# taz.de -- Nach der US-Wahl: „Trump, hör zu, wir kämpfen“ | |
> In den US-Städten protestieren Zehntausende gegen den neuen Präsidenten. | |
> In New York gingen am Sonntag vor allem Immigranten auf die Straße. | |
Bild: „Trump escucha – estamos en la lucha“, rufen die Protestierenden. S… | |
New York | taz „Was ruft ihr?“, fragt eine Frau am Fuß des Trump | |
International Hotel, am südwestlichen Zipfel des Central Park. Eine Latina | |
übersetzt den Slogan und spricht ihn langsam vor, damit die weiße | |
US-Amerikanerin ihn mitrufen kann: „Trump escucha – estamos en la lucha“ … | |
Trump, hör zu, wir kämpfen. Dann ziehen die beiden Frauen zusammen weiter | |
in der Menschenmenge über die 59. Straße bis hin zu dem sechs Block | |
entfernten zweiten Hochhaus in dieser Luxusgegend New Yorks, an der Fifth | |
Avenue, an dem ebenfalls der Name des künftigen Präsidenten der Vereinigten | |
Staaten prangt. Unterwegs brandet ein anderer Slogan auf, der an das Chile | |
von Salvador Allende erinnert: „el pueblo unido – jamás será vencido“ �… | |
vereinte Volk wird nie besiegt werden. | |
Es ist der fünfte Tag nach den Wahlen, ein Sonntag, und wieder sind in | |
vielen Städten der USA Zehntausende auf der Straße, um gegen den gewählten | |
Präsidenten zu demonstrieren. In New York haben dieses Mal | |
Immigrantengruppen zum Protest aufgerufen, und anders als an den | |
vorausgegangenen Wochentagen und -nächten, als vor allem junge Leute auf | |
der Straße waren und in hohem Tempo und mit Slogans wie „Fuck Trump“ durch | |
die Stadt liefen, sind dieses Mal viele Familien gekommen. | |
Das Tempo ist geringer, aber die Spannung ist spürbar. In vielen Familien | |
sind die in den USA geborenen Kinder Staatsangehörige, während die Eltern | |
als „Illegale“ ins Visier des künftigen Präsidenten geraten sind und | |
jederzeit abgeschoben werden können. #HereToStay stand auf dem Aufruf der | |
Immigrantengruppen. Die Menschen rufen Slogans auf Englisch und Spanisch. | |
Und ihre handgemalten Transparente verteidigen die Aufenthaltsgenehmigungen | |
für Studenten und den Zusammenhalt von Familien. | |
„Einwanderer sind willkommen“, lautet ein Slogan der „Anglos“ in der Me… | |
Ein anderer: „Liebe Deine Nachbarn“. Viele Demonstranten schwören, dass sie | |
da sein werden, wenn die Polizei kommt, um papierlose Latinos abzuschieben. | |
Manche tragen eine der Sicherheitsnadeln an Revers und Mützen, die in den | |
vergangenen Tagen zu einem Symbol der Bewegung gegen Trump geworden sind. | |
„Meine Sicherheitsnadel bedeutet, dass ich Menschen in Not helfen und sie | |
schützen werde“, erklärt die 31-jährige Ingenieurin Rose. | |
## Eine Ohrfeige für die Minderheiten | |
Während sich der Zug in New York am frühen Sonntagnachmittag in Bewegung | |
setzt, gibt Trumps Übergangsteam in Washington die [1][Namen mehrerer | |
künftiger Amtsträger] bekannt. Einer davon ist eine Ohrfeige für die | |
Minderheiten im Land: Steve Bannon, ein Ideologe der radikalen Rechten, der | |
seine Anhänger bei weißen Nationalisten und dem Ku-Klux-Klan hat, wird | |
Trumps „Chefstratege“ im Weißen Haus. | |
Wes Geistes Kind Bannon ist, zeigte er unter anderem, ein paar Tage nachdem | |
ein weißer Rassist im Juni 2015 ein Massaker in einer schwarzen Kirche in | |
Charleston angerichtet hatte. Damals verschwanden landesweit | |
Konföderierten-Fahnen, die an das Sklavereiregime in den Südstaaten | |
erinnerten, aber das von Bannon geführte Medium „Breitbart News“ ließ die | |
„ruhmvolle Konföderiertenflagge“ hochleben. Das auf die Beobachtung von | |
Hassgruppen spezialisierte „Southern Poverty Law Center“ nennt den | |
künftigen Chefstrategen einen „Ethno-Nationalisten“. | |
