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# taz.de -- Debatte Trump und Antisemitismus: Ein obszöner Spagat
> Seine Tochter ist Jüdin geworden, doch in seinem zukünftigen Kabinett
> wimmelt es von Antisemiten. Was haben Juden von Trump zu erwarten?
Bild: Ultraorthodoxe Juden bei einer Wahlkampfveranstaltung zur Unterstützung …
Donald Trump ist in seiner Beziehung zu den amerikanischen Juden, wie in
anderen Fragen auch, ein Widerspruch auf zwei Beinen. Einerseits ist Trumps
älteste Tochter Ivanka orthodoxe Jüdin geworden; israelische Großrabbiner
begrüßten ihre Konversion mit Begeisterung.
Doch Trumps ältere Söhne zeigten sich ebenfalls als begeisterte Gäste von
antisemitischen Talkshow-Mastern und verwenden auf ihren persönlichen
Tweets Symbole, die die Anti-Defamation League als Hasssymbole einstufen,
wie etwa das rechtsradikale Symbol des grünen Frosches Pepe.
Sind einige von Trumps Ministerkandidaten Juden, so ist sein Chefstratege
Stephen Bannon von dem Komiker Peter Mehlman als „rasender Antisemit“
bezeichnet worden. Mehlman ist Autor der Hitsendung „Seinfeld“ und hat
Stephen Bannon zum noch reicheren Mann gemacht, weil Bannon eine
Beteiligung an den immensen „Seinfeld“-Gewinnen besitzt. „Wenn Stephen
Bannon nicht offenkundig ein Antisemit ist, was müsste er noch tun, um es
zu beweisen“, fragt Mehlman in der New York Times, „Woody Allen
erschießen?“
## Unbekümmert antisemitisch
Bannon selbst gibt sich unbekümmert. In einem Interview mit der linken
Zeitschrift Mother Jones über das von ihm geführte ultrarechte
Nachrichtenportal Breitbart News sagte er: „Sehen Sie, es gibt Menschen,
die weiße Nationalisten sind, die sich von der Philosophie der Alt-Right
angezogen fühlen. Und es gibt manche Menschen, die antisemitisch sind, die
sich angezogen fühlen. Richtig? Vielleicht gibt es manche Menschen, die
sich von Alt-Right angezogen fühlen, die homophob sind. Richtig? Aber das
ist genauso, wie wenn gewisse Elemente sich zu den progressiven Linken oder
harten Linken hingezogen fühlen …“
Rechtsradikale sind halt für Stephen Bannon, was Motten für Marlene
Dietrich waren: Sie umschwirren ihn, weil sie da sind, weil er nicht anders
kann. Weniger wolkig hätte er einfach den Erfinder der Alt-Right-Bewegung,
Richard Spencer, erwähnen können, der kurz nach der Trump-Wahl in einem
Washingtoner Hotel „Heil Trump! Heil das Volk! Heil Sieg!“ skandiert hat
und über die liberalen Zweifler im Vorfeld des Trump-Sieges bemerkt: „Man
fragt sich, was für Menschen das sind. Aber sind sie überhaupt Menschen
oder nur seelenlose Golems?“
70 Prozent der jüdischen WählerInnen haben Hillary Clinton gewählt. Linke
jüdische Intellektuelle haben in diesen Wochen eine Protestaktion gegen die
Einstellung von Bannon lanciert. Für sie ist die Nähe von Bannon zu Donald
Trumps Oval Office wohl mindestens so gefährlich wie Trumps Zugang zu den
roten Knöpfen des amerikanischen Bombenarsenals.
Wie aber reimt sich das alles zusammen? Hier sind drei Möglichkeiten: A) Es
handelt sich um einen Scherz. B) Schuld ist, was man, neuerdings auch auf
Neuamerikanisch, „Lügenpresse“ nennt. C): Trump macht diesen obszönen
Spagat, um die Republikanische Partei halbwegs zusammenzuhalten.
