# taz.de -- Nachfolger für Martin Schulz: Europas Konservative greifen ins Klo | |
> Die EVP nominiert den Berlusconi-Adlatus Antonio Tajani als designierten | |
> Präsidenten des Parlaments. Sozialisten, Grüne und Linke sind dagegen. | |
Bild: Der Kandidat Antonio Tajani reicht der Landsfrau und EU-Außenbeauftragte… | |
BRÜSSEL taz | Die Anhänger von Martin Schulz hatten schon vor Wochen | |
gewarnt. „Wenn Schulz geht, bricht das Chaos aus“, hieß es im Umfeld des | |
scheidenden Präsidenten des Europaparlaments in Straßburg. Doch dass es so | |
arg kommen würde, hat wohl niemand vorausgesagt. | |
Erst kündigte der Fraktionschef der Sozialdemokraten, der Italiener Gianni | |
Pitella, die Große Koalition mit den Christdemokraten auf. „Die | |
Zusammenarbeit ist beendet und wird nicht wieder aufgenommen“, sagte der | |
Mann, der nach dem Abschied von Schulz den Ton auf der Linken angibt. | |
Kurz danach wählten die Konservativen und Christdemokraten von der | |
Europäischen Volkspartei (EVP) ihren Kandidaten für die Schulz-Nachfolge. | |
Völlig überraschend setzte sich Antonio Tajani, ein Vertrauter des früheren | |
italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, durch. | |
Tajani erhielt 94 Stimmen. Für die Irin Mairead McGuinness votierten 57, | |
für den Franzosen Alain Lamassoure 38 und für den Slowenen Alojz Peterle 18 | |
Abgeordnete. | |
## Mankos von Tajani | |
Doch Tajani fehlt eine Mehrheit bei der für den 17. Januar geplanten Wahl | |
des Parlamentspräsidenten. Nicht nur die Sozialdemokraten lehnen den | |
63-Jährigen ab. Tajani ist auch in den eigenen Reihen umstritten. Viele | |
hätten lieber eine Frau ins Rennen geschickt. | |
Zudem hat der Forza-Italia-Politiker noch ein anderes großes Manko: Er | |
spielt eine undurchsichtige Rolle im VW-Dieselgate. Von den Manipulationen | |
bei Volkswagen habe er nichts gewusst, erklärte der ehemalige | |
Industriekommissar. Dabei war er vor Aufdeckung der Affäre für die | |
Kontrolle zuständig. | |
„Tajani hat Hinweise auf Abschalteinrichtungen ignoriert“, kritisierte der | |
sozialdemokratische Europaabgeordnete Seb Dance nach der Anhörung im | |
Dieselgate-Untersuchungsausschuss. „Es schadet dem Ansehen des | |
EU-Parlaments, wenn an der Spitze jemand steht, der den | |
Dieselmanipulationen der Autoindustrie jahrelang tatenlos zugesehen hat“, | |
legt der grüne EU-Parlamentarier Sven Giegold nach. | |
## Zuviel deutscher Einfluss | |
„Er ist extrem loyal und setzte sich durch, weil ihn alle persönlich | |
kennen“, kontert der CDU-Abgeordnete Andreas Schwab. Der Kandidat hatte | |
sich sogar beim CDU-Parteitag in Essen vorgestellt und sich beim | |
Fraktionschef der EVP, dem CSU-Europaabgeordneten Manfred Weber, | |
abgesichert. Erst nachdem Weber bekräftigte, dass er nicht selbst antreten | |
wolle, warf Tajani seinen Hut in den Ring. | |
Doch nun haben Weber und die EVP ein Problem: Eine Mehrheit könnten sie nur | |
mit Liberalen und EU-Gegnern wie Marine Le Pen oder Geert Wilders erringen. | |
Doch das scheint undenkbar. „Unter Schulz“, stöhnt selbst ein deutscher | |
Konservativer, „würde es solch ein Chaos nicht geben.“ | |
