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# taz.de -- Der Jugendradiosender 1Live wird 20: Populär statt populistisch
> Die private Konkurrenz drängte den WDR zur Gründung von 1Live. Bis heute
> müht sich der Sender um eine Balance zwischen Mainstream und
> Andersartigkeit.
Bild: Radio machen anno 2003: Sabine Heinrich im 1Live-Studio.
Im „Sektor“ kommt an 1Live niemand vorbei. Der Radiosender mit Sitz in Köln
verspricht immerzu, die Themen der „Sektor-Menschen” anzupacken. Nein, das
ist keine eigene Spezies, das sind einfach die BürgerInnen von
Nordrhein-Westfalen und der Sektor, das ist NRW. Jetzt wird der
Jugendsender 20 Jahre alt und ist längst zum Mainstream geworden. 1Live ist
nach eigenen Angaben das erfolgreichste Jugendradio Deutschlands, erreicht
täglich über vier Millionen Hörer, auch über das eigentliche Sendegebiet
hinaus.
Als es damals anfing mit 1Live, am 1. April 1995, wollte man vor allem
anders sein. Anders, als die Sender für die Erwachsenen, die alten Leute.
„Wir haben gemerkt, dass der WDR überhaupt keine jungen Hörer hatte“, sagt
Programmchef Jochen Rausch. Die hörten lieber die damals neuen
Privatradios.
Der neue Sender brauche Abstand zum großen WDR, entschied damals
Hörfunkdirektor Fritz Pleitgen, sowohl räumlich, als auch sprachlich.
Bewusst hat man sich herausgelöst aus dem langweiligen
WDR-Senderbenennungsprinzip „WDR + Ziffer“ und machte WDR1 zu 1Live. Das
sollte signalisieren, das hier etwas Neues passiert und nicht die selben
Mittvierziger weiter an ihren Mikrofonen sitzen, mit einer „Jugendsprache“
und Musik, die eigentlich doch schon zehn Jahre alt ist. 1Live hat das
bemerkenswert richtig gemacht.
Die Moderatoren waren und sind selbst jung. Den Sender macht das
authentisch, es tut der Themenumsetzung gut. Auch, wenn es seltsam anmutet,
dass etwa ein Bericht zum Germanwings-Flugzeugunglück der mit einem
fröhlichen „Update“ beginnt, so werden doch auch Komplexe wie Eurokrise und
Griechenland verständlich dargelegt. „Wir bringen halbstündlich
Nachrichten, um die Hörer zu informieren, berichten aber eben auch über
Promis und albern ein wenig herum“, sagt Programmchef Rausch.
## David Guetta läuft nicht zwanzig Mal am Tag
Man ist bemüht, einen guten Mittelweg zu finden: Politik wird angefasst,
aber leicht gemacht. Werbung gibt es natürlich, nur nennt man sie Reklame.
Die Nummer Eins der deutschen Singlecharts wird gespielt, aber nicht
zwanzig Mal am Tag, dafür auch immer mal Coldplay und Die Toten Hosen. Und
nach 20 Uhr läuft „Plan B“. Da spielen die Moderatoren vor allem
alternativere und unbekannte Musik.
„Um junge Leute für das Prinzip des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu
begeistern, müssen wir mehr bieten als die anderen“, sagt Rausch und meint
Dinge, die über gewöhnliches Radiomachen hinausgehen, wie die
Comedy-Formate „Global Geiss“, „Noob und Nerd“, „Tony Mono“ oder die
„O-Ton-Charts”. Zugegeben – nicht alle davon sind zum Lachen. Auch die
Moderatorenwitze sind manchmal platt oder vorhersehbar, Mainstream eben,
den der Sender bedienen muss. Ob damit aber die Abgrenzung zu privaten
Jugendsendern gelingt, ist auch für den Programmchef nicht immer einfach zu
sagen. „Wir wollen populäres, aber kein populistisches Radio machen“, sagt
Rausch.
Mit seinen Hören tritt der Sender regelmäßig in Interaktion: Duelle am
Telefon, Verlosungen, Abstimmungen im Netz über künftige Musikprogramme,
Umfragen, all das gehört dazu. Einige ehemalige 1Live-Moderatoren sind
längst nicht mehr nur dafür bekannt: Stefan Raab, Joko Winterscheidt, Jan
Böhmermann, Linda Zervakis moderierten früher für den Sektor. Die
potenziellen Stars von morgen heißen nun Terhoeven und Dietz, Beeck und
Michaelsen, Olli Briesch und der Imhof.
## Mehr Männer moderieren
Auch wenn Aushängeschilder wie Sabine Heinrich, mittlerweile Buchautorin
und Fernsehmoderatorin, weiblich sind, ist das Geschlechterverhältnis bei
1Live nicht ausgeglichen. Passt das zu einem fortschrittlichen, jungen
Sender? Rausch kennt das Problem und eine vermeintliche Ursache: „Frauen
wollen lieber in den ernsthaften Journalismus“, glaubt er. „Doch wir haben
vier neue Moderatorinnen, die ab April bei 1LIVE moderieren werden, das
wächst sich also aus.“
Das Durchschnittsalter der Hörer lag dem Programmchef zufolge anfangs bei
26, heute bei 34 Jahren und entspreche dem der Mitarbeiter. Doch wer sich
ursprünglich mal zum Ziel gesetzt hat, die 14- bis 29-Jährigen ans Radio zu
holen, ist mit der Arbeit noch nicht am Ende. das weiß auch Jochen Rausch.
„Aber wir sind in den letzten 20 Jahren nur um acht Jahre gealtert, das ist
nicht schlecht. Wir wollen ja auch nicht, dass unsere Stammhörer, sobald
sie 30 sind, den Sender wechseln. Hörer wählen ihr Programm nicht nach
ihrem Lebens-, sondern nach ihrem gefühlten Alter.“
Zum 1Live-Geburtstag gratulierten übrigens auch einige ältere Herrschaften,
darunter Sido, die Fantastischen Vier und Herbert Grönemeyer. Den gab es
auch schon vor 20 Jahren.
1 Apr 2015
## AUTOREN
Hanna Voß
## TAGS
NRW
Jubiläum
Jugendkanal
Radio
WDR
Serie
Stefan Raab
ZDF
Radio
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