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# taz.de -- Kolumne German Angst: Bald entnazifiziert?
> Wer die Mitte bedienen will, muss schamlos sein. Morgen ist die Lüge
> vergessen. Rechte Einstellungen scheinen in allen Parteien gut aufgehoben
> zu sein.
Bild: 41 Prozent der Befragten meinen, Muslimen solle die Zuwanderung nach Deut…
Auf seine Mitte lässt Deutschland nichts kommen. Die ist heilig. Nur so
kann man sich die Aufregung um [1][die Studie „Die enthemmte Mitte“ der Uni
Leipzig] erklären.
[2][Alle zwei Jahre mache man die Mitte nieder, sagte Klaus Schroeder dem
Deutschlandfunk.] Für den Extremismusforscher ist die Studie „belanglos“,
überzeichnet. Er muss es wissen, als Autor der „Linksextremismus-Studie“
weiß Schroeder, wo Gefahr lauert.
Nun fallen die Zahlen zum Rechtsextremismus geringer aus, als man bei den
Nachrichten über untergetauchte Nazis und Bürgerangriffe auf
Flüchtlingsunterkünfte vermuten würde. Die Studie zeigt einen Rückgang der
Personen mit einem „geschlossenen rechtsextremen Weltbild“ – im Osten ein
„dramatischer Rückgang“ (FAZ) auf sieben, im Westen auf fünf Prozent. „…
das soll eine ‚enthemmte Mitte‘ sein?“ [3][fragt Jasper von Altenbockum]
enttäuscht.
Dabei übersehen die Kritiker das eigentlich Skandalöse der Ergebnisse. Die
Verteilung eines ausgewachsenen Vorurteilskomplexes im gesamten politischen
Spektrum – gegen Muslime, Flüchtlinge, Sinti, Roma, Juden, Homosexuelle.
## Überhebliche Abgrenzung
41 Prozent der Befragten meinen, Muslimen solle die Zuwanderung nach
Deutschland verboten werden. Die überhebliche Abgrenzung der Aufgeklärten
und Liberalen von den stupiden Donald-Trump-Fans ändert nichts daran, dass
sie viel gemein haben.
43 Prozent der Befragten, die der SPD nahe stehen, finden es „ekelhaft“
wenn zwei Männer oder zwei Frauen sich in der Öffentlichkeit küssen; 24
Prozent sind es unter den Grünen-, 30 unter den Linken-WählerInnen. Auch
die Fremdenfeindlichkeit hat in den Bundestagsparteien eine Heimat: Sie ist
am stärksten in der SPD.
Dass diese Einstellungen offenbar gut aufgehoben sind in allen – allen! –
etablierten Parteien und dort nicht weiter der Rede wert sind, ist der
Skandal. Das ist die Enthemmung.
Da hilft auch der angebliche Rückgang des Antisemitismus nichts (Hurra! Nur
noch 11 Prozent sagen, der Einfluss der Juden sei „auch heute noch zu
groß“, bald ist die Entnazifizierung abgeschlossen!).
## Das Normalwerden des Vorurteils
Auch hier ist der Knackpunkt das Normalwerden eines Vorurteils, denn „ein
Teil der Bevölkerung ist (…) konstant bereit, diese zu äußern“, so die
Studie. Übrigens wurde ein ganzer Komplex ausgeklammert – der Israelhass.
Das könnt man bereits als Symptom nehmen.
Schämen muss sich also kein SPDler, keine Grüne, keinE AnhängerIn der
Linken mehr für die Vorurteile. Wieso auch? Der Staat macht’s vor – im ganz
Großen bei der Vertuschung des NSU-Terrors und im Kleinen, wenn Thomas de
Maizière behauptet, „dass 70 Prozent der Männer unter 40 Jahren vor einer
Abschiebung für krank und nicht transportfähig erklärt werden“.
Wer die Mitte bedienen will, muss schamlos sein. Morgen ist die Lüge
vergessen.
Nur Studien werden an sie erinnern, in denen 59 Prozent der Befragten
glauben, dass die Flüchtlinge nicht verfolgt würden, sondern es sich in
Deutschland nur gut gehen lassen wollen.
So erklärt sich, warum so viele linksliberale Kreuzbergerinnen Flüchtlinge
nicht als Nachbarn haben wollen. So schnell wird eine kleine rassistische
Lüge in den Fängen der Mitte zum Common Sense.
21 Jun 2016
## LINKS
[1] /Studie-zur-politischen-Mitte/!5313851
[2] http://www.deutschlandfunk.de/studie-die-enthemmte-mitte-politologe-haelt-m…
[3] http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/die-leipziger-studie-ueber-rechts…
## AUTOREN
Sonja Vogel
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Vorurteile
Homophobie
Islamfeindlichkeit
Uni Leipzig
Donald Trump
Mitte
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Innenminister Thomas de Maizière
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