# taz.de -- Gesetze zu Racial Profiling der Polizei: Diskriminierung nicht ausg… | |
> Die Rechtslage beim Racial Profiling ist weder einfach noch eindeutig. | |
> Eine Untersuchung ihrer praktischen Auswirkungen ist dringend | |
> erforderlich. | |
Bild: Suchen nicht nach Schwarfahrer*innen: Polizist*innen dürfen am Bahnhof o… | |
BERLIN taz | Innenminister Horst Seehofer (CSU) will [1][Rassismus bei der | |
Polizei] nicht untersuchen, weil es hierfür keinen Bedarf gebe. Racial | |
Profiling sei ohnehin nicht erlaubt, erklärte sein Ministerium am | |
Wochenende. Die Rechtslage ist allerdings deutlich komplexer, als der | |
Minister denkt. Eine Untersuchung der Praxis könnte daher auch für Horst | |
Seehofer interessant sein. | |
Von [2][Racial Profiling] spricht man, wenn die Hautfarbe und andere | |
ethnisch bestimmte Merkmale ausschlaggebend als Anlass für | |
Polizeikontrollen benutzt werden. Das ist eindeutig verboten. Umstritten | |
ist aber, was gilt, wenn die Hautfarbe des Betroffenen nur Teil eines | |
Motivbündels der kontrollierenden Polizisten war. | |
Möglich sind problematische Kontrollen vor allem dort, wo die Polizei | |
anlasslos kontrollieren darf. Bei der Bundespolizei sind das insbesondere | |
Kontrollen zur Verhinderung der unerlaubten Einreise. Seit dem | |
grundsätzlichen Wegfall der Grenzkontrollen innerhalb der EU darf die | |
Bundespolizei in Zügen, Bahnhöfen und in Flughäfen anlasslos kontrollieren | |
(§ 22 Abs. 1a BPolG). Im Jahr 2018 gab es 253.546 derartige Kontrollen. | |
Außerdem darf die Bundespolizei im „Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von | |
dreißig Kilometern“ anlasslos kontrollieren (§ 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG). | |
Hiervon machte die Bundespolizei 2018 laut Bundesregierung 2.264.400 Mal | |
Gebrauch. | |
Auch in den Polizeigesetzen der Länder gibt es Rechtsgrundlagen für | |
anlasslose Kontrollen, insbesondere an Kriminalitätsschwerpunkten oder so | |
genannten gefährlichen Orten. Die rot-rot-grüne Koalition in Berlin plant | |
gerade die [3][Regelung für „kriminalitätsbelastete“ Orte] (§ 21 Abs. 2 | |
ASOG) etwas zu entschärfen. Es soll nicht mehr genügen, dass sich an einem | |
derartigen Ort „Personen treffen, die gegen aufenthaltsrechtliche | |
Strafvorschriften verstoßen“. | |
## Kontrollmerkmal: nicht mittel-europäisch aussehend | |
In der Praxis spielte das aber kaum eine Rolle. Anlasslose Kontrollen waren | |
und sind weiter dort möglich, wo Personen „Straftaten von erheblicher | |
Bedeutung verabreden, vorbereiten oder verüben“. Betroffen ist etwa | |
weiterhin der [4][Görlitzer Park in Kreuzberg] und die dort agierenden | |
Drogendealer. | |
Tatsächlich beruft sich die Polizei bei umstrittenen Kontrollen fast nie | |
auf die Hautfarbe des Betroffenen, sondern auf „Lagebilder“ und | |
„polizeiliches Erfahrungswissen“. Danach liegen bestimmte | |
Kriminalitätsfelder, zum Beispiel der Drogenhandel in bestimmten Parks und | |
Straßen, „klar erkennbar in den Händen bestimmter Ethnien“, so der Bremer | |
Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Lüder Fasche. Bei Kontrollen | |
wegen „unerlaubter Einreise“ liegt es ohnehin nahe, dass gezielt Menschen | |
kontrolliert werden, die nicht mittel-europäisch aussehen. | |
Menschen mit dunkler Hautfarbe müssen daher in entsprechenden Parks und | |
