# taz.de -- Berliner Staatssekretär Andrej Holm: Die Jusos sind für ihn | |
> Andrej Holm bekommt viele Solidaritätsbekundungen: Mieterinitiativen, | |
> DDR-Oppositionelle, Jusos und Wissenschaftler unterstützen den | |
> Gentrifizierungsgegner. | |
Bild: Darf er Staatssekretär für Wohnen bleiben? Andrej Holm, Gentrifizierung… | |
Schon einmal war Andrej Holm der Adressat zahlreicher Solidaritätsadressen. | |
Das war 2007, als der Stadtsoziologe wegen des Verdachts der Mitgliedschaft | |
in einer terroristischen Vereinigung festgenommen worden war. Zu Unrecht, | |
wie sich herausstellte. Seiner Karriere als Stadtforscher und | |
Gentrifizierungskritiker hat es nicht geschadet. Holm ist inzwischen ein | |
Star der linken Szene – und ein Hoffnungsträger vieler Mieterinitiativen. | |
Nun bekommt Holm wieder Post, und das fast täglich. Zuletzt stellten sich | |
die Jugendorganisationen der Berliner SPD, der Linken und der Grünen hinter | |
den von der linken Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher ernannten | |
Baustaatssekretär. „Wir, die rot-rot-grünen Jugendorganisationen, sind | |
empört über die aktuelle Schmutzkampagne gegen den Staatssekretär Andrej | |
Holm“, heißt es in der am Anfang der Woche verbreiteten Erklärung. „Bei d… | |
aktuellen Auseinandersetzungen geht es nicht um eine sachliche Aufarbeitung | |
seiner Tätigkeit bei der Stasi, sondern um die Diffamierung seiner Person.“ | |
Eine Behauptung, von der Annika Klose, die Berliner Juso-Chefin, nichts | |
zurücknehmen möchte. „Ich glaube, dass Andrej Holm ein fähiger | |
Staatssekretär ist“, sagt die 34-Jährige. Dass er erst spät zugegeben habe, | |
dass er als 18-Jähriger als hauptamtlicher Mitarbeiter für die | |
Staatssicherheit gearbeitet hatte, kratze zwar an seiner Glaubwürdigkeit. | |
Aber die Solidarität zeige, dass er der richtige ist. „Er steht für | |
Partizipation und Dialog mit den verschiedenen Initiativen.“ | |
Von Holms Qualitäten hat sich Klose selbst überzeugen können. Als Studentin | |
der Stadtsoziologie hatte sie an der Humboldt-Universität (HU) Andrej Holm | |
zum Dozenten. „Ich nehme ihn als herausragenden Wissenschaftler wahr. Und | |
er ist beliebt bei den Studierenden.“ Sollte die Überprüfung durch die HU | |
ergeben, dass Holm wegen falscher Angaben im Personalbogen arbeitsrechtlich | |
zu belangen ist und auch als Staatssekretär zurücktreten muss, wäre das, so | |
Klose, ein „Verlust für die Politik wie auch für die Humboldt-Universität.… | |
Als Andrej Holm 2005 an der HU als Stadtforscher zu arbeiten begonnen hat, | |
hatte er im Personalbogen angekreuzt, er sei kein hauptamtlicher | |
Stasi-Mitarbeiter gewesen. In Klammern hatte er hinzugefügt „siehe | |
Wehrdienst“. Den habe er beim Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ absolvier… | |
Tatsächlich aber hat Holm seine Grundausbildung in der Auswertungs- und | |
Kontrollgruppe der Berliner Bezirksverwaltung der Stasi absolviert. Fakt | |
ist: Hätte Holm damals angegeben, er wäre Hauptamtlicher gewesen, hätte ihn | |
die HU nicht angestellt. Seiner späteren Karriere als Staatssekretär aber | |
hätte es nicht geschadet. Im taz-Interview bekannte sich | |
Stadtentwicklungssenatorin Lompscher dazu, Holm wahrscheinlich auch | |
