- Kommissionschef auch im | |
Panama-Skandal zunehmend unter Druck. Er bestreitet die Vorwürfe. | |
Studie zu Lohnsteigerungen in der EU: Es funktioniert nur in Deutschland | |
Viele verdienen heute sogar weniger als zu Beginn der Finanzkrise, zeigt | |
eine Studie. Die Ergebnisse widersprechen den Erfolgsmeldungen der EU. | |
Nachbeben der griechischen Finanzkrise: EZB soll Gutachten rausrücken | |
Yanis Varoufakis hält es für illegal, dass die EU griechische Banken von | |
Krediten abschnitt. Er will die Zentralbank verklagen. | |
Kommentar EU-Wachstumsprognose: Zusammenhänge ignorieren | |
Am Montag publizierte die EU-Kommission ihre Prognose für die Jahre 2017 | |
und 2018. Der Optimismus ist nur möglich, weil sie alle Risiken ausblendet. | |
Chef der EU-Kommission Juncker: Keine zweite Amtszeit | |
2014 wurde Jean-Claude Juncker von den europäischen Staats- und | |
Regierungschefs zum EU-Kommissionsche ernannt. Erneut antreten will er | |
nicht. | |
Kommentar Hilfen für Griechenland: Sparen im Konjunktiv | |
Wieder wird um Hilfen für Griechenland gestritten – und Deutschland verhält | |
sich weiter wie ein Hegemon. Das ist gefährlich und schadet der EU. | |
Die Meme des Martin Schulz: Was heißt hier Mega? | |
In sozialen Netzwerken wimmelt es von Überhöhungen von SPD-Notnagelmessias | |
Martin Schulz. Das hat so einiges mit US-Präsident Trump zu tun. | |
Kommentar Bankenkrise in der Eurozone: Die Bad Bank wird nichts nutzen | |
Die Eurokrise greift immer weiter um sich. In Berlin hört man es nicht | |
gern, aber die Krise kann nur gelöst werden, wenn die gesamte Eurozone | |
haftet. | |
Folgen der EU-Finanzkrise: Eine Bad Bank für faule Kredite | |
Kredite von über einer Billion Euro sind „notleidend“. Die europäische | |
Bankenaufsicht will sie in eine Bad Bank auslagern. Zahlen sollen die | |
Staaten. | |
Kommentar Bahamas-Leaks und EU: (Noch mehr) Fehler im System | |
Die Bahamas-Enthüllungen zeigen mal wieder: Für EU-Kommissare gibt es keine | |
Kontrolle. Das schadet der Glaubwürdigkeit der EU. | |
Prozess in Luxemburg: „LuxLeaks“-Enthüller vor Gericht | |
Sie haben einen Skandal offengelegt und wurden gefeiert. Nun stehen zwei | |
Mitarbeiter einer Unternehmensberatung und ein Journalist vor Gericht. |