# taz.de -- Jusos in Berlin: „Ich habe eine junge Sprache“ | |
> Die Landeschefin der Jusos, Annika Klose, kandidiert für das | |
> Europaparlament. Damit stößt die 25-Jährige innerhalb der SPD nicht nur | |
> auf Gegenliebe. | |
Bild: „Ich weiß, was junge Menschen bewegt“, sagt die Berliner Juso-Chefin… | |
taz: Frau Klose, Sie sind im März als Juso-Landeschefin wiedergewählt | |
worden. Warum wollen Sie jetzt für das Europäische Parlament kandidieren? | |
Annika Klose: Ich glaube, das passt gut zusammen. Als Jusos haben wir in | |
den letzten Monaten intensiv diskutiert, welche Richtung die SPD | |
einschlagen soll. In der Großen Koalition auf Bundesebene wird die | |
Erneuerung wohl kaum stattfinden. Die Herausforderung ist, die Partei auf | |
allen Ebenen aufzuräumen. Das Europäische Parlament ist da ein wichtiger | |
Eckpfeiler. | |
Wieso ist das Europäische Parlament wichtig für die Erneuerung der SPD? | |
Wenn man die Sozialdemokratie erneuern will, weg vom Neoliberalismus der | |
letzten Jahrzehnte, muss man das im europäischen Kontext denken. Unsere | |
Schwesterparteien in Europa stehen ja nicht besser da. Das zeigt, die | |
Sozialdemokratie ist nicht nur in Deutschland in der Krise, sondern | |
europaweit. Ich sehe die Möglichkeit, über die Kandidatur und über ein | |
Mandat im Europäischen Parlament Druck aufzubauen, auch auf die SPD hier | |
auf Bundesebene. | |
Dort ist die SPD aber aktuell Teil der Bundesregierung, steht also für | |
ebendiese von Ihnen kritisierte Europapolitik. Wie wollen Sie Reformen auf | |
europäischer Ebene anregen, ohne dabei vor allem Politik gegen die eigene | |
Partei zu machen? | |
Das ist tatsächlich ein Spagat, den wir da machen müssen. Zum einen ist die | |
SPD Teil der Bundesregierung, zum anderen war eine Neuausrichtung Konsens, | |
selbst unter denjenigen, die für den Verbleib in der Großen Koalition | |
waren. Es ist die Aufgabe der Jusos und aller, denen diese Partei am Herzen | |
liegt, jetzt nicht aus Parteiräson den Mund zu halten, sondern die | |
Veränderung auch einzufordern. | |
Europaabgeordnete sind oft unbekannter und medial weniger präsent. Wird man | |
aus Straßburg hier noch gehört? | |
Es ist schwierig, bei 42 Sitzungswochen hier dauerhaft präsent zu sein. | |
Aber es gibt auch Beispiele, wo das gut funktioniert. Gerade junge | |
Abgeordnete wie Ska Keller von den Grünen oder Tiemo Wölken von der SPD | |
schaffen es, einen ganz anderen Zugang zur EU zu bieten. Was die machen und | |
was ich mir auch vornehmen würde, ist, die sozialen Medien besser zu | |
nutzen, um die Brücke zu jungen Menschen zu schlagen. | |
Sie selbst sind 25 Jahre alt. Was erwartet die Generation U30 von Europa? | |
Ich glaube, dass viele Leute in meinem Alter Europa und die europäische | |
Integration als selbstverständlich sehen. Wir haben das ja nie anders | |
erlebt. Deswegen war der Brexit auch ein ziemlicher Schock, der gerade | |
meine Generation hart getroffen und viele wach gerüttelt hat. Ich glaube, | |
die Erwartungshaltung ist, dass man nicht zurückfällt in | |
nationalstaatliches Klein-Klein, sondern wirkliche Integration schafft. Das | |
heißt, ich kann da arbeiten und leben, wo ich möchte, und es spielt keine | |
Rolle mehr, wo ich herkomme. | |
Ihre Altersklasse ist im Parlament kaum vertreten. Sie würden sicherlich zu | |
den Jüngsten in Straßburg gehören. Ist das ein Vorteil? | |
Ja, für die EU und das Parlament ist es ein Vorteil, weil ich ein | |
Sprachrohr bin. Ich habe eine junge Sprache, ein junges Auftreten. Ich bin | |
eine junge Frau, das kommt mit allen Vor- und Nachteilen. Ein Vorteil ist: | |
Ich kann das, was in Europa passiert, so vermitteln, dass es auch Leute in | |