Die Antwort ist natürlich: C). Die ganze Inszenierung ist rational
begründet, wenn auch weit davon entfernt, appetitlich zu sein. Doch bereits
Bismarck hat schon gewarnt, dass man bei der Herstellung von Wurst ebenso
wie bei der Herstellung des Gesetzes besser nicht hingucken solle.
Zum Gesetzemachen im Jahr 2016 gehört die wieder siegreiche, aber
gleichzeitig hinfällige Reagan-Koalition. Im Jahr 1980 kamen die Wall
Street und die konservative Arbeiterschaft zum ersten Mal zusammen.
Dazwischen aber gab es Jahre des Niedergangs im industriellen Rostgürtel,
erfolglose Kriege, die Tea-Party-Bewegung. Und jetzt, seit Stephen Bannon
ab 2012 die Website Breitbart News führt, die es auf 19 Millionen Besucher
monatlich gebracht hat, gibt es eine Tea Party, die sich aufführt wie auf
Methamphetamin.
Man sollte nicht unterschätzen, wie bitter der Kampf um die konservative
Diskurshoheit war. Jüdische Journalisten wie Ben Shapiro und Bethany
Mandel, die Breitbart den Rücken gekehrt haben, werden jetzt unflätigst von
antisemitischen Trolls beschimpft. Alle Konservativen, die den
Rechtsradikalen nicht gefallen, werden auf obszöne Art und Weise verfolgt.
Tea-Party-Konservative werden als „Cuckservatives“ beleidigt, in Anlehnung
an ein Porno-Genre, in dem „gehörnte“ weiße Männer passiv zuschauen, wie
ihre Frauen Geschlechtsverkehr mit schwarzen Männern haben.
Aus diesem Sumpf heraus ließ sich Bannon an die Macht hieven. Nun ist der
Wahlkampf vorbei, und Trump und Bannon werden von den vergangenen
Schlammschlachten nicht mehr viel wissen wollen. Fragt sich nur, wie ihr
Experiment mit den Wall-Street-Bankern und der Gosse laufen wird. Wir
werden zuschauen müssen – und es ist kein Reality-TV mehr.
## Nüchterne Zurückhaltung
Der New Yorker Politikberater Hank Sheinkopf hält sich in diesen Tagen mit
seinem Urteil auf uncharakteristische Weise zurück. Es sei unmöglich, viel
über Trump zu sagen, und man müsse sich an die Tatsache halten, dass er
kein Diktator sein wird, sagte er der taz. Die Benennung von Exxon-Boss Rex
Tillerson hält Sheinkopf für bereits passé, Außenpolitiker wie John McCain
haben schon ihre Opposition im Senat angekündigt. Sheinkopf, der auch
orthodoxer Rabbi ist, hält sich auch deswegen zurück, weil er diese
Situation für historisch einmalig hält. Seit dem Indianerkämpfer Andrew
Jackson gab es keinen populistischen Präsidenten in diesem Stil. Und das zu
einer Zeit, in der die amerikanische Rolle in der Welt sehr unklar ist.
Ähnliche Signale hört man auch von Henry Kissinger. Seine Stille ist eine
nüchterne Stille, die sich hütet, den Teufel an die Wand zu malen.
Sheinkopf sagte der taz, dass man bedenken soll, dass Trump auch sehr viel
Wut absorbiert, die sich sonst noch schlimmer äußern könnte.
Dies wäre die Hoffnung, dass Trump eine Art Blitzableiter sein könnte.
Schafft der Mann mit all seinen Widersprüchen das? Um bei Bismarck zu
bleiben: Gott habe einen besonderen Schutz für Kinder, Betrunkene und
Amerikaner eingerichtet. Trump ist alles auf einmal: kindisch,
siegestrunken und hat einen amerikanischen Pass. Vielleicht reicht das.
17 Dec 2016
## AUTOREN
Anjana Shrivastana
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