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# taz.de -- Stasi-Experte über den Fall Andrej Holm: „Dunkle Stellen gehöre…
> Dass Andrej Holm seine Stasi-Mitarbeit verschwiegen hat, war ein Fehler,
> sagt Stasi-Kenner Ulrich Schröter. Für eine Entlassung liege trotzdem zu
> wenig Belastendes vor.
Bild: Hat seine Stasi-Tätigkeit nicht angegeben: Andrej Holm
taz: Herr Schröter, nach der Wende haben Sie als Vertreter der
evangelischen Kirche mit darüber entschieden, ob ehemalige
Stasi-Mitarbeiter im öffentlichen Dienst tätig sein durften. Jetzt haben
Sie sich die Stasi-Akte von Staatssekretär Andrej Holm angeschaut. Was ist
Ihre Einschätzung?
Ulrich Schröter: Die Akte ist relativ dünn. Der Zeitraum, in dem von einer
aktiven Stasi-Tätigkeit die Rede sein könnte, ist auch sehr kurz. Holm hat
die Verpflichtungserklärung im September 1989 unterschrieben, im Januar
wurde er bereits wieder entlassen. Außerdem sind die Eintragungen nicht
sehr gewichtig. Es geht aus ihnen nicht hervor, dass er beispielsweise
jemanden bespitzelt hat.
Das Problem Holms ist nicht die Stasi-Vergangenheit an sich, sondern sein
Umgang damit. Bei seiner Einstellung an der Humboldt-Universität 2005 hat
er angegeben, nicht für die Stasi tätig gewesen zu sein. Er sagt heute, er
habe gedacht, erst nach der Ausbildung hauptamtlicher Mitarbeiter zu
werden. Ist das glaubwürdig?
Holm war klar, wohin seine Tätigkeit führt, nämlich dass er Stasi-Offizier
werden würde. Das zeigen die Verpflichtungserklärung und die 675 Mark, die
er bekam. Für Auszubildende war das viel Geld. Die Stasi-Mitarbeit nicht zu
benennen – vielleicht aus Angst, sich damit die Zukunft zu verbauen – ist
formal eine glatte Auslassung. Dafür gibt es keine Entschuldigung. Trotzdem
ist der ganze Vorgang inhaltlich geringfügig, gerade im Vergleich zu dem,
was über andere inoffizielle oder hauptamtliche Mitarbeiter in der Presse
schon diskutiert wurde. Ich kenne viele Akten. Was hier steht, ist
unerheblich.
In der Verpflichtungserklärung hat Holm unterschrieben, dass er
Westkontakte von Angehörigen melden wird. Er erklärte also seine
Bereitschaft zur Denunziation.
Diese Formulierungen stammen aus einem Formular, das Holm abgeschrieben
hat. Die Verpflichtungserklärung folgt einem Schema, das vielfach verwendet
wurde. Es gibt kaum Rechtschreibfehler in diesem in Schönschrift verfassten
Text. Auch das deutet darauf hin, dass es eine Vorlage gab. Angehörige der
SED und im Militärbereich durften keine Westkontakte haben, das gehörte für
Kaderleute zum Standard.
Holm selbst sagt, er habe nur Berichte gelesen und Notizen über
Radiosendungen aufgezeichnet. Ist das glaubwürdig?
Das kann schon möglich sein. Holm war in der Anfangsphase und sollte auch
nicht direkt dafür ausgebildet werden, inoffizielle Mitarbeiter zu werben
oder zu führen. Aufzuschreiben, was man im Radio hört, das ist ja nun
harmlos.
Selbst wenn er bei der Stasi nichts Schlimmes getan hat – legitimiert das,
falsche Angaben zu machen, weil man den Job sonst nicht bekommt?
Nein. Das ist angesichts einer solchen Angst zwar verständlich, aber
unklug. Wobei ich nicht einmal glaube, dass er die Stelle nicht bekommen
hätte. Die Behörden sind doch zur Einzelfallprüfung verpflichtet. Die Zeit
sollte vorbei sein, wo man wegen eines Kreuzes gleich irgendwo rausfällt.
Zumal Holm hätte angeben können, dass es sich nur um eine ganz kurze Zeit
handelte.
Wenn Sie Holms Fall für die Humboldt-Uni beurteilen müssten, wie würden Sie
entscheiden?
Dass er die Stasi-Tätigkeit nicht angegeben hat, ist ein formaler wichtiger
Teil, ein Fehler. Das hätte nicht passieren dürfen. Aber in der Beurteilung
ist es doch mindestens ebenso wichtig, was er für die Stasi tatsächlich
getan hat, und da liegt nichts Belastendes vor. Ich würde sagen: Man kann
hier das Formale gegenüber dem Inhaltlichen zurückstellen. Es gibt viele,
die etwa in der SED waren und sich dann nachher klar davon distanziert
haben. So etwas muss möglich sein. Dunklere Stellen in der Biografie
gehören zum Leben dazu.
Aber wenn der Uni-Pförtner in seinem Lebenslauf eine falsche Angabe gemacht
hat, dann verliert er wahrscheinlich auch seinen Job.
Das kommt darauf, wie weit das geprüft wird. Ich saß in den 90er Jahren in
einer Kommission, die über die Eignung von ehemaligen Stasi-Mitarbeitern
für die öffentliche Verwaltung entschieden hat. Wir haben individuell
geprüft, was vorlag und was in den Unterlagen stand, und haben dann
abgewogen, ob jemand deshalb für eine Funktion ungeeignet ist oder nicht.
Das war von Fall zu Fall unterschiedlich. Für Holm würde ich sagen: Bei
allem Ärger über die fehlende Angabe 2005 liegt bei der Stasi-Mitarbeit
viel zu wenig gegen ihn vor.
6 Jan 2017
## AUTOREN
Antje Lang-Lendorff
## TAGS
Andrej Holm
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DDR
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