# taz.de -- Polizeigewalt in Bremerhaven: Ab in die Klapse | |
> Er wollte auf dem Stadtfest gegen die Bundeswehr protestieren. Die | |
> Polizei schnitt ihm die Haare ab und steckte ihn in die Psychiatrie. | |
Bild: Ziel der Protestaktion: Panzer der Bundeswehr beim „Seestadtfest“ in … | |
BREMEN taz | Die Haare sind ab. Bis zum Wochenende hatte M. noch lange | |
Dreadlocks. Übrig sind davon jetzt nur noch kärgliche, wenige Zentimeter | |
kurze Büschel. Der Rest wurde ihm am Sonntag in Gewahrsam der Polizei | |
Bremerhaven gewaltsam gestutzt, bevor ihn die BeamtInnen in die Psychiatrie | |
einliefern ließen. Die Polizei behauptet, M. habe versucht, sich auf der | |
Wache das Leben zu nehmen. „Totaler Quatsch“, sagt dieser der taz. M. will | |
Anzeige erstatten wegen Körperverletzung durch die Polizei, vielleicht auch | |
wegen Freiheitsberaubung – gerade ist er auf dem Weg zu seinem Anwalt. | |
M. war wegen der Teilnahme an einer Protestaktion gegen die Bundeswehr beim | |
„Seestadtfest“ in Bremerhaven verhaftet worden. Die Bundeswehr hatte sich | |
mit einem Sanitätspanzer dort präsentiert. Bei einem „Die-In“ hatten sich | |
ungefähr 50 teils noch minderjährige AktivistInnen mit rot angemalten | |
T-Shirts auf den Boden gelegt, um, wie sie sagen, „das Werben fürs Sterben“ | |
zu stören. | |
Ein paar von ihnen kletterten auf den Panzer, einer kettete sich dort oben | |
an. „Die Polizei war völlig überfordert, hat direkt Verstärkung geholt und | |
mit dreißig, vierzig Mann ziemlich unsanft die am Boden gebliebenen | |
AktivstInnen weggeschubst“, berichtet Sebastian Rave, Mitglied des Bremer | |
Landesvorstandes der Linkspartei, der ebenfalls an der Aktion teilgenommen | |
hat. Die anderen seien gebeten worden, den Panzer zu verlassen. Dem hätten | |
drei DemonstrantInnen auch Folge geleistet, sechs jedoch nicht – darunter | |
auch M.. | |
Irgendwann habe sich plötzlich der Panzer in Bewegung gesetzt, trotz | |
Menschen auf dem „Oberdeck“ und trotz der Tatsache, dass sich dort jemand | |
am Hals angekettet hatte: „Es hat die ganze Zeit geregnet – das Ding war | |
saumäßig glatt!“, berichtet Rave, der M. zum Anwalt begleitet, weil er sich | |
sicher ist, dass die Polizei den Panzer in dieser Situation niemals hätte | |
bewegen dürfen. „Das war eine richtig gefährliche Aktion“, sagt auch M. | |
## Panzer gewaltsam geräumt | |
Hinter dem Zoo, außer Sichtweise der Öffentlichkeit, habe der Panzer dann | |
geparkt und die Feuerwehr sei dazugekommen, um den Angeketteten | |
loszuschneiden. Die Räumung des Panzers durch die Polizei sei auch hier so | |
grob gewesen, dass M. hart auf dem Boden aufgeschlagen sei. | |
Gemeinsam mit den fünf anderen „Panzer-BesetzerInnen“ sei er dann in | |
Gewahrsam genommen worden, „und die ganze Zeit bekam ich dumme und teils | |
homophobe Sprüche von den Polizisten zu hören“, berichtet M. So sei er | |
wegen seiner langen Haare gefragt worden, ob er ein Mädchen oder ein Junge | |
sei, und ein Polizist habe seine Haarspange als „ganz schön schwul“ | |
bezeichnet. Mehrmals hätten ihm die Polizisten angedroht, seine Haare | |
abzuschneiden. | |
„Wir haben uns gegenseitig ein bisschen provoziert“, sagt M. und er räumt | |
durchaus ein, sich auf der Wache wenig kooperativ gezeigt zu haben. Ein | |
Polizist habe schließlich seine Haare hochgenommen und abgeschnitten. „Und | |
danach haben sie einen Krankenwagen gerufen und mich ins Klinikum | |
Reinkenheide gebracht.“ | |
Die Polizisten hätten ihn als „durchgeknallt und suizidgefährdet“ | |
bezeichnet, aber die diensthabende Ärztin habe schnell gemerkt, dass an den | |
Vorwürfen nichts dran gewesen sei: „Sie hat mir vorgeschlagen, einfach | |
freiwillig eine Nacht dazubleiben, bevor die Polizei eine Zwangseinweisung | |
veranlasst“, sagt M. Das Angebot habe er gern angenommen: „Bloß weg von der | |
Polizei!“ Er blieb bis zum nächsten Morgen in der geschlossenen | |
psychiatrischen Abteilung. | |
Auf taz-Anfrage sagt Frank Schmidt, Sprecher der Polizei Bremerhaven, | |
„nette junge Leute“ seien das gewesen. „Man konnte denen eigentlich gar | |
nicht böse sein.“ Gleichwohl hätten sie Sachbeschädigungen vollzogen und | |
vom Panzer uriniert. „Trotzdem sind wir erst einmal nicht eingeschritten.“ | |
Erst als die Sonne herausgekommen und der Panzer getrocknet sei, „haben wir | |
ihn in Schrittgeschwindigkeit um die Ecke gefahren.“ Dort seien die | |
AktivistInnen dann herunter begleitet worden “ | |
Und wie kam es zu dem Vorfall mit M.? „Die Polizei äußert sich aus | |
ethischen Gründen nicht über Suizidversuche“, so Schmidt, tut es dann aber | |
doch: Dass ihm die Haare geschoren worden seien, sei „totaler Quatsch, das | |
haben wir definitiv nicht getan“, da aber M. versucht habe, „sich mit | |
seinen langen Dreadlocks zu strangulieren“, sei da möglicherweise etwas | |
passiert. | |
In der Tat ist da etwas passiert, man sieht es deutlich auf M.'s Haupt. Wie | |
das einzuordnen ist, wird jetzt auf dem Rechtsweg geklärt. | |
31 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Simone Schnase | |
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