# taz.de -- Gedenkstunde im Bundestag: Erinnern an „Euthanasie“-Opfer | |
> 300.000 Kranke und Menschen mit Behinderung wurden in der NS-Zeit | |
> getötet. Als „Probelauf für den Holocaust“ bezeichnete Norbert Lammert | |
> die Morde. | |
Bild: Schauspieler und Synchronsprecher Sebastian Urbanski trägt den „Opferb… | |
Berlin afp | Der Bundestag hat am Jahrestag der Befreiung des | |
Vernichtungslagers Auschwitz der Opfer der sogenannten Euthanasie-Morde | |
gedacht. „Zwischen Euthanasie und dem Völkermord an den europäischen Juden | |
bestand ein enger Zusammenhang“, sagte Bundestagspräsident Norbert Lammert | |
(CDU) am Freitag in der Gedenkstunde des Parlaments. Dem sogenannten | |
„Euthanasie-Programm“ der Nationalsozialisten waren schätzungsweise 300.000 | |
Menschen mit körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen oder | |
unheilbaren Krankheiten zum Opfer gefallen. | |
Das Töten durch Gas sei als „Probelauf für den Holocaust“ zuerst bei | |
Euthanasieopfern praktiziert worden, sagte Lammert in seiner Rede. Es wurde | |
damit zum Muster „für den späteren Massenmord in den | |
NS-Vernichtungslagern“. Mehr als hundert Ärzte, Pfleger und sonstige | |
Beteiligte an den Krankenmorden, deren erste Phase 1941 geendet habe, | |
„setzten ihr Tun bruchlos in den Vernichtungslagern für KZ-Häftlinge fort�… | |
Die Vorbereitungen begannen schon 1933, als die NS-Diktatur das „Gesetz zur | |
Verhinderung erbkranken Nachwuchses“ erließ. Es erlaubte brutale Eingriffe | |
in die Würde von behinderten Menschen. „In Dutzenden sogenannter Heil- und | |
Pflegeanstalten mordete das medizinische Personal“, sagte Lammert weiter. | |
Aufbegehren gegen die systematische Tötung vermeintlich „lebensunwerten“ | |
Lebens habe es wenig gegeben. | |
Auch „eine Aufarbeitung fand lange Zeit nicht statt“, so der | |
Bundestagspräsident. Erst 2007 habe der Bundestag das | |
Zwangssterilisationsgesetz des NS-Regimes geächtet und erst vor kurzem sei | |
dem Gedenken an die NS-Krankenmorde ein angemessener Rahmen verliehen | |
worden: mit dem 2014 eröffneten „Gedenk- und Informationsort“ am Schauplatz | |
der früheren „Zentraldienststelle“ – der Planungszentrale für die | |
sogenannten Euthanasie-Morde – in Berlin-Tiergarten. | |
Während der Gedenkstunde las der Schauspieler Sebastian Urbanski den Brief | |
eines damaligen Opfers vor. Urbanski, der unter dem Down-Syndrom leidet, | |
spielt beim Berliner Rambazamba-Theaters. Auch Menschen mit dieser | |
Genmutation waren von den Nationalsozialisten als „lebensunwert“ eingestuft | |
worden. Gedenkreden hielten zudem Verwandte von zwei weiteren | |
„Euthanasie“-Opfern. | |
Der 27. Januar ist der Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und | |
Vernichtungslagers von Auschwitz durch die sowjetische Rote Armee im Jahr | |
1945. Ein eigenes Gedenken dazu gibt es seit 21 Jahren, der damalige | |
Bundespräsident Roman Herzog hatte dies initiiert. | |
27 Jan 2017 | |
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