| # taz.de -- Web-Serie „Wishlist“: Öffentlich-rechtlich goes jugendlich | |
| > Die Web-Serie „Wishlist“ des Jugendsenders Funk senkt den | |
| > Altersdurchschnitt des Öffentlich-Rechtlichen. Und sie hat Aussichten auf | |
| > den Grimme-Preis. | |
| Bild: Bei „Wishlist“ erfüllt eine App jeden Wunsch – aber nicht ohne Geg… | |
| Die Jugend jubelt. Und das Öffentlich-Rechtliche auch. Denn es könnte | |
| endgültig den Ruf verlieren, sein jugendliches Publikum zu vernachlässigen. | |
| Der selbst noch junge Onlinejugendsender Funk hat mit [1][einer neuen | |
| Mystery-Web-Serie nicht nur die Erwartungen seiner Zielgruppe übertroffen], | |
| sondern sich auch ein junges Team von multitalentierten Produzent_innen an | |
| seine Seite geholt. Und damit nicht genug, seit Mittwoch ist „Wishlist“ als | |
| „Innovation“ für den 53. [2][Grimme-Preis] in der Kategorie „Kinder und | |
| Jugend“ nominiert. | |
| Erst kürzlich hat der Sender die zweite Staffel der Serie angekündigt. | |
| Wobei: Das Wort Sender ist hier irreführend, denn bei Funk handelt es sich | |
| um ein „Content-Netzwerk“ von ARD und ZDF – gesendet wird nicht im Radio | |
| oder Fernsehen, sondern ausschließlich online – auf funk.net und YouTube. | |
| Zielgruppe sind 14- bis 29-Jährige. | |
| „Wishlist“ handelt von einer gleichnamigen App, die einem jeden Wunsch | |
| erfüllt. Im Gegenzug muss die wünschende Person aber eine Aufgabe erfüllen, | |
| die von der App „berechnet“ wird. Wie schwer sie ist, richtet sich danach, | |
| wie aufwendig der Wunsch ist. Möchte man zum Beispiel „Sex mit Zeichentrick | |
| Arielle“, fordert die Siri-ähnliche Stimme der App den oder die Nutzer_in | |
| dazu auf, den Rhein „über die gesamte Länge mit Sahne“ zu zuschütten. | |
| Fünf Freunde um die 17 Jahre alt, weniger an Enid Blyton als an die | |
| US-amerikanischen Kultserien „Friends“ oder „How I met your mother“ | |
| angelehnt, bilden den Hauptcast der Serie. Zunächst lassen sie sich von der | |
| App nur an Schlange und Türsteher vorbei in einen Nachtclub bringen oder | |
| sich das getragene Höschen der Angebeteten in den Briefkasten stecken. Bald | |
| darauf jedoch gerät das Spiel mit der App aus den Fugen und es stellt sich | |
| die Frage, wer hier mit wem spielt. Irgendwann liegt dann auch der Schritt, | |
| über Leichen zu gehen, nicht mehr fern. | |
| ## Junger Sender, junges Team | |
| Bei mittlerweile über 100.000 Abonnent_innen kann man von Erfolg sprechen. | |
| Die erste Staffel umfasst zehn Episoden à 15 Minuten. Jede Folge schließt | |
| mit einem Cliffhanger, das hält bei der Stange. Aber auch Gastauftritte von | |
| YouTube-Stars wie Dagi-Bee, die mit über drei Millionen regelmäßiger | |
| Konsument_innen „Wishlist“ deutlich in den Schatten stellt, tragen zur | |
| Beliebtheit der Serie bei. | |
| „Es ist natürlich super, wenn man von größeren Kanälen gepusht wird. Wir | |
| hatten auch gar keine eigene Werbestrategie. Es geht am Ende vor allem ums | |
| Geteiltwerden. So funktioniert YouTube nunmal.“, sagt Marcel Becker-Neu. | |
| Der 26-Jährige bekleidet gleich mehrere Funktionen in dem jungen | |
| Produktionsteam: Buchautor, Darsteller, Komponist und Mitproduzent. | |
| Becker-Neu und sein Kollege Marc Schießer haben 2015 extra für das Projekt | |
| eine Produktionsfirma gegründet, die Zusage von Radio Bremen und MDR | |
