Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne Wir retten die Welt: Faul sein ist gut fürs Klima
> Die beste Öko-Dienstleistung ist immer noch das Nichtstun, und zwar nicht
> nur in den Sommerferien. Aber das ist harte Arbeit.
Bild: Manche Exemplare der Gatttung Folivora sind sogar schlicht zu faul zum Sc…
Mein Schwiegervater hat mit Karl Marx eher wenig gemeinsam. Der Opa meiner
Kinder ist CDU-Mitglied, sitzt im Kirchenvorstand und hat in seinem
Arbeitsleben als Regionalleiter einer Bank DAS KAPITAL sicher anders
eingesetzt, als es der Godfather of Communism gewollt hätte. Aber beide
haben das gleiche Problem: einen Schwiegersohn, der die Faulheit preist.
Bei Karl Marx war das Paul Lafargue, der sich 1883 bei den französischen
Sozialisten und seiner Familie mit dem berühmten Buch „Das Recht auf
Faulheit“ unbeliebt machte. Mich dagegen hält mein Schwiegervater eher für
einen harmlosen Spinner, der für Niedriglohn arbeitet und seine Enkelkinder
mit Tofu-Würstchen quält.
Aber auch wenn das manchmal arbeitsintensiv ist: Für uns alle wäre es das
Beste, wir würden ab und zu einfach mal – gar nichts tun. Und zwar nicht
nur mal zur Entspannung in den großen Ferien. Sondern immer und überall.
Nicht konsumieren, nicht produzieren, nicht durch die Welt fliegen, nicht
shoppen, nicht am Rechner sitzen, keine Kolumnen schreiben. Das ist harte
Arbeit, ich weiß. Wahrscheinlich würde ich dabei versagen. Aber es würde
etwas erreichen.
Zum Beispiel beim Klima. Statt Mais für die Biogas-Anlage anzubauen, sollte
man den Boden einfach in Ruhe lassen, sagen Experten. Wenn er eigentlich
aus Moor besteht, wäre es das Beste, den Sumpf wieder in Sumpf zu
verwandeln. Man hört die Trägheit ja schon im Wort: Mooooor. Moooor.
Schnarch. Schon ist man eingenickt und hat vergessen, den Flug nach Marokko
zu buchen.
Gerade in diesem fleißigen Land geht das ja eigentlich gar nicht: per
Nichtstun die Welt retten! Geben wir Deutschen dafür jedes Jahr 4
Milliarden Euro für Klimaschutz aus? Machen wir dafür eine Energiewende,
wenn die bessere Alternative wäre, einfach NICHTS zu tun? Den Fetisch
Wachstum aus der Hängematte zu bekämpfen?
## Unser Leben ändern
Ich habe einen virtuellen Kleiderschrank, in den ich die Klamotten hänge,
die ich mir gerade wieder nicht gekauft habe. So wie letztens diese
wirklich schöne rostrote Hose meines schwedischen
Lieblings-Outdoor-Ausrüsters Fjällräven: Passte gut, sah schick aus, fühlte
sich gut an. Aber dann dachte ich: Warte mal, die brauche ich eigentlich
nicht.
Die Wissenschaft ist auf meiner Seite. Es gibt Studien, nach denen der
CO2-Ausstoß der USA sofort um 20 bis 30 Prozent sinken würde, wenn sie nur
so viel (oder: so wenig) wie wir Europäer arbeiten würden. Also immer noch
viel zu viel.
Und all die großen Öko-Herausforderungen (Schluss mit Kohle und Öl, Rettung
der letzten Arten, Sicherung der Ozeane) sind natürlich nur zu lösen, wenn
wir – psst, das jetzt nur flüstern – unser Leben ändern.
Ja, ja, klar, irgendwo muss das Sozialprodukt schließlich herkommen. Aber
Minuswachstum ist derzeit nicht das Problem, wo sich Energie- und
Ressourcenverbrauch beschleunigen wie nie. Da ist Bremsen die erste
Bürgerpflicht.
Das kann natürlich auch schiefgehen. Vor ein paar Jahren habe ich auf einer
Recherchereise am Amazonas mal zusammen mit Kollegen ein nasses Fellbündel
aus dem Wasser gezogen. Es war ein Faultier, kurz vor dem Ertrinken. Mein
Eindruck von jenem nassen Wischmopp war: Dieses Exemplar der Gatttung
Folivora war schlicht zu faul zum Schwimmen. Das würde meinem
Schwiegervater nie passieren.
Jetzt denken aufmerksame Leser dieser Kolumne: Hat der Pötter nicht noch
vor ein paar Wochen eine ökologische Leistungsgesellschaft gefordert?
Stimmt. Aber manchmal ist es eine Riesenleistung, das Falsche nicht zu tun.
Und außerdem: Um das richtig zu erklären, bin ich jetzt einfach zu träge.
23 Jun 2016
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Klima
Schwerpunkt Klimawandel
CO2
Faulheit
Arbeitslosigkeit
Schwerpunkt TTIP
Konservative
Nationalhymne
Schwerpunkt Klimawandel
Staubsauger
Joachim Gauck
Bundesumweltministerium
Emissionen
Schwerpunkt Klimawandel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Debatte Veränderte Arbeitsmoral: Es gibt ein Recht auf Faulheit
Martin Schulz sagt, dass er die „hart arbeitende Bevölkerung“ gewinnen
will. Er sollte sich lieber um die Faulen kümmern.
Kolumne Wir retten die Welt: Zweifeln bringt mich zum Verzweifeln
Nichts tut mehr weh als der Verlust eines gepflegten Vorurteils. Etwa, dass
der Verbraucherschutz in den USA besser ist als hier – TTIP hin oder her.
Kolumne Wir retten die Welt: Konservative – eine seltene Spezies
Es heißt immer wieder, die Linke sei in der Krise. Mag sein. Aber
Konservative gibt es in freier Wildbahn ja praktisch nicht mehr.
Kolumne Wir retten die Welt: Bitte erheben zur Internationalhymne!
Nach den Klimaverhandlungen in Paris lagen sich die Delegierten in den
Armen, Tränen flossen. Was fehlte, war ein Soundtrack zur Weltrettung.
Deutsche Auslandsvertretungen: Keine Botschafter fürs Klima
Deutschland stellt sich beim Klimaschutz gern als internationales Vorbild
dar. Doch in den Auslandsvertretungen spielt der keine Rolle.
Kolumne Wir retten die Welt: Wenn Saugen Staub aufwirbelt
Staubsaugen war lange nicht nur nervig, sondern eine Orgie der
Stromverschwendung. Zum Glück hat die EU-Ökodiktatur den Stecker gezogen.
Kolumne Wir retten die Welt: Mit dem Sonderzug zum Staatsbesuch
Joachim Gauck bemühte sich stets nach Kräften. Aber die nächste
Bundespräsidentin sollte endlich mal jemand sein, die öko buchstabieren
kann.
Kolumne Wir retten die Welt: Das Öko-Haus als Karrierekatapult
Hurra! Das Umweltministerium wird 30 Jahre alt! Eigentlich ist das Haus die
geheime Kaderschmiede der Politik.
Kolumne Wir retten die Welt: Was die Grenzen wert sind
Die Autobranche weist den Weg: Limits für Schadstoffe sind was Schönes,
weil sich keiner dran hält. Das erspart uns eine Menge Ärger.
Kolumne Wir retten die Welt: Wenn sich der Ökofaschist freut
Wäre es nicht ökologisch das Beste gewesen, das Riesenfeuer hätte in Kanada
alles rund um die Ölsand-Ausbeutung vernichtet?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.