angestellt zu haben, wenn sie dies gewusst hätte. „Ich habe Andrej Holm als | |
anerkannten Fachmann für Wohnungs- und Mietenpolitik vorgeschlagen, weil er | |
dazu beitragen kann und will, eine soziale Wohnungspolitik in der Stadt | |
umzusetzen“, so Lompscher. | |
Das sehen auch ehemalige DDR-Oppositionelle so. In einem offenen Brief | |
vermuten auch ehemalige und aktuelle Mitarbeiter der Zeitschrift Telegraph | |
eine Kampagne gegen Andrej Holm. „Diejenigen, die sich heute am stärksten | |
über Andrejs Stasi-Vergangenheit beschweren, stört nicht das „Kainsmal“ | |
seiner Vergangenheit – sondern das, was Andrej heute ist: ein | |
Wohnungspolitiker, der 100%ig auf der Seite der Mieter steht“, heißt es in | |
dem Schreiben. Dass man 1989 durchaus auf verschiedenen Seiten der | |
Barrikade gestanden habe, ist den Verfassern bewusst, wenn sie schreiben: | |
„Einige von uns haben die unangenehme ‚Bekanntschaft‘ mit dem | |
Repressionsapparat der DDR gemacht, saßen in Haft.“ Doch unmittelbar nach | |
der Wende habe sich Holm offen zu seiner Vergangenheit bekannt. „Andrej | |
machte aus dieser Tatsache nie ein Geheimnis, er redete mit jedem darüber, | |
der es wissen wollte, wie es zu dieser Verfehlung kam und was er jetzt | |
darüber denkt.“ | |
Neben den linken Gruppen aus der DDR-Opposition sind es vor allem | |
Stadtforscher, die sich mit Holm solidarisieren. In Sub/Urban, einer | |
Zeitschrift für kritische Stadtforschung stellen sich 350 | |
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Seite Holms, darunter auch | |
viele Forscher der HU. Auch zahlreiche Prominente haben den Brief | |
unterschrieben, der dem rot-rot-grünen Senat wünscht, „nicht auf sein | |
soziales Engagement“ zu verzichten und nicht vor dem Druck derjenigen | |
einzuknicken, „die von Immobilienspekulation profitieren“. Unterzeichnet | |
wurde der Brief unter anderem von Elmar Altvater sowie von Talja Blokland. | |
Blokland ist die Nachfolgerin des Stadtsoziologen Hartmut Häußermann, der | |
mit seinen Untersuchungen unter anderen das Berliner Quartiersmanagement | |
auf den Weg gebracht hat. Der 2011 verstorbene Häußermann war auch der | |
Doktorvater von Holm. Und auch die Initiative Stadt Neudenken unterstützt | |
eine vom Mietenvolksentscheid Berlin e. V. initiierte Petition mit dem | |
Titel #holmbleibt. Darin wird Holm „als glaubwürdiger Verbündeter von | |
Mieterprotesten“ bezeichnet, der „für eine neue Wohnungspolitik“ stehe. | |
Inzwischen ist die Solidarität mit dem Staatssekretär, der sich immer als | |
Forscher und als Aktivist gleichzeitig bezeichnet hat, auch international. | |
Das weltweit tätige Netzwerk Inura schreibt: „Wenn der Berliner Senat sein | |
Versprechen des Wohnens als Grundrecht für alle wahrmachen will, wird er | |
vom kritischen und fortschrittlichen Denken von Andrej Holm profitieren.“ | |
Unterzeichnet haben Forscher unter anderem aus Kanada, den USA, | |
Großbritannien und den Niederlanden. | |
Dass soviel Druck von außen Holm eher schaden als nutzen könnte, sieht | |
Juso-Chefin Annika Klose nicht. Denn auch in der Berliner SPD gibt es | |
viele, die Holm die Daumen drücken. „Ich bin nur die einzige, die das offen | |
sagt“, lacht Klose. | |
22 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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