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# taz.de -- Racial Profiling in Hamburg: Polizei kopiert sich selbst
> Immer wieder werden Geflüchtete angeklagt, mit Kleinstmengen Marihuana zu
> dealen. Eine Anwältin wirft der Polizei Copy-and-Paste-Anklagen vor.
Bild: Im Gefahrengebiet ist vieles möglich: Kontrolle ohne Verdacht, Copy-and-…
Hamburg taz | Ein zwanzigjähriger Geflüchteter muss sich in Hamburg vor dem
Strafgericht verantworten, weil er mit einem halben Gramm Marihuana
gehandelt haben soll. Außerdem wird ihm Widerstand gegen
Vollstreckungsbeamte vorgeworfen. Der Angeklagte K. war Ende Februar in
einer Wohnung in der Hafenstraße festgenommen worden, in die er sich
geflüchtet hatte, als ihn drei PolizistInnen überwältigen wollten. Sie
überrannten die Besitzerin der Wohnung, die in der Tür stand, und setzten
Pfefferspray in ihrem Wohnzimmer ein.
Ein Polizeibeamter in Zivil will K. beobachtet haben, wie er einige Stunden
vor der Festnahme in der Hafenstraße Gras verkauft haben soll. Am Abend
nahmen PolizistInnen dann einen anderen Geflüchteten am gleichen Ort fest –
auch wegen Handels mit Kleinstmengen Marihuana. Der Zivilpolizist sei
hinzugeeilt und habe zufällig K. wiedergesehen. Es folgten der
Pfeffersprayeinsatz und die Festnahme. K. soll gefuchtelt und um sich
geboxt haben – daher der Vorwurf des Widerstands. Ein Polizist sagte aus,
K. habe noch „Fuck the Police“ gerufen. Er kam für zwölf Tage in
Untersuchungshaft.
Ein anderer Polizist, der dabei war, ist sich nicht sicher, ob er sich an
den Einsatz im Februar erinnert. Die Einsätze ähnelten sich immer so, sagte
er der Richterin. Mehrmals täglich werde er zur Hafentreppe geschickt, wo
es immer ähnlich ablaufe: „Wir finden immer das gleiche Klientel vor,
meistens Schwarzafrikaner, die vor uns weglaufen.“ Ob er den Angeklagten an
dem Tag dort gesehen habe, könne er nicht sagen – „Europäer haben ja
Probleme, Schwarzafrikaner auseinanderzuhalten.“
Die Anwältin des 20-Jährigen, Alexandra Wichmann, wirft den PolizistInnen
Racial Profiling vor. Einige Tage vor der Verhaftung wurde ihr Mandant
kontrolliert – in einem sogenannten Gefahrengebiet ist das auch ohne
konkreten Verdacht möglich. Dabei fanden die PolizistInnen 0,5 Gramm
Marihuana. Obgleich sie keine Übergabe beobachtet hatten, lautet der
Vorwurf auch hier: erwerbsmäßiger Handel. Dass Gefahrengebiete als
verfassungswidrig gelten, habe der Polizist im Zeugenstand nicht gewusst,
sagte er aus.
## Anzeigen am Fließband
Außerdem wirft die Verteidigerin dem Zivilpolizisten vor, im
Copy-and-Paste-Verfahren Anzeigen gegen Geflüchtete zu schreiben. So haben
zwei von ihm verfasste Anzeigen den gleichen Wortlaut, inklusive des
gleichen Kommafehlers. Es soll sich aber um zwei verschiedene Taten
handeln: zwei Übergaben von Marihuana, die der Polizist beobachtet haben
will.
Wichmann vermutete, dass hier Anzeigen am Fließband verfasst würden: „Das
ist symptomatisch für ein Verfahren gegen schwarze Menschen, die unter
Verdacht geraten, in der Hafenstraße mit Kleinstmengen Marihuana zu
handeln.“ Dahinter stehe offenbar die Auffassung, der Ort und die Tatsache,
dass die Verdächtigen schwarz sind, genügten, um den Tatverdacht zu
begründen.
Der Zivilpolizist rechtfertigte sich für die gleich lautenden Anzeigen:
„Ich bin unkreativ.“ Die Beobachtungen ähnelten sich häufig, daher habe er
wohl den Wortlaut übernommen. Ob er es kopiert habe, erinnere er nicht.
Das Urteil gegen den Zwanzigjährigen will die Richterin am 28. September
verkünden. Auch gegen den Zivilpolizisten läuft noch ein Verfahren – die
Bewohnerin der Wohnung, in der Pfefferspray eingesetzt wurde, hat ihn wegen
Körperverletzung im Amt angezeigt.
16 Sep 2016
## AUTOREN
Katharina Schipkowski
## TAGS
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