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# taz.de -- Eskalation in der Hamburger Hafenstraße: Polizei bricht ein
> Die „Task Force Drogen“ wollte die „Volxküche“ stürmen, um einen
> vermeintlichen Dealer zu überprüfen. Pfefferspray-Einsatz und vier
> vorläufige Festnahmen.
Bild: Von der Polizei heimgesucht: Häuser in der Hafenstraße.
HAMBURG taz | An der ehemals besetzten Häuserzeile in der Hafenstraße
eskaliert die Situation durch die neue polizeiliche „Task Force Drogen“
zusehends: Am Donnerstagabend versuchten Drogenfahnder in die so genannte
„Volxküche“ einzudringen, um einen vermeintlichen Marihuana-Dealer
festzunehmen. Erst nach einer Stunde stufte der Einsatzleiter sein Vorgehen
als „unverhältnismäßig“ ein.
Zivilfahnder wollten um 18.24 Uhr unterhalb der Balduintreppe zwei
Afrikaner beim Dealen beobachtet haben, die laut Polizei zur „hartnäckigen
Dealerszene“ gehören. Als die Fahnder die beiden überprüfen wollten, seien
diese geflüchtet. Einer der beiden Männer aus Gambia sei jedoch im Hof der
Volxküche festgenommen worden, der andere Mann sei vermutlich mit zwei
Gramm Marihuana durch ein Fenster in die Volxküche geflüchtet.
Andere Polizisten setzten nach und wollte in die Volxküche eindringen.
Dabei kam es zu Rangeleien mit zufällig anwesenden Anwohnern, gegen die
auch Pfefferspray eingesetzt wurde. „Die Bullen waren äußerst aggressiv und
die Zivis waren große Brocken, die zulangen können, da ist nicht viel mit
diskutieren“, berichtet eine Hafensträßlerin. Vier Personen wurden bei den
Rangeleien vorübergehend festgenommen.
Die Volxküche wurde von zusätzlich alarmierten Bereitschaftspolizisten
umstellt, dabei drangen sie in den Garten des Wohnprojektes „Plan B“ ein.
Dann ließ die Polizei die Eingangstür zur Volxküche durch die Feuerwehr
aufbrechen. Dennoch war ein Eindringen nicht möglich, da die Tür
Polizeiangaben zufolge von „innen mit einer Bierzeltgarnitur“ aus Tischen
und Bänken „verbarrikadiert“ war. „Die Tür war tatsächlich verbarrikad…
so dass sie nur einen Spalt aufging“, bestätigt ein Augenzeuge. Auch das
Eindringen durch ein Fenster misslang der Polizei.
Die herbeigeeilten Anwältinnen der Hafenstraße Britta Eder und Alexandra
Wichmann intervenierten dahin gehend, dass die Polizei für eine
Durchsuchung der Volxküche einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss
benötige. „Gefahr im Verzug“ könne sie nicht geltend machen, da durch das
Umstellen der Volxküche mit Polizisten „kein Beweismittelverlust besteht“.
Der Einsatzleiter ignorierte diesen Hinweis zunächst und berief sich
weiterhin auf „Gefahr im Verzug“. Erst später ließ er die Polizeiaktion
nach eineinhalb Stunden abbrechen. „Aufgrund des zeitlichen Verlaufs war
die Wahrscheinlichkeit gesunken, den Gesuchten noch anzutreffen“, begründet
Polizeisprecher Timo Zill den Abbruch. „Dann müssen wir nach
Strafprozessordnung das Durchsuchen auch sein lassen.“ Darum habe man
darauf verzichtet, „die Verbarrikadierung aufzulösen“.
Zudem hätten sich zwischenzeitlich rund 60 Personen aus der linken Szene am
Ort des Geschehens eingefunden, die lautstark ihren Unmut über den
Polizeieinsatz artikuliert hätten, so Zill. Anwältin Eder bleibt jedoch
dabei: „Die Polizei hätte für eine Durchsuchung frühzeitig über einen
Staatsanwalt einen Eilrichter einschalten müssen.“
Erst Anfang der Woche hatte die Polizei nach wochenlangem
Belagerungszustand der Hafenstraßen-Häuser weiter an der Eskalationsspirale
gedreht. Sie ließ in Amtshilfe durch Landschaftspfleger des Bezirksamts
Mitte vor der Häuserzeile Sträucher, Büsche, Blumen und kleine Bäume
fällen, um einen besseren Durchblick zu bekommen, was sich rund um die
Balduintreppe abspielt. Zuvor hatte die Polizei zwei zusätzliche
Laternenmasten aufstellen lassen, um das Areal bei Dunkelheit besser
ausleuchten und einsehen zu können. Die Masten wurden jedoch von
Unbekannten abgesägt.
Was sich erst einmal wie eine Posse anhört, trifft jedoch auch den Nerv der
HafensträßlerInnen: „Das ist eine neue Qualität, eine neue Ebene, auf der
die Bullen in unsere Lebensqualität eingreifen“, sagt eine Bewohnerin. Die
Bäume und Sträucher seien liebe- und mühevoll gepflanzt worden. „Das geht
einem schon auf die Nerven.“
14 Oct 2016
## AUTOREN
Kai von Appen
## TAGS
Hafenstraße
Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg
Polizei
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