# taz.de -- Mietenpolitik in Berlin: Ärger gibt's auch ohne Holm | |
> Mit den landeseigenen Unternehmen will Rot-Rot-Grün die Mieten dämpfen. | |
> Doch gerade deren MieterInnen erhalten jetzt reihenweise Mieterhöhungen. | |
Bild: Und wieder steigen die Mieten … | |
BERLIN taz | Die Bewegung hat ihn wieder: Andrej Holm war am Samstag unter | |
den TeilnehmerInnen einer mietenpolitischen Demonstration in Mitte, | |
organisiert von den StudentInnen aus dem weiterhin besetzten Institut für | |
Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität. | |
Während der Personenkult um den Exstaatssekretär wohl noch eine Weile | |
anhalten wird – einige der TeilnehmerInnen trugen Holm-Masken –, ist für | |
die Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) und ihre Verwaltung | |
der Zeitpunkt gekommen, sich mit Themen jenseits der Causa Holm zu | |
beschäftigen. | |
Richtig angenehm wird es aber nicht: Wie jetzt bekannt wurde, haben die | |
landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften in den letzten Wochen im großen | |
Stil Mieterhöhungen herausgeschickt – ein Vorgang, der sich wenig verträgt | |
mit der im Koalitionsvertrag erklärten Absicht, die Mietpreisentwicklung | |
mithilfe der kommunalen Unternehmen deutlich zu dämpfen. | |
Zuerst schlug das Quartiersmanagement Schöneberger Norden Alarm: Rund um | |
die Steinmetzstraße haben viele MieterInnen der landeseigenen Gewobag zum | |
Jahreswechsel Mieterhöhungen um bis zu 14 Prozent erhalten. In einem | |
offenen Brief an den Senat und die Gewobag kritisiert der Quartiersrat | |
diese Entwicklung, die in dem von teuren Wohnlagen umgebenen Kiez die Angst | |
vor Verdrängung schüre. | |
Mehr als 400 Mieterhöhungen soll allein die Gewobag verschickt haben. Doch | |
offenbar ist sie nicht die Einzige: Von teils drastischen Mieterhöhungen in | |
den letzten Wochen seien auch MieterInnen der Degewo in Kreuzberg sowie der | |
Gesobag in Charlottenburg betroffen, sagt Rouzbeh Taheri, Sprecher der | |
Initiative Mietenvolksentscheid. Für eine 100-Quadratmeter-Wohnung der | |
Degewo in der Kreuzberger Naunynstraße etwa, deren Mieterhöhung der taz | |
vorliegt, werden künftig 656 statt 588 Euro Kaltmiete fällig, eine Erhöhung | |
um knapp 12 Prozent. | |
Rechtlich ist das wasserfest: Um bis zu 15 Prozent in vier Jahren dürfen | |
die städtischen Wohnungsbaugesellschaften laut einer seit 2012 gültigen | |
Vereinbarung die Miete erhöhen. Allerdings: Die rot-rot-grüne Regierung hat | |
in ihrem Koalitionsvertrag erklärt, als Sofortmaßnahme zur Dämpfung der | |
Mietpreisentwicklung die Mieterhöhungsmöglichkeit künftig auf maximal 2 | |
Prozent im Jahr zu begrenzen. | |
Genau in diesem Vorhaben sieht Reiner Wild vom Berliner Mieterverein den | |
Grund für die jetzigen Mieterhöhungen: „Offenbar versuchen die | |
landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften schnell noch das Maximum an | |
Mieterhöhungen rauszuholen“, sagt er. Der Senat werde damit brüskiert, die | |
MieterInnen werden vor ernsthafte Probleme gestellt. | |
Ähnlich sieht es auch Rouzbeh Taheri: „Die landeseigenen | |
Wohnungsbaugesellschaften tanzen ihrem Eigentümer auf der Nase herum“, sagt | |
er. Der Senat müsse die Unternehmen nun anweisen, die Mieterhöhungen der | |
letzten Wochen zurückzunehmen. | |
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung war am Montag nicht für | |
Rückfragen zu erreichen. Bereits letzte Woche hatte Lompscher aber erklärt, | |
sie strebe ein Aussetzen der Mieterhöhungen in den landeseigenen | |
Wohnungsunternehmen an – so lange, bis die im Koalitionsvertrag erklärten | |
Absichten schriftlich vereinbart seien. | |
Auch über eine Rücknahme der bereits erfolgten Erhöhungen soll | |
gerüchteweise verhandelt werden. Schritte, die zwar den Interessen zur | |
Gemeinwohlorientierung verpflichteten, aber dennoch profitorientierten | |
Unternehmen zuwiderlaufen – die nächste Belastungsprobe für die neue | |
Senatorin steht bereits vor der Tür. | |
31 Jan 2017 | |
## AUTOREN | |
Malene Gürgen | |
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