# taz.de -- Rot-Rot-Grün in Klausur: Jetzt beginnen die ersten 100 Tage | |
> Die rot-rot-grüne Landesregierung will am Montag in einer Klausurtagung | |
> das Mitte November angekündigte 100-Tage-Programm starten. | |
Bild: Ab jetzt wird gearbeitet: der rot-rot-grüne Senat bei einer Sitzung | |
Weit über drei Monate sind seit der Abgeordnetenhauswahl vergangen, | |
viereinhalb Wochen ist es her, seit als letzter der drei Koalitionspartner | |
auch die Linkspartei zustimmte und SPD-Landeschef Michael Müller im | |
Abgeordnetenhaus erneut zum Regierenden Bürgermeister gewählt wurde. | |
Bloß mit dem Regieren war zumindest gefühlt bei Rot-Rot-Grün noch nicht | |
viel. Am Montag soll sich das ändern: Dann kommt der neue Senat zu einer | |
Klausurtagung im Roten Rathaus zusammen, an deren Ende das schon Mitte | |
November angekündigte 100-Tage-Programm stehen soll. | |
Die Räumlichkeiten, in denen es um 12 Uhr mittags losgehen soll, sind | |
Müller und den meisten der zehn Senatorinnen und Senatoren gut bekannt. Und | |
auch den Fraktionschefs, die ebenfalls dabei sind: Im Louise-Schröder-Saal | |
handelten SPD, Linkspartei und Grüne ab Anfang Oktober rund sechs Wochen | |
lang die bundesweit erste rot-rot-grüne Koalition unter SPD-Führung aus – | |
beim schon seit 2014 regierenden gleichfarbigen Bündnis in Thüringen ist | |
die Linkspartei stärkster Partner. | |
Für 17 Uhr ist eine kurze Stellungnahme gegenüber Journalisten angekündigt, | |
aber danach soll es noch weit in den Abend weitergehen, bis hin zu einem | |
geselligen Ausklang, sprich dem einen oder anderen Absacker nach getaner | |
Arbeit. | |
Die ursprüngliche Hoffnung, mit einer Anfangseuphorie wie nach Abschluss | |
des Koalitionsvertrags auch in diese Klausur zu gehen, ist allerdings | |
zerstoben. Zu sehr hat sich die Koalition bereits nach der ja durchaus vom | |
ganzen Senat beschlossenen Ernennung von Bau-Staatssekretär Andrej Holm | |
gestritten – dass der in einem Fragebogen der Humboldt Universität, seines | |
bisherigen Arbeitgebers, angab, nicht für die Stasi gearbeitet zu haben, | |
wollen nicht alle hinnehmen. | |
Holm sei nicht tragbar, äußerte sich vor Weihnachten vor allem der | |
SPD-Abgeordnete Sven Kohlmeier, der rechtspolitische Sprecher seiner | |
Fraktion. Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek ging nicht so weit, | |
kritisierte aber das aus ihrer Sicht „nicht vorhandene Krisenmanagement“ | |
der Linkspartei. | |
Für einigen Ärger sorgte zudem, dass von einer Tagung des | |
Koalitionsausschusses, dem Treffen der führenden Köpfe der drei Partner, | |
wortreiche Schilderungen heftiger Diskussionen nach außen dringen konnten. | |
„Koalition auf Messers Schneide“, titelte die Berliner Morgenpost gleich in | |
einer Nachbetrachtung. | |
Der Anschlag vom Breitscheidplatz am Montag darauf dämpfte zudem nicht nur | |
die generelle Stimmung, er brachte auch das umstrittene Thema der | |
Videoüberwachung öffentlicher Plätze wieder auf die Agenda. „Ich hoffe, | |
dass es in dieser Frage Bewegung gibt“, äußerte sich Regierungschef Müller | |
jüngst – im Koalitionsvertrag haben sich die drei Parteien eigentlich gegen | |
eine ausgeweitete Videoüberwachung ausgesprochen. | |
Müller hatte bereits vor der Sommerpause mit seinem damaligen | |
Koalitionspartner CDU mehr Überwachung befürwortet – seine SPD-Fraktion im | |
Abgeordnetenhaus kippte aber die dafür nötige Gesetzesänderung. | |
„Videotechnik kann diese Orte sicherer machen“, sagte Müller mit Blick auf | |
den Alexanderplatz oder das Kottbusser Tor. | |
Nachdem Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) den Senat drängte, | |
doch über mehr Überwachung nachzudenken, steht die Koalition unter Druck. | |
Innensenator Andreas Geisel (SPD), gerade erst von der Spitze des | |
Stadtentwicklungsressorts ins neue Amt gekommen, soll in der Klausurtagung | |
offenbar ein wenig Ruhe in die Diskussion bringen und darstellen, welche | |
Möglichkeiten für mehr – gefühlte oder tatsächliche – Sicherheit im | |
öffentlichen Raum es gibt. Sogar von einem „Sicherheitspaket“ ist die Rede, | |
das der Innensenator vorstellen soll. | |
Insgesamt soll unterm Strich ein 100-Tage-Programm stehen, von dem der | |
damalige Linkspartei-Vorsitzende und heutige Kultursenator Klaus Lederer | |
schon unmittelbar nach erfolgreichem Abschluss der Koalitionsverhandlungen | |
sprach. Zur Vorbereitung sind alle Senatsverwaltungen angehalten, ihre | |
jeweils fünf wichtigsten Projekte zu benennen. Weitere große | |
Tagesordnungspunkte sind die Flüchtlingsintegration und ein | |
Nachtragshaushalt, also eine Nachbesserung beim Geldverteilen in diesem | |
Jahr – den aktuellen Haushalt hatte nämlich noch die abgelöste rot-schwarze | |
Koalition beschlossen. | |
8 Jan 2017 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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