# taz.de -- Globale Arbeitsstandards: Menschenrechte sind Kür | |
> Über 1.000 Opfer beim Fabrikeinsturz, hunderte bei Bränden, Suiziden: Was | |
> tun Firmen, um die Standards bei ihren Zulieferern zu verbessern? | |
Bild: Weggucken ist immer eine Option: ausgebrannte Fabrikhalle in Bangladesch | |
BERLIN taz | Viele große deutsche Unternehmen kümmern sich nach eigener | |
Einschätzung zu wenig um die Sozial- und Rechtsstandards in ihren | |
Zulieferfirmen. Erst die Hälfte der befragten Firmen hat überhaupt „eine | |
Prüfung menschenrechtlicher Risiken durchgeführt“.,Das ist das Ergebnis | |
einer Untersuchung des Unternehmensberater Markus Löning (FDP), der von | |
2010 bis 2014 als Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechte im | |
Außenministerium arbeitete. | |
Löning schickte Fragebögen an alle börsennotierten Firmen im Deutschen | |
Aktienindex, außerdem an große Familienunternehmen. Bei rund 300 Anfragen | |
erhielt er 30 anonyme Antworten. Die Leitfrage der Studie lautete: Was tun | |
deutsche Firmen, um in ihrem Verantwortungsbereich Katastrophen wie den | |
Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch 2013 zu vermeiden? | |
Damals starben über 1.000 Menschen. | |
55 Prozent der befragten Firmen gaben an, die Risiken in der | |
Wertschöpfungskette sehr gut, gut, oder „eher ausreichend“ zu überblicken. | |
45 Prozent erklärten dagegen, sich „eher unzureichend“ oder kaum darum zu | |
kümmern, ob die Arbeiter der Zulieferfabriken ausreichende Löhne erhalten, | |
ihre Sicherheit gewährleistet ist, die Maximalarbeitszeiten eingehalten | |
werden und Gewerkschaften zugelassen sind. | |
Warum ist bisher noch nicht mehr passiert? „Die Intensität der Debatte ist | |
relativ neu“, sagte Löning. Erst in den vergangenen Jahren hätten bestimmte | |
Ereignisse die deutsche Öffentlichkeit bewegt. Der Einsturz von Rana Plaza | |
markierte einen Einschnitt. Ähnlich wirkte der Brand der Textilfabrik Ali | |
Enterprise in Karachi, Pakistan, 2012. Und höhere Wellen schlugen auch die | |
Suizide von Arbeitern beim Apple-Zulieferer Foxconn in China ab 2010. | |
Mittlerweile halten fast alle Firmen, die die Fragen beantworteten, das | |
Thema „Menschenrechte“ für relevant, weil sie wirtschaftliche Risiken | |
ausschließen wollen. Im Falle von Skandalen, befürchten sie einen | |
Reputationsverlust und die Abwanderung von Kunden zur Konkurrenz. Ein | |
wichtiger Grund für zusätzliches Engagement sei der Druck durch | |
Nichtregierungsorganisationen, die Missstände thematisieren, heißt es in | |
der Studie. „Eine Rolle spielt auch, dass Arbeitgeber leichter | |
qualifizierte Bewerber finden, wenn sie mit ihrem guten Ruf punkten | |
können“, sagte Löning. | |
Die Bundesregierung plant augenblicklich zwei Vorhaben. Ein nationaler | |
Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte soll strengere Standards | |
definieren. Außerdem müssen ab kommendem Jahr einige hundert große | |
Unternehmen konkretere Berichte über die Menschenrechtslage | |
veröffentlichen. Löning hält diese Berichtspflicht für richtig, findet | |
aber, dass „sie nur ein sehr bescheidener Schritt“ ist. | |
29 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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