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# taz.de -- Rassismus im Alltag: Racial Profiling ist eine Tatsache
> Zwar will Bremens Polizeiführung die illegalen Kontrollen aufgrund der
> Hautfarbe stoppen. Aber geklappt hat das noch nicht ganz.
Bild: Kleiner Hinweis für die Polizei: Protest gegen Racial Profiling
BREMEN taz | Die als „Racial Profiling“ bezeichneten diskriminierenden
Polizeikontrollen finden statt, auch in Bremen. „Und zwar tagtäglich“,
betont eine Sprecherin der Gruppe „Kampagne für Opfer rassistischer
Polizeigewalt“ (KOP) Bremen. Die Gruppe dokumentiert einschlägige
Beobachtungen und berät Betroffene. Auch die taz hat Hinweise auf solche
Vorfälle.
Bestreiten kann auch die Polizei das Problem nicht. „Ich glaube schon, dass
Polizeibeamte eventuell dazu neigen, Personen, die fremd erscheinen,
stärker zu kontrollieren“, sagt Thomas Müller, Integrationsbeauftragter der
Bremer Polizei.
„Racial“ oder „Ethnic Profiling“ bezeichnet polizeiliche Maßnahmen, die
allein aufgrund „ethnischer“ Merkmale durchgeführt werden. Sie sind
gesetzwidrig. Dabei ist aber die Grenze zur legalen Polizeiarbeit schwierig
zu bestimmen. Denn „Profiling“ ist an sich ein rechtmäßiges Verfahren der
Strafverfolgung. Es bezeichnet das Einordnen von Menschen in Kategorien,
aus denen auf typisches Verhalten geschlossen werden könne – so steht es in
einem Handbuch, das auch die Bremer Polizei verwendet.
## Eine Schulung ist geplant
Diskriminierend ist aber, wenn Menschen mit schwarzer Hautfarbe oder
vermeintlichem Migrationshintergrund unter Generalverdacht gestellt werden.
Entsprechend rügte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Koblenz schon 2012 die
Bundespolizei, die Kontrollen aufgrund der Hautfarbe durchführte: Als
Maßnahme gegen illegale Einreise gedacht, verstößt die Praxis gegen das
Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes.
Bei der Bremer Polizei möchte man dem, was dort etwas zahmer „Ethnisches
Profiling“ heißt, entgegenwirken. Dazu gab es im vergangenen Jahr schon den
zweiten Fachtag, initiiert von der „Initiative Schwarze Menschen in
Deutschland“. Auch möchte man von Großbritannien und den Niederlanden
lernen, die schon weiter seien, so Müller der taz. Dazu sei im Frühjahr
eine Schulung für Führungskräfte geplant. Auch in der Ausbildung werde das
Thema aufgegriffen. Das sei in Deutschland bisher jedoch einzigartig.
Die Reflexion eigener Vorurteile sei dabei ausschlaggebend. „Man muss den
Beamten klarmachen, dass sie sich in einer permanenten Ausnahmesituation
befinden, die ihre Sicht auf die Gesellschaft verändert. Sie müssen lernen,
mit ihren Vorurteilen umzugehen“, stellt Müller fest.
Praxis ist das offenbar nicht: Am Donnerstag fand wieder eine Drogenrazzia
am Ziegenmarkt im Viertel statt, als einer von sechs „besonderen
Kontrollorten“ hat die Polizei hier erweiterte Zugriffsmöglichkeiten. Mit
einem Schlag sind alle Menschen mit schwarzer Hautfarbe von der Straße
verschwunden.
Als das Dienstfahrzeug sich zurück auf der Sielwall-Kreuzung befindet, sind
sie wieder da, auffällig oft mit Mobiltelefon am Ohr. „Wenn ‚general
control‘ ist, sprechen wir uns mit unseren Freunden übers Handy ab“,
erklärt ein junger Mann mit Brille und Wollmütze, der an der Ecke
Ritterstraße steht und anonym bleiben möchte. „Weil dann alle Schwarzen und
Araber kontrolliert werden.“ Das zeigt, wie wenig zielführend die
Kontrollen gegen eine Zielgruppe sind, die gut vernetzt ist.
## Stehen bleiben – Zeuge werden
Bei einer Razzia am 6. Oktober wurden laut Protokoll allein sieben
Platzverweise erteilt. Das kann besonders Zeugen treffen, die sich
einmischen. Auch wenn die Beamten Beistand oder Dokumentation eigentlich
akzeptieren müssen. Eine Sprecherin von KOP Bremen meint, dass Beamte
ungehaltener seien und schneller Platzverweise erteilen würden, seitdem
Leute aufmerksamer bei Kontrollen seien und sich einmischen würden.
Trotzdem fordert Rebecca Gotthilf von der „People of Color Hochschulgruppe
Bremen“ Außenstehende auf: „Seid Zeuge oder Zeugin. Bleibt stehen!“ Das
bringe PolizistInnen unter Rechtfertigungsdruck. Die 22-jährige
Politikstudentin klärte vergangene Woche an der Uni in einem Vortrag über
„Racial Profiling“ auf. Ein Freund von ihr war selbst betroffen gewesen.
Deshalb hatte sie begonnen sich über Handlungsmöglichkeiten zu informieren.
Auch Tim F., ein Student aus Oberneuland, ist deshalb zum Vortrag gekommen.
Am Vortag war er mit dem Fahrrad auf dem Weg nach Hause, als ihm ein
Polizeiauto den Weg abschneidet. Die Beamten springen aus dem Wagen und
fordern seine Papiere. Sie hätten einen Anruf erhalten, dass ein
Dunkelhäutiger mit Mütze sich in der Nähe aufhalte und eine alte Frau
überfallen habe, behaupten sie.
F. leistet keinen Widerstand und gibt den Beamten seinen Ausweis.
Vielleicht würden sie sich wieder bei ihm melden, heißt es zum Abschied
noch. Das Erlebnis hat ihn verunsichert: „Je mehr ich darüber nachgedacht
habe, desto mehr Zweifel hatte ich, dass da wirklich ein Anruf gewesen
war“, sagt der 26-Jährige. „Ich glaube, es war eher wegen meiner
Hautfarbe“.
Der Integrationsbeauftragte Müller meint, Tim F. habe wenig Chancen auf
Widerspruch. „In der Nahbereichsfahndung darf die Polizei Verdächtige
kontrollieren, Verkehrsteilnehmer nach Straßenverkehrsordnung sogar ohne
Grund.“
## Beschwerdestelle fehlt noch
Auch darf sie laut Polizeigesetz zur „Abwehr einer Gefahr“ die Identität
einer Person feststellen. In den sechs „besonderen Kontrollgebieten“ wie im
Steintor-Viertel oder rund um den Hauptbahnhof „auch ohne Vorliegen
weiterer Verdachtsmomente“. Eine explizit rassistische Kontrolle sei schwer
nachzuweisen.
Die Polizei stehe nun mal unter Kontrolldruck, wirbt Müller für
Verständnis. Wer jedoch ungerechtfertigt kontrolliert würde, sollte das
Gespräch suchen – mit seiner Integrationsstelle oder direkt mit den
Polizeikräften vor Ort. Die von Amnesty International geforderte und von
Polizeipräsident Lutz Müller befürwortete unabhängige externe
Beschwerdestelle nach britischem Vorbild gibt es allerdings bis heute noch
nicht.
14 Oct 2016
## AUTOREN
Elisabeth Nöfer
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Polizei Bremen
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