# taz.de -- Kommentar EU und das CETA-Abkommen: Misstrauen mit Folgen | |
> Die EU will nun doch die nationalen Parlamente zum Ceta-Abkommen | |
> befragen. Ist das demokratischer? Ein Pro & Contra. | |
Bild: Reicht es, wenn die EU-Abgeordneten ihre Zustimmung geben? | |
## Pro: „Die Zustimmung des EU-Parlaments reicht nicht“ | |
Sicher, in einem vereinten Europa, von dem wir alle träumen, wäre es | |
überflüssig, alle nationalen Parlamente über irgendwelche Handelsverträge | |
der EU abstimmen zu lassen. Aber in dem zerstrittenen Europa, in dem wir | |
leider leben, ist das dringend nötig. Deshalb ist es gut, [1][dass die EU | |
jetzt doch alle Mitgliedstaaten einzeln zu dem Ceta-Abkommen mit Kanada | |
befragen will]. Ja, auch wenn das lange dauert – und ja, auch wenn das | |
bedeutet, dass Ceta dann vielleicht niemals in Kraft tritt. | |
Das Ceta-Abkommen hätte weitreichende Folgen für alle EU-Bürger. Es ist, | |
wie alle wissen, nur das Vorspiel für TTIP, das große Abkommen mit den USA. | |
Beide Verträge sollen das Verhältnis von Konzernen und Staaten neu | |
bestimmen. Viele Bürger haben den Verdacht, dass hierbei die Konzerne mehr | |
und die Staaten weniger Macht bekommen werden. Die neuen interkontinentalen | |
Abkommen erscheinen manchen Europäern inzwischen fast so gefährlich wie | |
interkontinentale Atomraketen. | |
So übertrieben diese Sorgen sein mögen: Was genau herauskommt, weiß keiner, | |
weil die Verhandlungen weitgehend geheim ablaufen. Umso problematischer | |
wäre es, den Widerstand auch noch durch eine möglichst schnelle | |
Mehrheitsentscheidung in der Zentrale auszubremsen. Angesichts des ohnehin | |
großen Misstrauens gegen die EU, zwischen Brexit und Österreich-Wahl, wäre | |
ein solches Vorgehen geradezu selbstmörderisch. | |
Die Zustimmung des EU-Parlaments reicht nicht, weil es von vielen Europäern | |
nicht als ausreichende Volksvertretung wahrgenommen wird. Ob das formal | |
stimmt oder nicht: Entscheidend ist der Eindruck. Die meisten Bürger ahnten | |
bei den letzten EU-Parlamentswahlen nicht, dass dort wirklich Wichtiges | |
entschieden wird. Entsprechend niedrig war die Wahlbeteiligung, | |
entsprechend gering wäre die Akzeptanz einer Entscheidung nur im | |
EU-Parlament. Das Risiko wäre zu hoch, dass darauf eine Katastrophe folgen | |
könnte: der Austritt weiterer EU-Staaten. Lukas Wallraff | |
* * * | |
## Contra: „Eine Demontage der Demokratie in Europa“ | |
Die Gegner des Ceta-Abkommens sind zufrieden, weil nun doch auch alle | |
nationalen Parlamente der Europäischen Union dem Freihandelsabkommen | |
zustimmen sollen. Dies mag inhaltlich ein Erfolg sein, für die europäische | |
Demokratie bedeutet es nichts Gutes. Denn diese vordergründig nach mehr | |
Demokratie klingende Entscheidung demontiert in Wahrheit die Demokratie in | |
Europa. Anders gesagt: Mit dieser falschen Entscheidung gießt die | |
EU-Kommission Wasser auf die Mühlen ihrer rechtspopulistischen Gegner, die | |
zurück in ihre nationalen Schneckenhäuser streben. | |
Die alleinige Abstimmung durch das Europäische Parlament hätte eben kein | |
Demokratiedefizit dokumentiert – im Gegenteil. Dieses Parlament ist | |
demokratisch gewählt worden und dazu da, um über gemeinsame europäische | |
Angelegenheiten zu entscheiden. Welche Gründe sollte es geben, ihm diesen | |
Anspruch abzusprechen? Soll das EP etwa weniger zu bestimmen haben als 27 | |
Einzelinstitutionen? | |
Wer es richtig findet, dass nationale Parlamente bei europäischen | |
Entscheidungen mehr bestimmen sollten, weil es gerade um die | |
Herzensangelegenheit des Ceta-Abkommen geht, dokumentiert ein taktisches | |
Verhalten gegenüber dem bisschen Demokratie, das wir auf europäischer Ebene | |
besitzen. Er macht das EP zu einer Volksvertretung minderer Güte, dessen | |
Entscheidungen nicht zu trauen ist, so als ob der Bundestag oder die | |
französische Nationalversammlung für eine wahrere Volksvertretung stünden. | |
Nach der Brexit-Entscheidung wäre es an der Zeit, Flagge zu zeigen. Ja, die | |
europäische Demokratie ist unvollständig. Aber es ist fatal, wenn diese | |
noch weiter geschwächt wird, weil wir glaubten, damit EU-kritischen | |
Nationalisten einen Gefallen zu tun. Das einzige Ergebnis wird sein, dass | |
die Akzeptanz der EU und ihres Parlaments noch weiter unterhöhlt wird. | |
Klaus Hillenbrand | |
6 Jul 2016 | |
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[1] /EU-Handelsabkommen-mit-Kanada/!5319462/ | |
## AUTOREN | |
Lukas Wallraff | |
Klaus Hillenbrand | |
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