Straßen, in Zügen und Bahnhöfen ständig mit Kontrollen rechnen. Sie fühlen | |
sich stigmatisiert und ausgegrenzt. Die Kontrollen, die mutmaßlich etwas | |
mit ihrem Aussehen zu tun haben, geben ihnen ein Gefühl, dass sie nicht | |
richtig dazu gehören, auch wenn die Überprüfung jeweils ergebnislos | |
verläuft. | |
Das [5][Deutsche Institut für Menschenrechte] fordert deshalb die | |
Abschaffung anlassloser Kontrollen im Bundespolizeigesetz, da sie eine | |
grund- und menschenrechtswidrige Praxis quasi nahelegen. Gegen die | |
entsprechenden Regelungen in Landespolizeigesetzen wendet sich die Kampagne | |
[6][„Ban Racial Profiling – Gefährliche Orte abschaffen“.] | |
Neben den politischen Forderungen sind auch gerichtliche Überprüfungen | |
möglich. Wer glaubt, dass er wegen seiner Hautfarbe kontrolliert wurde, | |
kann beim zuständigen Verwaltungsgericht gegen die Maßnahme klagen. | |
## Sehr geringe Erfolgsquote bei anlasslosen Zugkontrollen | |
Gut möglich, dass die Polizei [7][nun behauptet, die Hautfarbe habe bei der | |
Kontrolle gar keine Rolle gespielt]. Wenn das Gericht der Polizei glaubt, | |
ist die Prüfung zu Ende, dann kann keine unzulässige Diskriminierung | |
festgestellt werden. Oft sind die Begründungen der Polizei aber nicht | |
überzeugend, dann stellt das Gericht eine Ungleichbehandlung wegen der | |
Hautfarbe fest, es liegt also ein Eingriff in Artikel 3 des Grundgesetzes | |
vor, der nach dem derzeitigen Wortlaut auch die Diskriminierung eines | |
Menschen „wegen seiner Rasse“ grundsätzlich verbietet. | |
In einem zweiten Schritt wird dann von den Gerichten aber noch geprüft, ob | |
die Ungleichbehandlung zur Strafverfolgung und Gefahrenabwehr | |
gerechtfertigt war. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster verlangte 2018 | |
von der Polizei, „auf die Örtlichkeit oder Situation bezogene Lagebilder“, | |
die eine erhöhte Delinquenz einer „äußerlich erkennbaren Tätergruppe“ | |
darlegen – was der Polizei bei einer Kontrolle im Bahnhof Bochum nicht | |
gelang. | |
Das OVG Koblenz stellte 2016 bei der Prüfung einer Zug-Kontrolle darauf ab, | |
dass anlasslose Kontrollen in Zügen fast nie unerlaubte Einreisen zu Tage | |
bringen. Die Erfolgsquote liege im Promille-Bereich. Anlasslose | |
Zug-Kontrollen seien deshalb rechtswidrig, wenn dabei auch die Hautfarbe | |
eine Rolle spiele. Klagen gegen Racial Profiling können also durchaus | |
erfolgreich sein. | |
In Berlin gilt für Klagen gegen diskriminierende Polizeikontrollen seit | |
Mitte Juni auch das [8][Landes-Antidiskriminierungsgesetz]. Danach kann | |
nicht nur die Rechtswidrigkeit einer Maßnahme festgestellt werden, vielmehr | |
sieht das Gesetz eine zusätzliche „angemessene Entschädigung in Geld“ vor. | |
Neu ist auch eine „Vermutungsregelung“ als ausdrückliche | |
Beweiserleichterung. Wenn „Tatsachen glaubhaft gemacht werden“, die das | |
Vorliegen einer Diskriminierung „überwiegend wahrscheinlich“ machen, muss | |
die Behörde den Vorwurf widerlegen. Urteile zum neuen Gesetz gibt es aber | |
noch keine. | |
7 Jul 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Rassismus/!5095716 | |
[2] /Racial-Profiling-bei-der-Polizei/!5697146 | |
[3] /Berliner-Polizeigesetz/!5689604 | |
[4] /Berliner-Polizei/!5657979 | |
[5] https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/startseite/ | |
