# taz.de -- Berliner Polizei: Phänotyp gespeichert | |
> Die Polizei erfasst langfristig und systematisch äußere Merkmale von | |
> Verdächtigen. Die Datenschutzbeauftragte kritisiert diese Praxis. | |
Bild: Kontrolle im Görlitzer Park | |
BERLIN taz | Die Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk kritisiert die | |
Berliner Polizei für eine systematische Erfassung von | |
„Volkszugehörigkeiten“ und der Zuschreibung von „Phänotypen“ oder | |
„ethnischen Zugehörigkeiten“ verdächtiger Personen. Diese bei | |
Sicherheitsbehörden gebräuchliche Praxis sei grundsätzlich problematisch | |
und dürfe nur in begründeten Einzelfällen stattfinden und sei regelmäßig | |
nicht erforderlich, wie Smoltczyk klarstellt. Tatsächlich ist in der Praxis | |
allerdings eher das Gegenteil der Fall, wie aus einer der taz vorliegenden | |
kleinen parlamentarischen Anfrage der Linken hervorgeht. | |
Demnach erfasst die Polizei munter vermeintliche Volkszugehörigkeiten von A | |
wie Abchase bis W wie Weißrusse als „Ergänzung zur Staatsangehörigkeit“. | |
Inwiefern es sich um willkürliche Zuschreibungen handelt, wird insbesondere | |
dadurch verdeutlicht, dass die Polizei darunter auch Kategorien wie | |
deutsch, Schleswig-Holstein, aber auch Pommern oder Ostpreußen führt. In | |
der Datenbank Poliks sind so insgesamt 22.377 Personen nach 104 | |
verschiedenen Zuordnungen erfasst. | |
Wohl noch problematischer ist eine Einsortierung anhand von an koloniale | |
Schädelforschung erinnernde Kategorisierung nach einem mehr oder weniger | |
willkürlich definierten Phänotyp, also dem Erscheinungsbild. Darunter sind | |
in der Polizeidatenbank 167.578 Personenbeschreibungen erfasst unter | |
Kategorien wie afrikanisch, afro-amerikanisch, asiatisch oder indianisch. | |
Absurd ist zugleich, wie widersprüchlich und willkürlich auch diese | |
Zuschreibungen sind: So gibt es etwa die Kategorie europäisch und zugleich | |
noch westeuropäisch, südeuropäisch und osteuropäisch. Wie denn nun der | |
richtige Europäer auszusehen hat, enthält die Anfrage nicht. | |
Wohl jedoch, wer berechtigt ist, diese Zuordnungen durchzuführen. Die | |
Polizei nämlich im Rahmen von erkennungsdienstlichen Behandlungen. So heißt | |
es: „Die Zuordnung zu einem bestimmten Phänotyp wird auf Basis | |
bundeseinheitlicher Katalogwerte nach Anschein vorgenommen und liegt in | |
diesem Rahmen im Ermessen desjenigen, der die erkennungsdienstliche | |
Behandlung durchführt.“ | |
## Vier-Augen-Prinzip | |
Willkürlich geht es laut Polizei dabei angeblich nicht zu: „Die | |
durchgeführten Maßnahmen werden abschließend einer Qualitätssicherung | |
unterzogen“ – einem „Vier-Augen-Prinzip“. Nach der Zuordnung der | |
Tatverdächtigen zu einem Phänotyp werde der Datensatz „von speziell | |
ausgebildeten Mitarbeitenden des Erkennungsdienstes“ überprüft. | |
Und offenbar für immer gespeichert. Auch eine von der | |
Datenschutzbeauftragten Smoltczyk angemahnte „zeitlich befristete | |
Dokumentation“ findet der Anfrage zufolge nicht statt. Die Erfassung der | |
Daten „der Attribute ‚Volkszugehörigkeit‘ und ‚Phänotypus‘ erfolgt … | |
Start von Poliks im Jahre 2005“. | |
Niklas Schrader (Linke), einer der Anfragensteller, kritisiert die Praxis: | |
„Mir erschließt sich der kriminalistische Nutzen nicht. Es mag sein, dass | |
es in Einzelfällen eine Rolle spielt, bei Netzwerken von Tätern, die aus | |
irgendeinem Gebiet hergekommen sind, sprachlich vernetzt sind und sich | |
organisieren, um Straftaten zu begehen.“ Es bleibe jedoch vollkommen | |
unklar, in welchen Fällen die Polizei diese Daten erfasse und in welchen | |
eben nicht. | |
„Das ist generell eine zweifelhafte Praxis“, sagt Schrader, wenn die | |
Polizei daran festhalten wolle, müsse dies zumindest transparenter | |
geschehen und klar sein, welchen Kriterien eine Erfassung folge. „Eine | |
Erfassung ist nur zulässig, wenn es wirklich für diese eine Straftat, Serie | |
oder Ermittlung krimineller Netzwerke relevant ist.“ | |
Mit Blick auf den Umfang der Datensätze sagt Schrader: „Wir müssen generell | |
die ganze Speicherungspraxis polizeilicher Daten diskutieren. Das ist etwas | |
für nächste Koalitionsverhandlungen: Wir müssen das datenschutzfreundlicher | |
machen und verhindern, dass so viel Datenmüll produziert wird.“ | |
## Sinti und Roma | |
Seit Ende 2016 erfasst die Berliner Polizei systematisch Sinti und Roma, | |
ohne eine Zugehörigkeit zu einer „Volksgemeinschaft“ vorzunehmen. In Poliks | |
gibt es die Kategorie „Reisender Täter Eigentum/Vermögen“. Im Jahr 2017 | |
tauchte in der polizeilichen Kriminalstatistik für Berlin der Hinweis auf | |
die „Volkszugehörigkeit der Roma und Sinti“ im Zusammenhang mit | |
Eigentumsdelikten auf – als einzige ethnische Gruppe, deren Abstammung in | |
der Statistik genannt wird. | |
Mitte Januar hatte sich dann Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats | |
Deutscher Sinti und Roma, mit Innensenator Andreas Geisel (SPD) getroffen. | |
Geisel hatte danach zugesichert, den Bericht entsprechend zu überarbeiten | |
und das Merkmal zukünftig nicht mehr zu nennen. „Wir waren uns einig, dass | |
Straftäter ohne Ansicht der Person ermittelt werden müssen“, [1][hatte Rose | |
in einem Gespräch mit der taz erklärt]. | |
Immer wieder kommt es in Berlin auch zu Vorwürfen gegenüber der Polizei, | |
nicht erst in der erkennungsdienstlichen Behandlung, sondern vor Beginn | |
einer Maßnahme auf die äußeren Merkmale abzuzielen. Die | |
Racial-Profiling-Praxis ist insbesondere von durch die Polizei definierten | |
sogenannten kriminalitätsbelasteten Orten wie dem Alexanderplatz, Kotti | |
oder Görli bekannt. Als Grundlage für Identitätsfeststellungen gilt dabei | |
insbesondere das vage Tatbestandsmerkmal „Verstoß gegen | |
aufenthaltsrechtliche Strafvorschriften“. | |
Um Racial Profiling zu verhindern, soll der entsprechende Passus nach | |
Erkenntnissen der taz bei der für dieses Jahr geplanten Novellierung des | |
Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes gestrichen werden. | |
5 Feb 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Sinti-und-Roma-Nennung-bei-der-Polizei/!5653940 | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
Erik Peter | |
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Polizei Berlin | |
Zentralrat Deutscher Sinti und Roma | |
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