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# taz.de -- Gebühren für Maßnahmen der Polizei: Bezahlte Repression
> Die Bundespolizei hat eine besondere Gebührenordnung eingeführt. In
> Konflikt mit der Staatsmacht zu kommen, kann nun extra teuer werden.
Bild: Die Bundespolizei erhebt nun Gebühren für sogenannte vermeidbare Einsä…
Sie sind auf einer Auswärtstour ihres Lieblingsvereins und fahren mit dem
Zug in der Stadt des Erzfeindes ein. Vor lauter Begeisterung zünden Sie
einen Bengalo. Wenn es schlecht läuft, erwischt sie die an Bahnhöfen
zuständige Bundespolizei. Sie werden festgehalten, ihre Personalien
aufgenommen, im schlimmsten Fall werden sie sogar noch auf die Wache
mitgenommen und bis nach Spielende festgehalten. Sie müssen sich auf eine
Anzeige wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz einstellen. Strafe
genug. Sollte man denken.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) denkt aber anders. Unbemerkt von
der Öffentlichkeit hat das Bundesinnenministerium (BMI) diesem Szenario
noch etwas hinzugefügt: eine Strafe vor der Strafe. In einer im Oktober in
Kraft getretenen Verordnung wurde festgelegt, dass sie für die nicht
bestellte Polizeidienstleistung auch noch zahlen müssen. Die
Identitätsfeststellung: 53,75 Euro. Die Anordnung zur Gewahrsamnahme: 74,15
Euro. Eine Viertelstunde Fahrt auf die Wache: 15,69 Euro.
Erkennungsdienstliche Behandlung mit Fotos und Fingerabdrücken: 59,50 Euro.
Jede Viertelstunde in Gewahrsam: 6,51 Euro.
Für einen stinknormalen Polizeieinsatz soll man also eine hohe dreistellige
Summe auf den Tisch legen, noch bevor der Rechtsstaat über ihre Schuld
befindet und die eigentliche Strafe verhängt. Fast verwunderlich, dass man
nicht noch 10 Cent für jede angefallene Seite Papier berappen muss.
„[1][Besondere Gebührenverordnung des BMI]“ nennt sich diese Schikane. Zur
Kasse gebeten werde soll, wer vorsätzlich oder fahrlässig eine
„Gefahrenlage“ schafft. Blöd nur, dass der Großteil von
Strafrechtsverstößen unter diese Kategorien fällt. Auch wenn sich das
Bengalo von alleine entzündet, wird die Polizei von Fahrlässigkeit
sprechen. Für die Staatskasse ist das gut. 2,78 Millionen Euro soll die
Bundespolizei durch die Gebühren im Jahr eintreiben. Und wer weiß schon, ob
die Polizei nun nicht auch mal die eine oder andere unnötige Maßnahme extra
durchführt.
## Die Polizeigewerkschaft frohlockt
Ganz unbekannt ist das Prinzip nicht. Wer etwa als Betrunkener aufgegriffen
wird, muss für den Polizeieinsatz und die Unterbringung in der
Ausnüchterungszelle schon jetzt zahlen. In Berlin kostet das Gewahrsam für
„hilflose, nicht vorläufig festgenommene Personen“, also Betrunkene oder
Berauschte, 208,89 Euro zuzüglich der Fahrt auf die Wache. Nachts wird es
teurer. Damit hat es sich dann aber auch, denn betrunken zu sein, ist ja –
noch – nicht verboten. Weil der Polizeieinsatz hier mehr eine Hilfe
darstellt als eine Drangsalierung, kann man sogar ein gewisses Verständnis
dafür aufbringen.
Dass die Bundespolizei nun aber ihre ureigensten Tätigkeiten, die die
BürgerInnen mit ihren Steuer schon längst finanziert haben, mit einem
zusätzlichen Preisschild versieht, ist als Ausuferung eines repressiven
Polizeistaats zu verstehen. Kein Wunder also, dass etwa die Deutsche
Polizeigewerkschaft bereits vor der Verabschiedung frohlockte: „Das kann
teuer werden!“ Und das kann es wirklich. In NRW sind inzwischen die ersten
Rechnungen verschickt worden. Wie die Westdeutsche Zeitung berichtet,
[2][soll eine Frau nun 550 Euro blechen], weil sie am Düsseldorfer
Hauptbahnhof ihren Koffer vergessen hatte. Als sie nach einer halben Stunde
ausfindig gemacht wurde, war der Fundort bereits abgesperrt und ein
Sprengstoffhund unterwegs.
Die Fans der Maßnahme freut auch, dass Abschiebekosten für „illegal“
Eingereiste leichter umgelegt oder [3][Fußballvereine für Einsätze bei
Spielen zur Kasse gebeten werden können]. Ein Rechtsstaat, den man sich
leisten können muss.
4 Feb 2020
## LINKS
[1] https://www.gesetze-im-internet.de/bmibgebv/BJNR135900019.html
[2] https://www.wz.de/nrw/bundespolizei-eine-viertelstunde-gewahrsam-kostet-jet…
[3] /Wer-zahlt-fuer-Risikospiele/!5644537
## AUTOREN
Erik Peter
## TAGS
Polizei
Horst Seehofer
Polizei
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Horst Seehofer
NPD-Demo
Schwerpunkt Pressefreiheit
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