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# taz.de -- Überwachung per Stiller SMS: Die Stille trügt
> Die Berliner Datenschutzbeauftragte rügt den Einsatz von Stillen SMS.
> Dieser sei oft weder zulässig noch erfolgreich.
Bild: Stille SMS? Verstecken hilft nicht
Berlin taz | Mit der Stille rund um die Überwachungsmaßnahme der Stillen
SMS ist es wohl erst mal vorbei. Die Berliner Datenschutzbeauftragte Maja
Smoltczyk hat in einer Studie zu der massenhaft eingesetzten
Überwachungsmaßnahme gravierende Mängel festgestellt.
Demnach fehle nicht nur eine spezifische Rechtsgrundlage für deren Einsatz,
auch werden Staatsanwaltschaften und Polizei ihren gesetzlichen Vorgaben in
der Mehrzahl der Fälle nicht gerecht. Zudem stehe die Erforderlichkeit der
Maßnahme grundsätzlich infrage. Bei Stillen SMS handelt es sich um
Nachrichten, die beim Empfänger kein Signal auslösen, aber zugleich eine
Meldung übermitteln, durch die der Handynutzer geortet werden kann.
Für die Studie wurde durch die Datenschutzbeauftragte zwischen Dezember
2014 und August 2015 eine manuelle Abfrage im System der
Telekommunikationsüberwachung eingerichtet. Von insgesamt 257 Verfahren mit
89.018 Stillen SMS wurden 38 Akten untersucht. 41 Prozent aller Fälle
betrafen strafrechtliche Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, gefolgt
von Raub- und Erpressungsdelikten sowie Bandendiebstählen.
Stille SMS, die Smoltczyk als „tiefen Eingriff in das Grundrecht auf
informationelle Selbstbestimmung“ bezeichnet, dürfen nur dann eingesetzt
werden, wenn keine milderen Ermittlungsmethoden in Betracht kommen; zudem
braucht es eine Weisung der Staatsanwaltschaft und einen richterlichen
Beschluss.
Selbst wenn der formale Weg eingehalten wird, deckt die Studie hierbei
große Probleme auf: So beantragte die Staatsanwaltschaft regelmäßig
gerichtliche Beschlüsse, ohne zu begründen, wieso es sich um eine besonders
schwere Straftat handelte oder eine Ermittlung des Aufenthaltsortes eines
Verdächtigen nicht auf anderem Wege möglich gewesen wäre. In jedem dritten
Fall sei „die Erforderlichkeit des Einsatzes von Stillen SMS nicht
ersichtlich“ gewesen, so der Bericht. In 80 Prozent der Fälle fehlen
Hinweise in den Akten der Staatsanwaltschaft auf den Einsatz der SMS.
## Massive Kritik von Lauer
Der innenpolitische Experte der Piratenfraktion, Christopher Lauer, der
seit Langem erfolglos Informationen zum Versand Stiller SMS einforderte,
fühlt sich durch den Bericht bestätigt. Dieser zeige, dass eine Auswertung
des Einsatzes von Stillen SMS möglich sei, sagte er der taz. Die
inhaltlichen Ergebnisse bewertet er drastisch: „Staatsanwaltschaft und
Polizei reizen die Möglichkeiten in einer Art und Weise aus, die mit einer
gut funktionierenden parlamentarischen Demokratie nur schwer zu vereinbaren
ist.“ Er fordert: „Der Einsatz muss aufhören.“
Die Studie kam zudem zu dem Ergebnis, dass in mindestens 57 Prozent der
Fälle der Versand der Stillen SMS nicht relevant für die Ermittlungen war.
Auch in den übrigen Fällen blieb der Erfolg zum Teil unklar. Lauer forderte
daher von der nächsten Koalition „alle Überwachungsmaßnahmen – Stille SM…
Funkzellenabfragen und Videoüberwachung – auf den Prüfstand zu stellen“. …
brauche eine Dokumentation für eine „öffentliche Debatte, wie viel
Überwachung wir haben wollen“.
Der innenpolitische Sprecher der Linken, Hakan Taş, erklärte: „Wie schon
bei der Funkzellenabfrage offenbart sich beim Einsatz der Stillen SMS, dass
es die Berliner Strafverfolgungsbehörden mit den Grundrechten der
Bürgerinnen und Bürger nicht besonders genau nehmen.“ Er forderte:
„Innensenator Henkel und Justizsenator Heilmann müssen dieser
rechtswidriger Praxis schnellsten einen Riegel vorschieben.“
30 Aug 2016
## AUTOREN
Erik Peter
## TAGS
Schwerpunkt Überwachung
Datenschutzbeauftragte
Polizei Berlin
Schwerpunkt Überwachung
Datenschutz
Christopher Lauer
Schwerpunkt Überwachung
Funkzellenabfrage
Schwerpunkt Klimawandel
Bewegungsprofile
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