# taz.de -- Berlin vor der Wahl: Oma Anni weiß, wen sie wählt | |
> Vor der Wahl streiten die drei irgendwie linken Parteien. Dabei werden | |
> sie wohl koalieren müssen. Wenigstens Oma Anni behält den Durchblick. | |
Bild: SPD? Oder doch lieber Linke? | |
BERLIN taz | Da sage nochmal jemand, Wahlplakate würden nichts bewirken. In | |
Berlin hat ein kleines Plakat eine heftige Debatte ausgelöst. Beteiligt | |
sind Linkspartei, SPD, Grüne – und „Oma Anni“. Die lehnt sich auf der | |
Wahlwerbung der Linken aus dem Fenster ihrer Wohnung. „Mietrebellin“ steht | |
oben drüber. Und „Oma Anni bleibt“ darunter. | |
Die Frau auf dem Plakat gibt es wirklich. Die 95-jährige Anni Lenz lebt in | |
einer Siedlung aus den 20er Jahren in Berlins Norden. Seit ein paar Jahren | |
wehrt sie sich zusammen mit ihren NachbarInnen gegen einen Investor, | |
[1][der die Mieten rabiat hochsetzen will]. All das konnte man Ende der | |
Woche [2][in einem Porträt des lokalen Boulevardblattes Berliner Kurier | |
nachlesen]. Darin sagt Lenz auch, dass sie zugestimmt habe, auf das Plakat | |
der Linkspartei zu kommen. Wählen würde sie die aber nicht. „War immer SPD, | |
das bleib ich auch.“ | |
Ein gefundenes Fressen für die Sozialdemokraten. Die [3][twitterten prompt | |
ein leicht verändertes Plakat]: „Mietrebellin Oma Anni bleibt | |
SPD-Wählerin“. Prompt flogen per Kurznachrichtendienst die Fetzen. Im | |
Zweifel werde Oma Anni doch von der SPD „in den Arsch getreten“, | |
[4][schrieb Klaus Lederer], Landeschef der Linken. | |
Woraufhin sich [5][Andreas Otto, baupolitischer Sprecher der | |
Grünen-Fraktion, einschaltete]. SPD und Linkspartei hätten das „selbst | |
verbockt“. Schließlich habe die damals regierende rot-rote Koalition die | |
landeseigene Wohnungsbaugesellschaft GSW verkauft – und mit ihr die | |
Siedlung samt Oma Anni im Jahr 2004. Nur so konnte der profitgierige | |
Investor zum Zuge kommen. Ja, [6][konterte schließlich Christian Gaebler, | |
SPD-Staatssekretär in der Stadtentwicklungsverwaltung], aber die | |
oppositionellen Grünen hätten damals sogar doppelt so viele Wohnungen | |
verkaufen wollen, um die Löcher im Landeshaushalt zu stoppen. Was die | |
Grünen wiederum nicht so stehen lassen wollten und so weiter und so fort. | |
## Wer stellt am Ende den Bürgermeister? | |
Sechs Wochen vor der Wahl am 18. September scheinen die drei irgendwie | |
linken Parteien mal wieder vollkommen zerstritten. Dabei ist eigentlich | |
mehr als offensichtlich, dass sie danach zusammen regieren müssen. Denn der | |
derzeit noch amtierende rot-schwarze Senat ist in allen Umfragen weit von | |
einer Mehrheit entfernt, zudem haben sich SPD und CDU dermaßen überworfen, | |
dass eine weitere Zusammenarbeit nahezu ausgeschlossen ist. | |
Weil außerdem die AfD ziemlich sicher in das Berliner Abgeordnetenhaus | |
einziehen wird, die CDU aber garantiert nicht mit ihr koalieren will, mag | |
der rechte Flügel im Landesparlament zwar insgesamt gestärkt aus der Wahl | |
hervorgehen, regierungsfähig ist er aber bei weitem nicht. | |
Deshalb führt diesmal praktisch kein Weg daran vorbei, dass die | |
strukturelle linke Mehrheit, die es in Berlin schon seit 1995 gibt, auch | |
mal wieder zu einer linken Regierung führt. Offen ist eigentlich nur noch, | |
welche der drei Parteien am Ende den Regierenden Bürgermeister stellen | |
darf. | |
Amtsinhaber Michael Müller kommt in den meisten Umfragen auf nur knapp über | |
20 Prozent. Dicht gefolgt von den Grünen. Selbst die Linkspartei müsste von | |
den prognostizierten 18 Prozent nur einen kleinen Satz machen, um ganz vorn | |
zu landen. Die linke Wählerschaft in der Hauptstadt darf sich also nicht | |
nur berechtigte Hoffnung auf eine ihr adäquate Regierung machen, sie kann | |
sogar mit der Stimmabgabe aktiv beeinflussen, ob erneut Michael Müller oder | |
doch Ramona Pop, bisher Fraktionschefin der Grünen, beziehungsweise Klaus | |
Lederer, Landeschef der Linken, ins Rote Rathaus einziehen soll. Eine | |
bundesweit einmalige Konstellation. | |
Gut möglich, dass erst spät am Wahlabend klar wird, wer die Nase vorn hat. | |
Und falls alle drei extrem eng beieinander landen, könnten sie ja noch nach | |
einem gemeinsamen externen Kandidaten suchen. Oma Anni zum Beispiel. | |
Die darf sich schon mal auf eine sozialere Wohnungspolitik in Berlin | |
freuen. Für sie selbst kommt die allerdings zu spät: Ihr Haus wurde ja | |
schon privatisiert. Dass das ein Fehler war, darin sind sich Rote, Rote und | |
Grüne mittlerweile weitgehend einig. Immerhin ein Anfang. | |
8 Aug 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://siedlungamsteinberg.net/info/ | |
[2] http://www.berliner-kurier.de/berlin/kiez---stadt/oma-anni-klein-kleckersdo… | |
[3] https://twitter.com/spdberlin/status/761668637115740160 | |
[4] https://twitter.com/klauslederer/status/761672613831770114 | |
[5] https://twitter.com/otto_direkt/status/762347748440043521 | |
[6] https://twitter.com/cjgaebler/status/762369332953382912 | |
## AUTOREN | |
Gereon Asmuth | |
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