# taz.de -- Polizeikongress in Berlin: „Demokratiegefährdende Ausmaße“ | |
> Die Chefs von BKA und Verfassungsschutz versprechen mehr Härte gegen | |
> Rechtsextreme. Doch der Einsatz versprochener Maßnahmen zieht sich. | |
Bild: Chefsache: Holger Münch (BKA) und Thomas Haldenwang (Verfassungsschutz) … | |
BERLIN taz | Es ist eine Kampfansage. „Es gilt, rote Linien zu ziehen“, | |
sagt BKA-Chef Holger Münch am Mittwoch auf dem Polizeikongress in Berlin. | |
Der Rechtsextremismus habe „demokratiegefährdende Ausmaße“, wenn sich | |
inzwischen bedrohte Kommunalpolitiker zurückziehen. Auch | |
Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang konstatiert eine „Lageverschärfung“ | |
– und verspricht Gegenwehr. „Ein Rechtsstaat, der seine Bürger nicht | |
schützen kann oder will, ist keiner mehr.“ | |
Nach dem Attentat auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und | |
dem Anschlag in Halle mussten die Behörden reagieren. Münch gab nun | |
bekannt, dass man inzwischen 53 Rechtsextreme als Gefährder einstuft, denen | |
man Anschläge zutraut – vor einem Jahr waren es noch 33. Und die Zahl werde | |
sich noch weiter erhöhen, so Münch. | |
Denn das BKA schaut inzwischen systematischer auf die rechtsextreme Szene. | |
In Fallkonferenzen werden derzeit einzelne Neonazis auf ihre Gefährlichkeit | |
überprüft. Dennoch hinkt auch die Zahl der 53 Gefährder noch hinterher. | |
Denn der Verfassungsschutz zählt derzeit 12.700 gewaltbereite | |
Rechtsextremisten im Land. Und auf islamistischer Seite listet das BKA | |
ganze 670 Gefährder. | |
Auch deshalb will die Behörde ein Analyseinstrument von der islamistischen | |
Szene auf die rechtsextreme übertragen: Radar-iTe. Mittels eines langen | |
Fragebogens werden damit Extremisten auf ein Anschlagsrisiko durchgecheckt. | |
Doch eine Einführung wird noch dauern. Eine BKA-Sprecherin bestätigte am | |
Mittwoch, dass eine flächendeckende Anwendung erst für das Frühjahr 2022 | |
„angestrebt“ wird. Zuvor müssten noch „wissenschaftliche Gütekriterien�… | |
erarbeitet, eine rechtliche Überprüfung durchgeführt und Anwender geschult | |
werden. | |
## Aufbau zieht sich hin | |
Oppositionspolitiker halten die Einführung für zu spät. „Die | |
Gefahrenbewertung von Rechtsextremisten muss schnellstmöglich, nicht erst | |
2022 verbessert werden“, erklärte FDP-Innenexperte Benjamin Strasser. | |
Und auch der Aufbau eines zweiten Projekts zieht sich hin. Das BKA will | |
auch eine Zentralstelle gegen Hasskriminalität im Internet aufbauen. | |
Verursacher von strafbaren Onlinepostings sollen dort identifiziert, von | |
Providern übermittelte Fälle übernommen und Ermittlungen gegen die Hetzer | |
eingeleitet werden. Anfang 2021 werde dazu ein „Pilot“ starten, sagte Münch | |
am Mittwoch. Noch laufe eine Konzeptphase mit einer Projektgruppe. Eine | |
Sprecherin ergänzte, derzeit würden noch die gesetzlichen Rahmenbedingungen | |
geschaffen, um die Zentralstelle aufzubauen. | |
Schon nach dem Lübcke-Mord hatten BKA und Verfassungsschutz diese und | |
andere Reformvorschläge für ihre Arbeit gegen den Rechtsextremismus | |
vorgelegt. Einige fanden im Herbst Eingang in ein Maßnahmenpaket der | |
Bundesregierung: eine Meldepflicht für Provider bei Hasspostings, mehr | |
digitale Aufklärung, ein schärferes Waffenrecht. Anderes – wie härtere | |
Strafen für Feindeslisten (siehe unten) – blieb vorerst außen vor, wird | |
jetzt aber wieder auf die Agenda gesetzt. Und der Vorstoß der Behörden, | |
stärker auf Verbote zu setzen, wurde vor zwei Wochen erstmals umgesetzt: | |
mit dem Verbot des rechtsextremen Combat 18. | |
Auch Herbert Reul (CDU), Innenminister von NRW, nannte am Mittwoch den | |
Kampf gegen Rechtsextremismus „eine Herkulesaufgabe“. „Es ist erschrecken… | |
was da los ist.“ Das Problem sei das „Ausfransen“ der rechtsextremen Szene | |
in die Gesellschaft und der Hass im Netz. Zentral sei, an die IP-Adressen | |
der Verursacher zu kommen. Bundesinnenminister Seehofer (CSU) hatte sich | |
auf dem Kongress zuvor ähnlich geäußert. | |
Münch und Haldenwang betonten aber auch, dass der Islamismus weiter eine | |
Gefahr bleibe. Die Sicherheitslage sei hier „alles andere als entspannt“. | |
11.300 Islamisten zähle man, ein Wiedererstarken des IS sei nicht | |
ausgeschlossen. Beide warnten auch vor einem erstarkten Linksextremismus. | |
Haldenwang sprach von einer „zunehmenden Militanz“, inzwischen auch gegen | |
Personen. Hotspots seien Berlin, Hamburg und Leipzig. Noch gebe es keine | |
Entwicklung in Richtung einer RAF, so Haldenwang. Aber die Gewalt sei | |
„indiskutabel“, auch wenn sie sich „schein-intellektuell“ kleide. „Es… | |
keinen noblen Extremismus.“ | |
5 Feb 2020 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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