[6] https://kop-berlin.de/beitrag/die-berliner-kampagne-ban-racial-profiling-ge… | |
[7] /Bundespolizei-und-Racial-Profiling/!5372692 | |
[8] /Berliner-Antidiskriminierungsgesetz/!5690956 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## TAGS | |
Polizei | |
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
Racial Profiling | |
Alltagsrassismus | |
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
Bundespolizei | |
Bundespolizei | |
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
Horst Seehofer | |
Polizei | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Polizei | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Polizei Bremen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Erneut Vorwurf von Polizeigewalt: Polizei gerufen – Bein gebrochen | |
Der US-Amerikaner Mike Basden sagt, Polizisten hätten ihm grundlos das Bein | |
gebrochen. Die Polizei weiß davon nichts und stellt ihn als Trinker dar. | |
Mehr Rechte für Bundespolizei: Big Brother ist hearing you | |
Telefonate dürfen künftig präventiv abgehört und E-Mails mitgelesen werden. | |
Die Koalition einigte sich auf mehr Befugnisse für die Polizei. | |
Union und SPD finden Kompromiss: Einigung bei Bundespolizeigesetz | |
Die Große Koalition will der Bundespolizei mehr Befugnisse geben. | |
Onlinedurchsuchungen und Gesichtserkennung sind aber nicht vorgesehen. | |
Racial Profiling bei der Polizei: Rassismus-Studie ohne Seehofer | |
Niedersachsens Innenminister will mit anderen Ländern Racial Profiling bei | |
der Polizei untersuchen. Der Bundesinneminister hatte das abgelehnt. | |
Racial Profiling bei der Polizei: Nie eine Studie geplant | |
Die von Horst Seehofer abgesagte Untersuchung war laut einem Medienbericht | |
gar nicht geplant. Kritik an der Absage der Studie kommt auch aus der CDU. | |
Expertin über Racial Profiling: „Traumatische Folgen“ | |
Maria Marouda von der Europäischen Kommission gegen Rassismus appelliert an | |
Deutschland: Führt die Studie zu Racial Profiling durch! | |
Maskenpflicht in der Bahn: Jede*r sorge für sich selbst | |
Die Deutsche Bahn weist in ihren Zügen zwar auf die staatliche | |
Maskenpflicht hin. Durchsetzen will sie die im Konfliktfall aber nicht | |
selbst. | |
Soziologin über Polizei und Rassismus: „Die Polizei ist Schutz und Gefahr“ | |
Für viele Menschen bedeutet weniger Polizei mehr Sicherheit, sagt Vanessa | |
E. Thompson. Sie erklärt, warum Rassismusforschung auch frustrierend ist. | |
Abgesagte Studie zu „Racial Profiling“: Gift für die Gesellschaft | |
Horst Seehofer hat sich mit dem Veto gegen die Studie keinen Gefallen | |
getan. Es ist ein Schlag ins Gesicht für alle, die von Rassismus betroffen | |
sind. | |
Racial Profiling bei der Polizei: Ein Gefühl der Ohnmacht | |
Die Hautfarbe kann darüber entscheiden, ob die Polizei einen kontrolliert | |
oder festnimmt. Es mangelt an einer Fehlerkultur bei der Polizei. | |
Bundespolizei und Racial Profiling: Warum wird nur er kontrolliert? | |
Ein Mann soll sich ausweisen. Weil er schwarz ist, sagt er. Weil es nach | |
Marihuana riecht, sagt die Polizei. Unsere Autorin sagt als Zeugin vor | |
Gericht aus. | |
Rassismus im Alltag: Racial Profiling ist eine Tatsache | |
Zwar will Bremens Polizeiführung die illegalen Kontrollen aufgrund der | |
Hautfarbe stoppen. Aber geklappt hat das noch nicht ganz. |