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# taz.de -- Rot-Rot-Grün in Berlin: Andrej Holm tritt zurück
> Der wegen seiner Stasi-Vergangenheit umstrittene Berliner Staatssekretär
> Andrej Holm räumt seinen Posten. Und er kritisiert Rot-Rot-Grün scharf.
Bild: Stand bis zuletzt hinter Holm: Senatorin Katrin Lompscher (Linke)
Berlin taz | Nach nur fünf Wochen ist die Karriere von Andrej Holm als
Berliner Staatssekretär für Wohnen wieder passé. Am Montagmittag verkündete
der 46-Jährige auf seiner Website seinen Rücktritt. Holm, der von der
Linkspartei nominiert worden war, begründete dies mit der fehlenden
Unterstützung durch die beiden Regierungspartner SPD und Grüne und zog den
Schluss: „Die Koalition selbst steht an einem Scheideweg.“
Dass Andrej Holm, ein bundesweit anerkannter Stadtsoziologe und
Gentrifizierungskritiker, die Berliner Landespolitik mitbestimmen sollte,
hatte Anfang Dezember für Euphorie bei Aktivisten und vielen links
denkenden Menschen nicht nur in der Hauptstadt gesorgt.
In Berlin sind, wie in vielen anderen großen Städten Europas, rapid
steigende Mieten und Wohnungsknappheit eine der großen politischen
Herausforderungen. Mit Holm, so die Hoffnung, wäre ein radikaler
Kurswechsel in der Wohnungs- und Mietenpolitik möglich.
Doch schon vor seiner offiziellen Ernennung am 13. Dezember musste Holm mit
scharfer Kritik wegen seiner Stasi-Tätigkeit kämpfen. Seit einem
taz-Interview aus dem Jahr 2007 war bekannt gewesen, dass er als damals
18-Jähriger zu Wendezeiten bei der DDR-Staatssicherheit angefangen hatte.
## Müller platzte der Kragen
Allerdings musste der Soziologe Mitte Dezember zugeben, bei der Einstellung
an der Humboldt-Universität 2005 in einem Fragebogen falsche Angaben über
seinen Status als Stasi-Hauptamtlicher gemacht zu haben. Unwissentlich, wie
Holm stets betonte.
Doch das nahmen ihm viele nicht ab. Selbst aus der Berliner SPD und den
Grünen gab es Rücktrittsforderungen. Dass Holm über die Weihnachtsfeiertage
im Amt bleiben konnte, hatte er dem Rückhalt aus der Linkspartei zu
verdanken, die eine Untersuchung der Humboldt-Universtität zu dem Fall
abwarten wollte.
Als Holm in einer Stellungnahme dazu erklärte, er wünsche sich eine
politische Entscheidung und keine verwaltungstechnische, platzte dem
Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Samstag der Kragen.
Er forderte Holms Chefin, die Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher
(Linke), auf, bis Dienstag ihren Staatssekretär zu entlassen. Die Grünen
unterstützten dieses Vorgehen, die Linke reagierte konsterniert bis
erzürnt.
## „Bitter, aber nachvollziehbar“
Mit seinem Rückzug nimmt Holm auch Druck vom noch jungen Berliner
Regierungsbündnis, das derzeit von einer Panne in die nächste taumelt –
allen Ankündigungen von einem 100-Tage-Programm zum Trotz. Am Samstag hatte
der Linkspartei-Kultursenator und Vizeregierungschef Klaus Lederer noch
erklärt, seine Partei müsse sich zwischen „R2G und Holm“ entscheiden.
Holm äußerte in seiner Rücktrittserklärung scharfe Kritik an Rot-Rot-Grün:
„Den versprochenen Aufbruch in eine andere Stadtpolitik hat diese Koalition
bisher nicht ernsthaft begonnen – das allein mit meiner Personalie zu
begründen, wäre absurd.“ Der starke Widerstand gegen seine Person sei „vor
allem“ auf die „Angst vor einer Wende im Bereich der Stadt- und
Wohnungspolitik“ zurückzuführen.
Senatorin Lompscher bedauerte den Rückzug „sehr“. Die Entscheidung sei
„bitter und dennoch nachvollziehbar“, da der Rückhalt in der Koalition
nicht stark genug gewesen sei. Aus dem Umgang mit seiner
Stasi-Vergangenheit hätten sich jedoch laut Lompscher „keine hinreichenden
Gründe für eine Entlassung“ ergeben.
Die Berliner Linkspartei zieht aus den Debatten der vergangenen Wochen auch
den Schluss, „in einer besonderen Verantwortung für die Aufarbeitung der
DDR-Vergangenheit und den Umgang mit der Tätigkeit des MfS“ zu stehen. Man
werde sich auch weiterhin dieser Diskussion stellen.
## Erste Krise
Ähnlich hatten sich – eine Woche vor dem Rücktritt – bereits die Berliner
Grünen geäußert. „Offensichtlich gibt es noch einen großen
gesellschaftlichen Bedarf, über unsere deutsch-deutsche Vergangenheit zu
sprechen – was sich auch in dieser Koalition zeigt“, hatte Fraktionschefin
Antje Kapek gesagt.
Ihre Ko-Vorsitzende Silke Gebel ergänzte: „27 Jahre nach dem Mauerfall muss
man sich aber fragen: Sind unsere Herangehensweisen noch die richtigen? Das
kann man aber nicht anhand eines Menschen diskutieren, sondern muss das
abstrakt machen und es dann wieder auf den konkreten Fall runterbrechen.
Dafür muss die Politik Regelungen schaffen.“
Die Berliner Fraktionschefs aller drei Regierungsparteien haben sich am
Montag verständigt, „zeitnah“ einen Koalitionsausschuss – eine Art
Krisengremium – einzuberufen, um zu klären, wie man zu einer
gleichberechtigten Arbeitsweise kommen könne.
Holms Karriere als Staatssekretär ist zwar beendet, die als
außerparlamentarischer Aktivist hingegen keineswegs. Am Ende seiner
Erklärung lud er für Montagabend zu einem Treffen, auf dem überlegt werden
sollte, „wie wir auch ohne mich als Staatssekretär eine soziale
Wohnungspolitik in Berlin am besten durch- und umsetzen können“.
16 Jan 2017
## AUTOREN
Bert Schulz
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R2G Berlin
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Andrej Holm
Wohnungspolitik
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Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
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