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# taz.de -- Streit um Freihandelsabkommen Ceta: Europa im Hauruckverfahren
> Die EU-Kommission will, dass das Freihandelsabkommen nicht von den
> nationalen Parlamenten ratifiziert wird, sondern nur vom Europaparlament.
Bild: Kritik an Ceta-Alleingang: EU-Kommissionschef Juncker bekommt etwas zu h�…
Brüssel taz | Mehr Demokratie, mehr Bürgernähe: Dieses Signal sollte vom
ersten Gipfel der Regierungen der Mitgliedsländer der Europäischen Union
nach dem Brexit-Votum der Briten ausgehen. Doch die Initiativen und
Beschlüsse, die in Brüssel gefasst wurden, sorgen für neuen Streit. Vor
allem das Freihandelsabkommen Ceta zwischen der EU und Kanada erweist sich
als Sprengsatz.
Denn Ceta (Comprehensive Economic and Trade Agreement – Umfassendes
Wirtschafts- und Handelsabkommen) soll nach dem Willen der EU-Kommission
nicht, wie von den Mitgliedstaaten gefordert, von den nationalen
Parlamenten ratifiziert werden, sondern nur vom Europaparlament. Es handele
sich nicht um ein „gemischtes Abkommen“ mit nationaler Zuständigkeit,
sondern um ein rein europäisches, so Kommissionschef Jean-Claude Juncker.
„Wenn wir EU-Abkommen aus politischen Gründen zur gemischten Zuständigkeit
erklären, ist das ein Rezept zur Lähmung der EU“, warnte Juncker. „Unsere
Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel, überhaupt noch Handelsabkommen
verhandeln zu können.“
Tatsächlich ist für die Handelspolitik der EU Brüssel zuständig – doch die
Auswirkungen des Abkommens treffen die Staaten, teilweise bis ins Herz.
Amerikanische Konzerne mit Sitz in Kanada könnten versuchen, Ceta als
Einfallstor nach Europa zu nutzen. Investoren könnten gegen EU-Staaten
klagen, auch wenn Ceta nicht die umstrittenen privaten Schiedsgerichte
enthält.
## Merkel will Bundestag befragen
Noch am Dienstag kündigte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel Widerstand
an. „Es gibt gute Gründe, die nationalen Parlamente mit Ceta zu befassen“,
sagte sie. Zwar habe sie Verständnis für Junckers Rechtsauffassung. Doch
hier gehe es um Politik: „Egal wie es endet, wir werden den Bundestag um
seine Meinung bitten.“
Auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel kritisierte die Kommission.
Diese wolle „mit dem Kopf durch die Wand“, sagte Gabriel am Mittwoch
gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Das sei „unglaublich töricht.“
Die SPD-Linke kritisierte dagegen Merkel. „Die Kanzlerin kennt die
Spielregeln und weiß, dass es so was wie ein Meinungsbild des Bundestags
rechtlich nicht gibt“, sagte der Abgeordnete Matthias Miersch der Deutschen
Presse-Agentur
Österreichs Kanzler Christian Kern unterstützt Merkel. Er warf der
Kommission vor, mit einem Hauruckverfahren die Glaubwürdigkeit der EU zu
unterminieren. „Im Interesse der EU darf man so was nicht tun“, sagte er.
Auch Luxemburgs Premier Xavier Bettel kündigte an, sein Parlament
einzuschalten. Dort gibt es erhebliche Vorbehalte. Auch in Belgien ist
keine Mehrheit für Ceta sicher, nachdem sich das Regionalparlament der
Wallonie auf ein Nein festgelegt hat. Auch die östlichen Mitgliedstaaten
Bulgarien und Rumänien drohen mit einer Blockade.
Ceta gilt als Blaupause für das TTIP-Abkommen mit den USA. Wenn der
Kanada-Deal scheitert, könnte die EU gar keine Freihandelsabkommen mehr
abschließen, fürchtet EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström.
Streit gibt es auch über zwei weitere EU-Initiativen. Die Staats- und
Regierungschefs haben ein Kapitel zur Migration verabschiedet, das es in
sich hat. Darin halten sie am Flüchtlingspakt mit der Türkei fest, der
weiter vorangetrieben werden soll – einschließlich der umstrittenen
Visaliberalisierung für türkische Staatsbürger.
Von den Ländern Nordafrikas und des Nahen Ostens fordern die EU-Chefs die
„Rückübernahme und Rückführung“ von Flüchtlingen, „bei denen es sich
vorwiegend um Wirtschaftsmigranten handelt“. Die Zusammenarbeit werde „ein
Prüfstein für die Partnerschaft“ sein, heißt es fast drohend im
Gipfelbeschluss. Wer nicht spurt, dem droht der Entzug von EU-Hilfen.
Wenig populär – nicht nur in Großbritannien – dürfte auch die neue
Sicherheitsstrategie sein. Sie sieht eine engere Zusammenarbeit mit der
Nato und eine massive Aufrüstung vor. Künftig will die EU nicht nur in
Europa oder in den Nato-Einsatzländern, sondern auch darüber hinaus zivil
und militärisch eingreifen können.
„Wir müssen bereit und in der Lage sein, abzuschrecken, zu reagieren und
uns gegen äußere Bedrohungen zu schützen“, heißt es in dem Strategiepapie…
das die Außenbeauftragte Federica Mogherini ausgearbeitet hat. Die EU müsse
autonom handeln, „um Frieden zu fördern und Sicherheit in- und außerhalb
der EU-Grenzen zu garantieren“.
Nur eins steht nicht in der „Globalen Strategie“ für ein „stärkeres
Europa“: die EU-Armee, mit der die Europagegner in Großbritannien gegen
Brüssel mobilgemacht haben. Aus Angst vor den „Brexiteers“ wurde diese Idee
fallen gelassen; das Referendum gewannen sie trotzdem.
29 Jun 2016
## AUTOREN
Eric Bonse
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