# taz.de -- Neues Medienprojekt von Can Dündar: Gegen die „Hetzpropaganda“ | |
> Die Türkei beschneidet die Pressefreiheit. Ein türkischer Journalist und | |
> das Berliner Recherche-Kollektiv „Correctiv“ wollen dagegenhalten. | |
Bild: Nicht hinter Gittern, nur hinter Deko: Can Dündar bei der Verleihung des… | |
BERLIN taz | Can Dündar ist sehr beschäftigt in diesen Tage. Seit er Mitte | |
August seinen Posten als Chefredakteur der türkischen Zeitung Cumhuriyet | |
abgegeben hat, lebt er in Deutschland. Er kolumniert weiter für seine | |
Zeitung, aber [1][auch für deutsche Medien], trifft Journalisten und | |
Aktivisten in Deutschland. Am Freitag erhielt er den Leipziger „Preis für | |
die Freiheit und Zukunft der Medien“. Die Grünen im Europaparlament haben | |
ihn gerade [2][für den Sacharow-Preis für geistige Freiheit vorgeschlagen]. | |
Dündar ist ein Held in Deutschland – spätestens, seit er im Mai diesen | |
Jahres mit einem Kollegen der Cumhuriyet in der Türkei wegen | |
Geheimnisverrats zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurde. | |
Diese Bekanntheit will er nun nutzen. Zusammen mit dem gemeinnützigen | |
Recherche-Büro Correctiv plant er, ein türkischsprachiges Medium | |
aufzubauen. Am Samstag hat das Team [3][eine Webseite veröffentlicht]. | |
Viele Informationen stehen dort noch nicht, denn noch wissen Dündar und | |
Correctiv nicht, wie ihr „Recherchezentrum“ aussehen soll – welche | |
Verbreitungswege, welche Formate, welche Redakteure. Nur so viel sei klar: | |
Es soll möglichst noch dieses Jahr losgehen, sagt Correctiv-Gründer David | |
Schraven. | |
Seit gut eineinhalb Jahren plane die Correctiv-Redaktion ein türkisches | |
Medium. Bisher habe sie in der Türkei aber keine geeigneten Partner | |
gefunden. Das hat sich nach dem Putschversuch im Juli geändert: Auch durch | |
Dündars Kontakte ist die Correctiv-Redaktion nun im Gespräch mit | |
Journalisten aus der Türkei. Das Interesse an dem Projekt ist immens, sagt | |
Schraven. „Es gibt ja kaum noch unabhängige Medien in der Türkei. Auf die | |
meisten Türken – in der Türkei und in Deutschland – schallt nur | |
Hetzpropaganda ein. Da muss man jetzt gegenhalten.“ Und Gegenhalten geht am | |
besten in der Mutterprache, deswegen sollen die meisten Berichte auf | |
Türkisch sein. | |
Can Dündar hat die Nachricht in der vergangenen Woche in türkischen Medien | |
verbreitet. „Viele Journalisten sind arbeitslos, viele Kollegen wurden | |
rausgeschmissen“, sagt er in einem Youtube-Video am Mittwoch. „Deswegen ist | |
es mein Ziel, hier das zu versuchen, was uns in der Türkei nicht gelungen | |
ist, weil uns dort die Hände und Füße gebunden sind“. | |
Gegenüber der taz wollte Dündar noch nichts Konkreteres über seine Plänen | |
erzählen, auch weil er seine Frau nicht gefährden möchte. Die türkischen | |
Behörden haben im September ihren Pass eingezogen, so dass sie das Land | |
nicht verlassen kann. Nur eines ist Dündar wichtig zu betonen: „Niemand | |
kann die Stimme der Wahrheit auslöschen. Das wollen wir der Welt einmal | |
mehr zeigen.“ | |
## Verhaltene Reaktion in der Türkei | |
Seit dem Putschversuch stehen türkische Medien stärker unter Druck. Erst | |
vergangene Woche hatten die türkischen Behörden zwölf Fernseh- und elf | |
Radiosendern wegen angeblicher Gefährdung der nationalen Sicherheit [4][die | |
Sendeerlaubnis entzogen]. Laut der Europäischen Journalisten Föderation | |
sitzen derzeit 97 Journalisten im Gefängnis. Dündar selbst ist zu einer | |
knapp [5][sechsjährigen Haftstrafe verurteilt worden], weil er über | |
türkische Waffenlieferungen an Islamisten in Syrien berichtet hatte. | |
Türkische Medien reagierten verhalten auf Dündars Ankündigung. Auf Twitter | |
kommentierten einige Journalisten argwöhnisch, die Pro-Regierungsmedien | |
haben bislang gar nichts dazu geschrieben. Vermutlich warten sie ab, wer | |
das Projekt finanzieren wird. | |
Denn das ist eine der größten Fragen, sagt David Schraven. Bei Correctiv | |
haben sie gute Erfahrungen mit Mischfinanzierung gemacht: Leser spenden, | |
Stiftungen geben Geld, für einzelne Recherchen gibt es Projektmittel. So | |
etwas könnte sich Schraven nun auch wieder vorstellen – die Frage ist nur, | |
woher das Geld dann kommt. „Das Schwierigste wird sein, das Geld aus der | |
Türkei raus zu bekommen. Überweisungen von der Türkei nach Deutschland sind | |
kompliziert. In der Türkei ein Konto eröffnen, ist es auch.“ | |
Um all diese Fragen werden sich Schraven und Dündar nun kümmern. Der Moment | |
ist günstig, denn das Interesse an der Türkei ist so groß wie lange nicht | |
mehr. | |
8 Oct 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://www.zeit.de/serie/meine-tuerkei | |
[2] http://www.europarl.fr/fr/espace-presse/prix-sakharov-2016-les-nomin%C3%A9s… | |
[3] http://correctiv.org/l/tuerkei/ | |
[4] /Neue-Zensurwelle-in-der-Tuerkei/!5345031/ | |
[5] /Prozess-gegen-tuerkischen-Journalisten/!5302238/ | |
## AUTOREN | |
Ali Celikkan | |
Anne Fromm | |
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