# taz.de -- Porajmos und Abschiebepolitik: Gedenken – und abschieben | |
> In Hamburg wird der Gedenkort „Hannoverscher Bahnhof“ eingeweiht, von | |
> hier wurden Sinti und Roma deportiert und vernichtet. Politische Folgen | |
> hat das heute nicht mehr. | |
Bild: Eine weiße Rose am Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Si… | |
8.071 Juden und Sinti und Roma wurden zwischen 1940 und 1945 vom | |
Hannoverschen Bahnhof in Hamburg in Gettos und Vernichtungslager | |
deportiert. Über 70 Jahre später wird hier nun in der Hamburger Hafencity | |
am 10. Mai ein „Gedenkort“ eingeweiht. | |
Es ist wichtig, die Erinnerung an die Verbrechen wachzuhalten, damit sie | |
sich nie wiederholen. | |
Am Gedenkort am Hannoverschen Bahnhof sind VertreterInnen der Sinti und | |
Roma frühzeitig in die Planungen einbezogen worden. Das ist fortschrittlich | |
und nicht selbstverständlich. Wann und wie ein Mahnmal entsteht, ist indes | |
immer auch Ausdruck des Standes gesellschaftlicher Diskussion. Im Fall der | |
Roma muss man feststellen: Die Diskussion in Deutschland ist weiter von | |
Ressentiments geleitet. | |
Der Hass auf Juden ist in Deutschland nicht verschwunden, ebenso wenig die | |
nationalsozialistische Ideologie. Gleichwohl ist Antisemitismus auf | |
offizieller Bühne geächtet und nur über Bande, als „Kritik“ an Israel, en | |
vogue. Um den Antiziganismus, den Rassismus gegen Roma, steht es aber | |
anders. Er darf sich in der Öffentlichkeit bis heute unverblümt ausbreiten, | |
in den Medien beispielsweise gegen die „Bettel-Roma“. | |
## Roma dürfen im Matsch eines Slums im Balkan hungern | |
Auf politischer Ebene hat die Vernichtung der Sinti und Roma, die von den | |
Nazis und ihren Verbündeten in ganz Europa verbrochen wurde, für das | |
Verhältnis zu ihren Nachfahren keine Konsequenzen. Tausende Roma werden aus | |
Deutschland nach Südosteuropa abgeschoben – regelmäßig auch aus Hamburg. | |
Dass ihre Eltern oder Großeltern NS-Opfer waren, spielt keine Rolle. | |
Roma öffentlich den Tod zu wünschen, ist in Deutschland verboten. Aber sie | |
dürfen von der Polizei abgeschoben werden und dann im Matsch eines Slums | |
irgendwo im Balkan hungern. Ihre Kinder dürfen dort dann von medizinischer | |
Versorgung ausgeschlossen sein und von Angehörigen der Mehrheitsbevölkerung | |
angegriffen werden. | |
Viele Roma begreifen nicht, warum Deutschland ihnen kein Asyl gewährt. In | |
Deutschland wiederum wird viel dafür getan, dass nicht nachvollziehbar | |
wird, warum sie kommen – neue Gesetze wirken als Desinformation: Denn | |
Länder wie Serbien, Mazedonien oder Kosovo hat Deutschland pauschal zu | |
„sicheren Herkunftsländern“ erklärt – in völliger Ignoranz gegenüber … | |
Diskriminierung, die der Roma-Minderheit dort entgegenschlägt. | |
In den Entwürfen zu diesen Asylrechtsverschärfungen wurde explizit Bezug | |
genommen auf die schlechte Lage der Roma in Südosteuropa – um dann zu | |
erklären, dass man ihre Migration nach Deutschland verhindern müsse. Man | |
stelle sich einen derartigen Umgang mit einer anderen Opfergruppe des | |
Nationalsozialismus vor – es wäre ein Skandal. | |
An die traurige Wahrheit, dass Roma in Deutschland bis heute verachtet sind | |
– auch daran sollte anlässlich der Einweihung des Gedenkorts Hannoverscher | |
Bahnhof in Hamburg erinnert werden. | |
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6 May 2017 | |
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## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
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