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# taz.de -- Verteilung von Geflüchteten in Europa: EU ist nicht gleich EU
> Wie leben Asylbewerber in den einzelnen EU-Staaten? Eine taz-Recherche zu
> Asylregeln, Herkunfts- und Aufnahmeländern.
Bild: Geflüchtete in einem griechischen Lager. Wo werden sie enden?
Berlin taz | Das EU-Recht besagt, dass alle Mitgliedsstaaten Flüchtlingen
Leistungen gewähren müssen, die „einem angemessenen Lebensstandard
entsprechen“. Dies umfasst den „Lebensunterhalt sowie den Schutz der
physischen und psychischen Gesundheit“. Was das konkret bedeutet, darf aber
jeder Staat individuell auslegen.
## Deutschland
Alleinstehende erwachsene Asylbewerber, die in Wohnungen leben, bekommen
während ihre Verfahrens im Regelfall 351 Euro pro Monat – rund 50 Euro
weniger, als Hartz IV. Kinder und Jugendliche erhalten zwischen 214 und 276
Euro. In Aufnahmeeinrichtungen gibt es für alleinstehende Erwachsene
monatlich 145 Euro Taschengeld, für Kinder und Jugendliche zwischen 85 und
93 Euro. Der Rest des Bedarfes wird durch Sachleistungen gedeckt. Die
Gesundheitsversorgung ist auf akute und schmerzstillende Behandlungen
beschränkt.
## Italien
Asylbewerber haben während des Asylverfahrens in Italien Anspruch auf
Unterbringung in einer Aufnahmeeinrichtung. In dieser Zeit haben sie
Anspruch auf Verpflegung, Kleidung wird gestellt, ebenso Wäsche und
Hygieneartikel zum persönlichen Gebrauch. Der Erhalt von
Unterstützungsleistungen – Nahrung, Unterkunft, Integrationsmaßnahmen,
psychologische Betreuung, Schule – ist an den Aufenthalt in einem
Aufnahmezentrum geknüpft. Nicht arbeitende Asylbewerber erhalten zusätzlich
zu ihrer Unterbringung 2,50 Euro Taschengeld pro Tag. Zwei Monate, nachdem
sie ihren Asylantrag gestellt haben, dürfen sie arbeiten. Allerdings sind
die Wartezeiten für die Antragstellung sehr lang.
## Frankreich
Asylbewerber dürfen frühestens nach neun Monaten arbeiten. De facto kann
ihnen auch dann noch der Zugang zu Jobs verwehrt werden: Mit der
sogenannten Arbeitsmarktprüfung können die Behörden jederzeit Franzosen und
EU-Bürgern Vorrang einräumen. Seit 2015 erhalten alle Asylbewerber die
„allocation unique“, die verschiedene Sozialleistungen bündelt. Eine
einzelne Person erhält täglich 6,80 Euro. Familien mit vier oder mehr
Kindern leben von 32,20 Euro am Tag. Wer die staatlich verordnete
Unterbringung ablehnt, verliert den Anspruch auf alle finanziellen
Leistungen.
## Spanien
Der spanische Staat übernimmt Kosten für Fahrten, Bildung, Übersetzungen
und ähnliches. Wenn sie die Aufnahmeeinrichtung verlassen haben, erhalten
Einzelpersonen 347,60 Euro und Familien bis zu 792,73 Euro im Monat. Davon
müssen sie ihre Grundbedürfnisse decken. Ab sechs Monate nach Eingang des
Asylantrags dürfen Asylbewerber arbeiten.
## Großbritannien
Während der Bearbeitung des Antrags umfasst die staatliche Unterstützung
Geld für Lebensmittel und Hygieneartikel. Der Wochensatz für einen
Erwachsenen liegt bei 35,39 Pfund. Eine vierköpfige Familie bekommt 147,80
Pfund pro Woche. Hinzu kommen Pauschalen, beispielsweise für Säuglinge. Die
Sozialhilfe für Arbeitslose beträgt ohne andere Zuschüsse mehr als das
Doppelte des Asylgeldes. Asylbewerber dürfen in Großbritannien nicht
arbeiten. Wer illegal arbeitet, kommt ins Gefängnis. Sollte die Bearbeitung
eines Asylantrags allerdings länger als ein Jahr dauern, kann sich der
Antragsteller um eine Arbeitserlaubnis bewerben.
## Österreich
Asylwerber dürfen zehn Stunden pro Woche für fünf Euro pro Stunde
gemeinnützige Arbeiten verrichten. Selbständig arbeiten dürfen sie nur in
einem Gewerbe, das keine Qualifikation erfordert, etwa als Prostituierte.
Die Bundesbetreuung beinhaltet Unterkunft, Verpflegung und ein Taschengeld
von 40 Euro monatlich. Eine Bekleidungshilfe von bis zu 150 Euro jährlich
wird in Form von Gutscheinen, meist von Second-Hand-Shops, ausgezahlt. Auf
reguläre Sozialleistungen und Zugang zum Arbeitsplatz haben erst
Asylberechtigte Anspruch.
## Ungarn
Asylwerber dürfen kleine Arbeiten im Umfeld des Asylheims verrichten und
dafür maximal monatlich 80 Euro beziehen. Sie werden vom Staat versorgt,
soweit sie als bedürftig eingestuft werden und haben dann auch Anspruch auf
Krankenversicherung.
## Tschechien
Bewohner der Flüchtlingslager haben Anspruch auf ärztliche Hilfe, bekommen
Essen und ein Taschengeld von 360 Kronen (13,50 Euro) pro Monat. Wer
dezentral untergebracht ist, hat drei Monate lang Anrecht auf rund 400
Euro, die Höhe des monatlichen Lebensminimums. Sozialhilfe erhalten
Asylbewerber nicht. Im ersten Jahr des Asylverfahrens dürfen sie nicht
arbeiten, nach dieser Frist auch nur mit Erlaubnis des zuständigen
Arbeitsamts.
## Schweden
Die Migrationsbehörde stellt Gemeinschaftsunterkünfte bereit; dort gibt es
Essen umsonst und 75 Euro monatlich für Alleinstehende. Familienmitglieder
erhalten je 60 Euro. Wer eigenständig wohnt, erhält 225 Euro im Monat,
weitere Familienmitglieder im Haushalt 60 Euro. Wer einen Arbeitsplatz
erhält, kann seit Kurzem vom Asylbewerber zum Arbeitsmigranten umgestuft
werden.
## Lettland
Jeder Asylbewerber erhält 139 Euro im Monat, in Familien bekommt nur ein
Mitglied den normalen Satz und jedes weitere noch 97 Euro monatlich. In
Lettland erhalten Asylbewerber eine Arbeitserlaubnis, falls die
Entscheidung über ihren Antrag länger als 12 Monate dauert. Die
Entscheidung ergeht meist innerhalb von drei Monaten.
Die Grafiken zeigen den Anteil positiver Asylentscheidungen in ausgewählten
EU-Ländern von Januar bis September 2016.
Mitarbeit: Ralf Sotscheck, Ralf Leonhard, Tibor Rácz, Alexandra Mostýn,
Reinhard Wolff
8 Jan 2017
## AUTOREN
Christian Jakob
Jana Anzlinger
## TAGS
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Schwerpunkt Flucht
Flüchtlinge
Migration
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