meinem Alter oder jünger verstehen, weil ich nicht schon zwanzig Jahre in | |
diesem Apparat sitze, sondern weiß, was die jungen Leute bewegt. | |
Die jungen Anliegen zu kennen ist das eine. Wie schwer ist es, sich als | |
junge Politikerin gegen die alten durchzusetzen? | |
Mir ist bewusst, dass das eine Mammutaufgabe ist. Ich bin schon seit | |
einigen Jahren in der SPD und in einem Beruf tätig, der nicht gerade | |
überlaufen ist von jungen Leuten. Politik, das sind immer noch vor allem | |
alte Männer. Ich habe gelernt, trotzdem kein Blatt vor den Mund zu nehmen. | |
Und ich glaube, ich schätze es schon realistisch ein, dass ich nicht im | |
Europäischen Parlament ganz allein die Welt verändere. Aber es geht auch | |
nicht darum, das allein tun zu müssen, sondern Verbündete zu suchen und | |
eine Bewegung loszutreten. | |
Mit der NoGroKo-Kampagne haben Sie und die Jusos bereits eine Bewegung | |
losgetreten. Wird eine junge, kritische Politikerin wie Sie jetzt nicht | |
dringender hier gebraucht? | |
Ich glaube, wir werden gerade überall dringend gebraucht. | |
Glauben Sie nicht, dass Sie eine große Lücke in den Reihen der Jusos | |
hinterlassen würden? | |
Mein Ziel ist, dass das nicht so ist. Ich will mich hier weiterhin | |
einmischen, weiß aber auch, dass ich einen unglaublich starken, | |
selbstbewussten Verband hinter mir habe mit Leuten, die wirklich was | |
können. Klar gab es Sprachrohre in der NoGroKo-Kampagne, Kevin Kühnert, | |
mich und noch viele andere. Aber wir konnten das nur so lostreten, weil wir | |
die Leute in den Gliederungen vor Ort haben. Wenn das alles nur an wenigen | |
Personen hängen würde, dann hätte diese Bewegung keine Zukunft. | |
Gerade in Sachen Erneuerung scheinen sich die Berliner SPD und die Berliner | |
Jusos nicht immer einig zu sein. | |
Es ist klar, dass es auf Widerstand stößt, wenn man Dinge umwerfen will, | |
die bislang für einige gut funktioniert haben. Die Erneuerung der Partei | |
kriegt man nicht geschenkt, das ist immer ein Kampf mit etablierten | |
Strukturen, die für einige Menschen sehr nützlich sind. Ich glaube, die | |
Berliner SPD ist inhaltlich dem Bundesverband in manchen Punkten durchaus | |
schon voraus. Trotzdem: Konfliktfrei funktioniert das nie. Und auch meine | |
Kandidatur stößt auch nicht nur auf Gegenliebe in der Partei. | |
Inwiefern? | |
Die Kritik, die ich am meisten höre, ist der Spruch: „Kreissaal, Hörsaal, | |
Plenarsaal“. Also der Vorwurf, sehr schnell in Funktionen kommen zu wollen, | |
und dass man doch erst einmal Parteipolitik auf anderer Ebene machen und | |
sich ökonomische Unabhängigkeit aufbauen sollte. Da sage ich: Ich habe | |
einen Studienabschluss, ich arbeite in Vollzeit und wenn die Legislatur | |
vorbei ist, bin ich 31. Da stehen mir alle Türen der Welt offen. | |
Damit es zu der Legislatur überhaupt kommt, müssen Sie auf dem | |
Landesparteitag erst einmal für den Berliner Listenplatz nominiert werden. | |
Für wie aussichtsreich halten Sie Ihre Kandidatur? | |
Ich glaube, ich habe schon sehr gute Chancen. Ich habe die Jusos hinter | |
mir, die AG Migration hat mich nominiert, der größte Kreisverband der SPD | |
in Berlin, die SPD Mitte, hat mich nominiert und unterstützt mich. Ich | |
glaube, es wird auf die Frage hinauslaufen, ob die Partei den Mut hat, auch | |
mal wirklich was Neues zu wagen und einer jungen Frau, die mit neuen Ideen | |
und Perspektiven antritt, die Chance zu geben, etwas zu verändern, oder ob | |
man eher in altbekannten Mustern bleibt. | |
29 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Daniel Stoecker | |
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