| Sputnik hatten sie da bereits. Becker-Neu experimentiert seit zehn Jahren | |
| mit der Produktion von Videos und Kurzfilmen. „Für mich persönlich war die | |
| größte Herausforderung, so viel Verantwortung zu tragen und den Laden | |
| irgendwie schmeißen zu müssen. Als Darsteller und Produzent gleichzeitig | |
| musste ich am Set ständig die Positionen wechseln und hatte dann oft nicht | |
| den Kopf frei, um mich auf meine Rolle zu konzentrieren.“ | |
| Die Serie spielt an einem von der deutschen Film- und Fernsehindustrie | |
| bisher vernachlässigten Ort: „Wir haben uns aus zwei Gründen für Wuppertal | |
| entschieden. Zum Einen wohnt der Großteil des Teams dort und das spart | |
| Kosten. Zum Anderen ist die Stadt noch nicht so verbrannt wie zum Beispiel | |
| Berlin.“, meint Becker-Neu. Eine Genehmigung für Dreharbeiten in der neuen | |
| Schwebebahn hätten sie trotz des guten Marketings für die Stadt leider | |
| nicht erhalten. Für Aufnahmen in den alten Schwebewaggons fragten sie | |
| hingegen gar nicht erst nach. Im „Guerilla-Style“ hätten sie die paar | |
| Szenen in einer Nacht und Nebelaktion ohnehin „schnell im Kasten“ gehabt. | |
| ## Authentizität versus Politisch korrekte Sprache | |
| Derweil ist „Wishlist“ nach wie vor ein öffentlich-rechtliches Format. Die | |
| Auftraggeber_innen von Radio Bremen seien bei inhaltlichen Abnahmen der | |
| Drehbücher entsprechend streng gewesen, besonders in Bezug auf Sprache. | |
| Allerdings seien ihnen die Formulierungen nicht etwa zu jugendlich-salopp | |
| oder politisch inkorrekt gewesen, sondern eher zu „altbacken“. | |
| In der Serie bezeichnet eine Hauptfigur ihre Freunde wiederholt als | |
| „behindert“ oder „Mongo“. Das sei wichtig für die Entwicklung ihres | |
| Charakters in der Serie und der Glaubwürdigkeit ihrer „Street Credibility“. | |
| „Wir haben untereinander schon auch über Political Correctness gesprochen“, | |
| erklärt Becker-Neu, „aber am Ende wollten wir vor allem ein Universum | |
| schaffen, das so authentisch sein sollte, wie nur möglich.“ Bildungsauftrag | |
| hin oder her. | |
| Besonders aufwendig sei zudem die Postproduktion gewesen. Für den | |
| „besonderen Look“ wurde in 4K gedreht, einem hochauflösenden digitalen | |
| Format, das Ergebnis: 25 Terrabyte Rohmaterial. Um ein Haar seien sie nicht | |
| fertig geworden. Nachtschichten und Aufputschmittel in Form von Kaffee, | |
| Energydrinks und Mate wären während der Postproduktion an der Tagesordnung | |
| gewesen. | |
| Obwohl „Wishlist“ nur eines von vielen Angeboten der Funk-Plattform ist, | |
| avancierte es binnen kürzester Zeit zum Vorzeigeprodukt unter den | |
| Newcomern der Formate. Die überwältigende positive Resonanz und die | |
| Dankbarkeit der Community junger YouTube-Abonnent_innen bezeichnet das Team | |
| als „total geiles Gefühl“. Die Bücher der zweiten Staffel sind bereits in | |
| Arbeit. Noch dieses Jahr soll die Fortsetzung bei Funk und YouTube zu sehen | |
| sein. Ob mit oder ohne Grimme-Preis, darf man also gespannt sein, welchen | |
| Weg das junge Team mit seiner jungen Serie einschlagen wird. | |
| 20 Jan 2017 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.youtube.com/channel/UCwOvSO2kf7sm_ZQyi6_DL4w | |
| [2] http://www.dwdl.de/nachrichten/59683/grimmenominierungen_von_boehmermann_bi… | |
| ## AUTOREN | |
| Nora Belghaus | |
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