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# taz.de -- Transparenz bei Funkzellenabfragen: Neuland für Bürgerrechte
> Funkzellenabfragen waren bislang für den Einzelnen nicht nachvollziehbar,
> dabei ist die Information Pflicht. Berlin geht jetzt einen neuen Weg.
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Berlin taz | Eine SMS soll künftig Interessierte darüber informieren, ob
ihre Handydaten im Zuge strafrechtlicher Ermittlungen erfasst wurden. Das
passiert öfter, als den meisten bewusst sein dürfte: Im vergangenen Jahr
wurden bei 474 [1][Funkzellenabfragen] in Berlin fast 60 Millionen Daten
erhoben und gespeichert: Anrufe, SMS, Internetverbindungen. Für den
Einzelnen lässt sich das auch zukünftig nicht verhindern, doch zumindest
die Transparenz über die staatliche Schnüffelei wird gestärkt.
Seit Dienstag kann sich jeder auf einem Portal des Senats mit seiner
Handynummer registrieren. Taucht diese später in einer abgefragten
Funkzelle auf, wird die Information darüber nach Ablauf der
staatsanwaltlichen Ermittlungen nachgereicht. Wer sich jetzt anmeldet,
bekommt dann vielleicht in einem halben Jahr die Nachricht: „Sie wurden
erfasst.“ Ergänzt wird diese Information um das Datum und Uhrzeit der
Abfrage, einer Karte mit dem markierten Gebiet der Funkzelle, dem
Aktenzeichen der Ermittlungen und einer Rechtshilfebelehrung.
Funkzellenabfrage-Transparenz-System heißt das neue Tool, das Justizsenator
Dirk Behrendt (Grüne) und Ulf Buermeyer, Richter am Landgericht und
Entwickler des Programms, am Dienstag präsentierten.
Der Senat reagiert damit als erstes Bundesland auf ein bundesweit
bestehendes Defizit. Laut Strafprozessordnung haben BürgerInnen ein
Anrecht, über die Abfrage ihrer Daten informiert zu werden. Die Möglichkeit
hatten sie bis jetzt jedoch nirgends. Das Abgeordnetenhaus hatte sich
bereits vor vier Jahren für das nun vorgestellte Systems ausgesprochen.
## Heimlich ausgeforscht
Bei der Funkzellenabfrage holen sich Ermittler von den Netzbetreibern die
Telekommunikationsverbindungsdaten in einem bestimmten Gebiet zu einem
bestimmten Zeitpunkt. Sie wird bei mittlerer und schwerer Kriminalität, bei
Einbrüchen, Bandendiebstahl oder Mord eingesetzt. Behrendt sprach von einer
Ermittlungsmaßnahme, bei der der Staat den BürgerInnen nicht offen
gegenübertritt, sondern sie heimlich ausforscht. Darüber zu informieren sei
„bürgerrechtliches Neuland“. Er rechnet mit einer fünfstelligen Zahl an
Personen, die die Informationen einfordern werden.
Die naheliegende Lösung, dass die Staatsanwaltschaft alle abgefragten
Nummern informiert, sei nicht möglich, da nicht sichergestellt sei, dass zu
den Nummern noch dieselben Personen gehören wie zum Zeitpunkt der Abfrage.
Interessierte müssen nun ihre Nummer eintragen, diese mit einem
zugeschickten Code bestätigen und ihre Registrierung alle drei Monate
erneuern. Sichergestellt ist, dass die Nummern nur im System verbleiben und
nicht an Polizei oder Staatsanwaltschaft gehen.
Bürgerrechtler kritisieren die Funkzellenabfrage schon lange als System der
Massenüberwachung, das zudem ineffektiv sei. In Berlin wurden 2017 Daten in
426 Ermittlungsverfahren abgefragt – nur in 30 Fällen wurde später Anklage
erhoben. Ob die Ermittler über die Handydaten auf die Spur der
vermeintlichen Täter kamen, ist nicht gesagt.
Anmeldung: [2][fts.berlin.de]
13 Nov 2018
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[2] https://fts.berlin.de/
## AUTOREN
Erik Peter
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Mobilfunk
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Handydaten
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