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# taz.de -- Kommentar Holocaust-Gedenktag: Warum wir heute gedenken
> Die Auseinandersetzung mit den Verbrechen der Nationalsozialisten
> bleibt notwendig. So versichert man sich, wo man selbst steht.
Bild: Vor 72 Jahren befreite die Rote Armee das KZ Auschwitz-Birkenau
„Eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“, forderte der thüringische
AfD-Vorsitzende Björn Höcke vor Kurzem. Er klagte, wir Deutschen seien „das
einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner
Hauptstadt gepflanzt hat“. Das Holocaustmahnmal ist in der Tat ein „Denkmal
der Schande“: Die Vernichtung der europäischen Juden durch das
nationalsozialistische Deutschland ist eine ewige Schande. Sie wird nicht
vergessen werden, ganz unabhängig davon, ob man in Deutschland Mahnmale
errichtet oder nicht.
Was kritische Aufmerksamkeit verdient, ist Höckes Forderung einer
„erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad“, weil „die deutsche Geschichte
mies und lächerlich gemacht“ werde und weil „wir“ bis heute nicht in der
Lage seien, „unsere eigenen Opfer zu betrauern“.
Man kann solche Sätze nur formulieren, wenn man all jene deutschen Juden,
Christen, Sozialdemokraten und Kommunisten, all jene deutschen Sinti und
Roma, Homosexuellen, Menschen mit Behinderungen und Arbeitslosen, die in
Konzentrationslager deportiert und ermordet wurden, nicht für Deutsche
hält.
Der deutsche Sozialdemokrat, der vom Nachbarn denunziert, von der Gestapo
gefoltert und ins Lager gebracht wurde, gehört demnach nicht zu „uns“. Der
Nazi, der von einer britischen Bombe in Dresden getötet wurde, aber schon?
Das ist offensichtlicher Unsinn, der so profanen wie durchsichtigen
propagandistischen Zwecken der Gegenwart dient.
Man kann den Apologeten des „Schlussstrichs“ nur immer wieder dasselbe
entgegnen: Jede Familie und jede Gesellschaft lebt in und mit Traditionen
und Überlieferungen. Wer seine Geschichte nicht kennt, weiß nicht, wer er
ist, und hat also auch keine Zukunft.
Warum gedenken wir am 27. Januar der Befreiung des Vernichtungslagers
Auschwitz durch die Rote Armee, der jüdischen Opfer der NS-Diktatur und
ihres Vorhabens der „Endlösung der Judenfrage“? Weil wir uns als Deutsche,
in deren Namen dieses Verbrechen begangen wurde, dazu verpflichtet fühlen,
Verantwortung zu übernehmen dafür, dass die Opfer wenigstens nicht
vergessen werden. Weil die Auseinandersetzung mit der Hitler’schen
Zustimmungsdiktatur und den Verbrechen der Nationalsozialisten notwendig
ist, um sich zu versichern, wo man steht.
27 Jan 2017
## AUTOREN
Ulrich Gutmair
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Holocaust
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