# taz.de -- Debatte Trumps Russlandpolitik: Die Bros und der Balkan | |
> Trumps mögliche Deals mit Russland könnten die fragile | |
> Sicherheitsarchitektur des Balkan treffen. Und Europa ist darauf nicht | |
> vorbereitet. | |
Bild: Wandgemälde in Belgrad, Serbien: Auch hier kommt Trumps Politik „gut a… | |
Nach der Amtsübernahme von Donald Trump wird darüber gerätselt, welche | |
Konsequenzen seine Präsidentschaft für die Sicherheitsarchitektur in Europa | |
haben könnte. Vor allem die baltischen und ostmitteleuropäischen Staaten | |
und die Ukraine sind dabei in den Fokus gerückt. | |
Aber die von Trump angekündigten Deals mit Russland könnten bald auch den | |
Balkan betreffen. Tatsache ist, dass die seit den Jugoslawienkriegen von | |
Nato und EU garantierte Sicherheitslage in der Region instabiler geworden | |
ist. | |
Die russische Politik versucht seit Jahren, ihren Einfluss auf die | |
nationalistisch-orthodoxen Bevölkerungen des Balkans auszudehnen. Die | |
bisherige Politik des Westens setzte dagegen auf das Versprechen, dass nach | |
Slowenien und Kroatien auch Serbien, Bosnien, Montenegro, Mazedonien, das | |
Kosovo und Albanien auf eine Integration in die EU hoffen können. Doch die | |
Bindekraft der EU schwindet, ihre Zukunft scheint mit der Politik Trumps | |
unsicherer zu werden. | |
Im entstandenen politischen Vakuum versuchen vor allem serbische | |
Nationalisten auszutesten, wie weit sie vor dem Hintergrund der neuen | |
politischen Konstellation gehen können. Das zeigen Ereignisse an der Grenze | |
Kosovo/Serbien, in Bosnien und Herzegowina sowie in Montenegro. | |
## Kosovos Präsident schickte Grenzschützer | |
Als Serbien unter dem Vorwand, die Bewegungsfreiheit zwischen dem Kosovo | |
und Serbien wiederherzustellen, am 14. Januar einen in Russland | |
produzierten Zug auf die Reise ins serbisch dominierte Nordkosovo schickte, | |
kam es zu einem Eklat. Der Zug, der mit Ikonen und Motiven der orthodoxen | |
Klöster in Kosovo ausgeschmückt war, trug die in mehreren Sprachen | |
angebrachte Aufschrift „Kosovo ist Serbien“, was von den Albanern natürlich | |
als Provokation gedeutet wurde. | |
Der Präsident des Kosovos schickte umgehend Grenzschützer mit gepanzerten | |
Fahrzeugen, bewaffnete Kosovoserben umkreisten die Grenzstation. Immerhin | |
stoppte Serbien den Zug im letzten Moment vor der Grenze. Sonst wäre es | |
unweigerlich zu bewaffneten Auseinandersetzungen gekommen. | |
Ein von serbischer Seite geplanter Zwischenfall hätte die ganze bisherige | |
Sicherheitsarchitektur auf dem Südbalkan infrage stellen können – trotz der | |
Präsenz internationaler Truppen im Kosovo und den von der EU vermittelten | |
Verhandlungen zwischen beiden Staaten. Zwar lenkten beide Seiten bei | |
Gesprächen mit der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini am letzten | |
Dienstag ein und versprachen, die bilateralen Verhandlungen fortzusetzen. | |
Der Vorgang zeigt aber, an welch seidenem Faden der Frieden auf dem Balkan | |
hängt. | |
Fragil ist die Situation auch in Montenegro. Proserbische Kräfte versuchen | |
dort, den Eintritt in die Nato zu verhindern. Der vehemente Widerstand der | |
proserbischen Opposition anlässlich der Volksabstimmung über den | |
Nato-Beitritt im Herbst 2016 war offenbar vom russischen Geheimdienst | |
geleitet und durch russische Geschäftsleute finanziert. | |