„Macht Amerika wieder sicher“, steht auf dem Transparent der 22-jährigen | |
Modedesignerin Brenna Dolan. Wie viele in der New Yorker Demonstration war | |
sie eine Anhängerin des demokratischen Sozialisten Bernie Sanders, die am | |
letzten Dienstag zähneknirschend für Hillary Clinton gestimmt hat. Sanders, | |
so glaubt sie, hätte gegen Trump gewinnen können. Jetzt hofft sie, dass die | |
vielen Gleichaltrigen um sie herum, die sich nicht mit Politik befassen | |
wollten – „weil das zu negativ ist“ –, endlich verstehen, dass sie ihre | |
„Nation von Immigranten“ verteidigen müssen. „Dies ist wie Deutschland im | |
Jahr 32. Wir werden bald die Wahl haben, entweder Oskar Schindler oder | |
Zuschauer zu sein“, meint der 35-jährige Anwalt Gandeep Kadhari. Für ihn | |
geht es darum, zu „protestieren“, zu „mobilisieren“ und sich auf die | |
kommenden harten Zeiten vorzubereiten. „Wir sind die Stimme der Mehrheit“, | |
skandieren manche. | |
Fünf Tage nach den Wahlen steht zwar fest, dass Trump die Mehrheit der | |
„Wahlleute“ hat, die ihn am 19. Dezember zum Präsidenten wählen werden, | |
doch insgesamt hat Clinton mehr Stimmen bekommen. Wenn alle Wahlzettel | |
ausgezählt sein werden, könnte sie mit mehr als einer Millionen Stimmen vor | |
dem künftigen Präsidenten liegen. Für die Demokraten wiederholt sich damit | |
das Drama von 2000, als ihr Kandidat Al Gore zwar einen Vorsprung von | |
500.000 Stimmen vor dem Republikaner George W. Bush hatte, Bush aber in den | |
entscheidenden Bundesstaaten die Mehrheit der Wahlleute bekam. „Wahlleute – | |
folgt eurem Gewissen“, hat die 38-jährige Haarstylistin Melissa auf ihr | |
Transparent geschrieben. Sie will glauben, dass die Wahlleute das Land | |
davor bewahren könnten, „uns unsere Rechte und die Fortschritte von | |
Jahrzehnten zu nehmen“. | |
## „Hands Too Small To Build That Wall“ | |
Doch für die meisten Demonstranten an diesem Sonntag in New York ist | |
Clinton bereits Vergangenheit. Manche haben gar nicht erst für sie | |
gestimmt. Tom ist einer von ihnen: „Wegen Benghazi und wegen ihres Problems | |
mit dem Geld“. An diesem Sonntag hat er ein Transparent mit einem Appell an | |
Trump an seinem Rollstuhl befestigt: „Mach' Dich nicht lustig über mich!“. | |
Er habe keine Angst vor der Zukunft, sagt der 59-Jährige: „Vielleicht, weil | |
ich seit zehn Jahren in diesem Stuhl sitze“. | |
In der Geschichte der USA ist nie ein Präsident ab dem Moment seiner Wahl | |
auf so heftigen Widerstand gestoßen wie Trump. Der hat zwar in der | |
Wahlnacht erklärt, er wolle der „Präsident aller Amerikaner“ sein. Doch er | |
zeigt kein Verständnis für die Sorgen seiner Landsleute. In seinem ersten | |
Interview nach der Wahl spricht er am Sonntagabend verächtlich von | |
„professionellen Demonstranten“. Seine Mitarbeiterin Kellyanne Conway will, | |
dass die Protestierenden endlich von der Straße verschwinden. Sie fordert | |
die gescheiterte Kandidatin Clinton und den Präsidenten Barack Obama dazu | |
auf, die Menschen „zur Ruhe zu rufen“. | |
Doch in New York warten die Demonstranten nicht auf eine Weisung von oben. | |
Sie wissen, dass sie gegen Trump und seine Mehrheit in den beiden Kammern | |
des Kongress, in der Mehrheit der Bundesstaaten und bald auch im Supreme | |
Court nur auf ihre eigenen Kräfte setzen können. Sowie auf das Prinzip | |
Hoffnung: „Hands Too Small To Build That Wall“ – diese Hände sind zu kle… | |
um die Mauer zu bauen, skandieren sie vor einem der beiden Trump-Häuser. | |
14 Nov 2016 | |
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## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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