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# taz.de -- Urteil in Frankfurt/M.: Im Zweifel für den Angeklagten
> Rassismus im Dienst: Das Frankfurter Landgericht verurteilt einen
> Polizisten zwar wegen Beleidigung, aber nicht wegen Körperverletzung.
Bild: Protest gegen Polizeigewalt am 1. Mai in Berlin
Frankfurt am Main taz | Ein 35-jähriger Polizist ist am Dienstag in der
Berufungsinstanz vom Vorwurf der Körperverletzung im Amt freigesprochen
worden. Das Landgericht Frankfurt verurteilte ihn jedoch wegen Beleidigung
zu einer Geldstrafe in Höhe von 20 Tagessätzen à 70 Euro. Dem Beamten war
vorgeworfen worden, im Oktober 2012 einen damals 41-jährigen Mann
äthiopischer Herkunft als „dummen Schwätzer“ bezeichnet und durch mehrere
Schläge und einen Tritt verletzt zu haben.
Im November 2013 war Matthew S. vom Amtsgericht der Körperverletzung im Amt
schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe in Höhe von 8.400 Euro
verurteilt worden. Der Polizist ging gegen das Urteil in Berufung, deshalb
kam es zu einer erneuten Beweisaufnahme vor dem Landgericht.
Hintergrund des Verfahrens war ein Vorfall im Oktober 2012. Angefangen
hatte alles damit, dass der in Äthiopien geborene Derege Wevelsiep an einer
U-Bahn-Station mit dem Fahrscheinprüfdienst diskutierte. Seiner Verlobten
wurde vorgeworfen, ohne gültiges Ticket unterwegs gewesen zu sein. Eine
Kontrolleurin sagte schließlich: „Ihr seid hier nicht in Afrika.“
Die zur Klärung der Situation herbeigerufenen PolizistInnen wollten die
Personalien von Wevelsiep aufnehmen. Ein vorgelegter Dienstausweis reichte
den BeamtInnen nicht. Sie entschieden, mit dem Ingenieur in seine Wohnung
zu fahren.
## Beschimpfungen und Schläge
Am Polizeiwagen sollte Wevelsiep gefesselt werden. Er protestierte dagegen,
rief seinen Vater an und bat ihn um Hilfe. Matthew S. habe dann die Geduld
verloren: Der Polizist soll Wevelsiep das Mobiltelefon abgenommen, ihn als
„dummen Schwätzer“ bezeichnet und mehrfach geschlagen haben.
Neben einer Platzwunde über dem linken Auge diagnostizierte das Krankenhaus
später eine leichte Gehirnerschütterung und diverse Prellungen. Einig waren
sich alle Prozessbeteiligten darin, dass Wevelsiep vor den polizeilichen
Maßnahmen unverletzt war. Wie seine Verletzungen zustande kamen, darüber
gingen die Meinungen auseinander.
Der angeklagte Polizist wies die Vorwürfe von sich. Wevelsiep sei
unkooperativ, renitent und aufbrausend gewesen, sagte S. in seiner
Einlassung. Man habe „mit Engelsgeduld auf ihn eingeredet“, so der Beamte.
Der Angeklagte gab an, er habe genau sehen können, wie Wevelsiep während
der Fesselung durch sein Zappeln mit dem Kopf gegen den Streifenwagen
gestoßen sei. In der Vorinstanz hatte er diese Version bloß als Möglichkeit
in den Raum gestellt.
## Richterin spricht von „falsch verstandener Solidarität“
Die drei KollegInnen des Angeklagten wollen keinen Schlag gesehen haben und
erinnern sich auch sonst an relativ wenig. In der Urteilsverkündung spricht
die Vorsitzende Richterin Beate Menhofer-Woitaschek in diesem Zusammenhang
von „falsch verstandener Solidarität und einem zweifelhaften
Rechtsverständnis“. Gegen die drei BeamtInnen laufen seit dem Schuldspruch
des Amtsgerichts Ermittlungsverfahren wegen möglicher Falschaussagen.
An insgesamt fünf Verhandlungstagen wurden mehr als 20 Zeugen gehört.
Ausschlaggebend war am Ende aber das Gutachten des eigens für die
Berufungsinstanz einbestellten Rechtsmediziners: Die von Wevelsiep
geschilderten Verletzungshandlungen seien zwar denkbar, aber klinisch
letztlich nicht „objektivierbar“, so der Sachverständige. Wegen des
Grundsatzes „Im Zweifel für den Angeklagten“ sei die Kammer schließlich z…
Freispruch gelangt.
Der Fall hatte damals für bundesweites Aufsehen gesorgt und eine Debatte
über Rassismus und Polizeigewalt entfacht. Die Initiative Schwarze Menschen
in Deutschland (ISD) hatte den Prozess von Anfang an begleitet. Sie
betrachtet die Vorkommnisse als eine Folge des Racial Profiling. Eine
Sprecherin bezeichnete die Entscheidung als „hartes Urteil“, das „die
Erfahrungen des Opfers ungeschehen“ mache.
31 May 2016
## AUTOREN
Jonas Fedders
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