## Brüssel und Berlin unterschätzen die Lage | |
Durch den Nato-Beitritt Montenegros würde Russland eins seiner | |
strategischen Ziele nicht erreichen können: die Häfen des Landes für die | |
russische Mittelmeerflotte nutzen zu können. Zwar hat sich eine knappe | |
Mehrheit Montenegros für den Nato-Beitritt entschieden, doch jetzt muss das | |
Eintrittsgesuch von den Nato-Ländern bestätigt werden. Auch vom US-Senat. | |
Wie wird Trump reagieren? | |
Auch in Bosnien und Herzegowina braut sich wieder eine gefährliche | |
Situation zusammen. Die im letzten Herbst vom Präsidenten der serbischen | |
Teilrepublik Milorad Dodik durchgeführte Volksabstimmung für die Einführung | |
eines Nationalfeiertages zur Gründung der Republika Srpska wurde in ihrer | |
Tragweite von Brüssel und Berlin unterschätzt. | |
Der serbische Teilstaat ist nicht nur das Resultat eines Angriffskrieges, | |
sondern in den Augen der bosniakischen Mehrheitsbevölkerung das Resultat | |
der sogenannten ethnischen Säuberungen, die 1995 im Genozid von Srebrenica | |
mündeten und insgesamt fast 70.000 Bosniaken das Leben kosteten und fast | |
zwei Millionen Menschen aus der Region vertrieben. Dodiks offene Drohung, | |
2017 eine Volksabstimmung der serbischen Bevölkerung über die Loslösung der | |
Republika Srpska aus Bosnien und Herzegowina abzuhalten, wird als | |
Provokation empfunden. Man spricht in Sarajevo jetzt sogar wieder über | |
Krieg und munkelt über den Aufbau einer militärischen Struktur in den | |
Bosniakengebieten. Auch weil Dodik angekündigt hat, die serbischen | |
Einheiten aus der gemeinsamen Armee zurückzuziehen. | |
## Den Konflikt könnten Islamisten nutzen | |
Wie das Land nach dem Abkommen von Dayton 1995 ist auch die Armee | |
dreigeteilt – es gibt bosniakische, kroatische und serbische Einheiten | |
unter einem gemeinsamen Oberkommando. Die gemeinsame Armee war bisher ein | |
Faktor der Stabilität. Die Zuspitzung des Konflikts könnten islamistische | |
Kräfte nutzen, um ihre Position unter den muslimischen Bosniaken zu | |
stärken. Die Türkei hat in den letzten Monaten mehrmals betont, Schutzmacht | |
für die Muslime des Balkans zu sein, und drohte sogar mit dem Einsatz | |
türkischer Truppen. | |
Und der Westen? Es gibt zwar noch eine kleine Truppe der Eufor unter | |
österreichischem Befehl. Doch ausrichten könnte sie bei einer Zuspitzung | |
des Konflikts nichts. Deshalb fordern mit der Situation vertraute westliche | |
Militärexperten die Stationierung von mehreren Hundert Mann starken | |
Nato-Truppen in Brčko,dem strategisch wichtigsten Punkt des Landes. In der | |
mit Sonderstatus ausgestatteten Gemeinde verläuft die einzige | |
Straßenverbindung zwischen dem nordwestlichen und südöstlichen Teil der | |
Serbenrepublik. Nato-Truppen dort würden Dodiks Spielraum erheblich | |
eingrenzen und die Lage insgesamt entspannen. Doch noch scheint die | |
gefährliche Entwicklung in Bosnien weder in Brüssel noch in Berlin in ihren | |
Ausmaßen erkannt zu werden. | |
Immerhin hat die Obama-Administration in einem der letzten Akte am 19. | |
Januar Sanktionen gegen Dodik verhängt. Doch wie bisher zögern die | |
EU-Staaten, die serbische Seite in Bosnien und Herzegowina in die Schranken | |
zu weisen. Dodik hofft nun sogar, dass die Trump-Administration die | |
Sanktionen gegen ihn aufhebt. | |
30 Jan 2017 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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