Die Sozialdemokraten wollen jetzt nichts mehr von der Absprache wissen, | |
derzufolge die EVP den nächsten Parlamentspräsidenten stellen soll. Und die | |
nichtdeutschen Abgeordneten – also die riesige Mehrheit – wollten nicht | |
wieder einen Deutschen an ihrer Spitze sehen. | |
Das war mit ein Grund, weshalb Fraktionschef Weber nicht selbst angetreten | |
ist. Nun muss der CSU-Politiker sehen, wie er den Schaden begrenzt. Leicht | |
wird es nicht. Insgeheim munkelt man schon, dass auch diese Krise nur von | |
einer gelöst werden kann – von Kanzlerin Angela Merkel im fernen Berlin. | |
14 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
## TAGS | |
Europa | |
Europaparlament | |
Ex-Präsident | |
EU-Parlamentspräsident | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
Antonio Tajani | |
Italien | |
Martin Schulz | |
Antonio Tajani | |
Gregor Gysi | |
EU | |
Jean-Claude Juncker | |
Schwerpunkt Flucht | |
Martin Schulz | |
Martin Schulz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Porträt Antonio Tajani: Akzentloser Europäer | |
Der neue EU-Parlamentspräsident kommt von weit rechts. Er will gegen | |
Populisten kämpfen und Brücken bauen. Sonst hat er keine Ambitionen. | |
Neuer EU-Parlamentspräsident: Das inneritalienische Duell | |
Das Parlament wählt am Dienstag einen neuen Präsidenten. Favoriten sind | |
zwei Italiener. Doch sie sind beide nicht für den Posten prädestiniert. | |
Nachfolge von Martin Schulz: EVP-Chef Weber warnt vor Wortbruch | |
Die Europäische Volkspartei hat eine bisher geheime Vereinbarung | |
veröffentlicht, in der die Nachfolge von EU-Parlamentspräsident Martin | |
Schulz geregelt ist. | |
Dieselgate-Untersuchungsausschuss: Schlechte Noten für Antonio Tajani | |
Brüssel macht keinen guten Job im Abgasskandal, findet der | |
Untersuchungs-Ausschuss des EU-Parlaments. Ein Kandidat gibt ein besonders | |
mieses Bild ab. | |
Kongress der Europäischen Linken: Gysi ist linker Chef-Europäer | |
Die Europäische Linke hat Gregor Gysi am Wochenende zu ihrem neuen | |
Vorsitzenden gewählt. Er will die EU „leidenschaftlicher“ machen. | |
Syriza-Politiker über Linke und Europa: „Es fehlt ein gemeinsames Projekt“ | |
Giorgos Chondros fordert, dem rechten und neoliberalen Diskurs zu trotzen. | |
Die deutsche Linkspartei soll aus Solidarität mit Griechenland die | |
Machtfrage stellen. | |
Europäische Union und Rechtspopulismus: Ein Kontinent auf Tauchstation | |
Die Furcht vor einem Durchmarsch der Rechtspopulisten lässt die | |
europäischen Politiker verstummen. 2017 könnte zum Annus horribilis werden. | |
Migrationspartnerschaften der EU: Müller setzt auf neue Mittelmeerunion | |
Um die Einwanderung zu kontrollieren, fordert der Minister einen | |
Marschallplan mit Afrika. Der solle auch einen Wirtschaftspakt | |
miteinschließen. | |
Schulz-Nachfolge im Europaparlament: Überall nur Konservative | |
Schulz war der letzte wichtige Sozialdemokrat in Brüssel. Nun könnte ihm | |
ein CSU-Mann folgen – oder eine konservative Irin. | |
Martin Schulz wechselt nach Deutschland: Nur noch schnell Europa retten | |
Nun ist es raus: EU-Parlamentspräsident Martin Schulz geht nach Berlin. Der | |
K-Frage aber weicht der SPD-Politiker weiterhin aus. |