| # taz.de -- Kolumne Wir retten die Welt: Wenn sich der Ökofaschist freut | |
| > Wäre es nicht ökologisch das Beste gewesen, das Riesenfeuer hätte in | |
| > Kanada alles rund um die Ölsand-Ausbeutung vernichtet? | |
| Bild: Geschieht es den Kanadiern mit den Waldbränden im Ölsandgebiet recht? A… | |
| Das Fernsehen zeigt eine 20 Meter hohe Feuerwand. Bäume lodern wie Fackeln, | |
| Häuser sind rauchende Trümmer. Menschen fliehen unter apokalyptisch | |
| schwarzen Rauchwolken, erschöpfte Feuerwehrleute brechen in Tränen aus. Ich | |
| sitze auf dem Sofa, und der Ökofaschist in mir sagt: „Da trifft es mal die | |
| Richtigen.“ | |
| So etwas darf man ja nicht mal denken. Und ich weise die dunkelgrüne Seite | |
| der Macht in meinem Hinterkopf gleich zurecht: Der Ölarbeiter in der | |
| kanadischen Stadt Fort McMurray, der sein Haus verloren hat, verdient | |
| Hilfe. Was kann er dafür, dass sein Arbeitgeber sich einen Dreck um Umwelt | |
| und Klima schert und sein Land im letzten Jahrzehnt auf ökologischer | |
| Geisterfahrt war? Wenn „die Natur zurückschlägt“, wie es immer so blöd | |
| heißt, trifft es zuerst die Schwachen und Armen. | |
| Mein innerer Ökoschweinehund zerrt an der Kette: „Es wäre das Beste | |
| gewesen, das Feuer hätte die Produktionsanlagen vernichtet“, flüstert er | |
| mir ins Ohr. Denn tatsächlich sitzen ein paar der schlimmsten Brandstifter | |
| weltweit genau dort in Fort McMurray: Beim Wahnsinnsprojekt „Ausbeutung der | |
| Ölsande“ werden riesige Gebiete der Tundra verwüstet und Gewässer | |
| vergiftet, um aus dem zähen Schlamm dreckigen Brennstoff zu machen. | |
| Indigene verlieren ihr angestammtes Land, das „schwarze Gold“ aus dem | |
| Wilden Westen Kanadas hat die schlimmste Ökobilanz aller Mineralöle. Diese | |
| Milliardenprojekte sollen 2020 insgesamt 420 Millionen Tonnen CO2 erzeugen, | |
| so viel wie Großbritannien, sie stehen auf Platz 5 der 14 schlimmsten | |
| fossilen Großprojekte weltweit. Werden die alle realisiert, können wir das | |
| 2-Grad-Ziel zur Begrenzung des Klimawandels in der Pfeife rauchen. Wenn | |
| irgendwas im Boden bleiben muss, dann diese Ölsande. | |
| ## Die Natur schlägt nicht zurück | |
| Die Forderung danach hat im Englischen auch einen Namen: „unburnable | |
| carbon“, unbrennbarer Kohlenstoff. Wie brennbar zumindest die | |
| Produktionsanlagen sind, zeigt sich nun. Die Natur schlägt nicht zurück, | |
| aber sie hat Sinn für Ironie. | |
| Ob es in Kanada wegen des Klimawandels brennt, ist unklar, aber letztlich | |
| egal. In der Gegend herrscht seit Monaten eine Hitzewelle, dazu kommt El | |
| Niño. Aber kanadische Wissenschaftler verweisen auf eine lang dauernde | |
| Dürre, auf eine frühere Schneeschmelze und auf häufigere Waldbrände, genau | |
| das, was im Klimawandel zu erwarten ist. | |
| Wenn die Natur sich hier wehrt, dann blind: Ehe die Ölanlagen angegriffen | |
| wurden, drehte das Feuer ab. Dabei hatte der Absturz des Ölpreises ohnehin | |
| die Investitionen in viele Projekte gestoppt. Gerade das Feuer könnte daran | |
| nun etwas ändern. Auch der Ausfall der Produktion in Kanada lässt die | |
| Preise weltweit wieder steigen, das könnte die teuren Vorhaben wieder ins | |
| Geld bringen. | |
| Gegen die Gesetze des Kapitalismus kommen eben weder Mutter Natur noch mein | |
| innerer Ökofaschist an. Leider. Die Umweltkatastrophe passiert in Alberta | |
| nicht, wenn die TV-Kameras brennende Bäume zeigen. Sondern wenn im | |
| Normalbetrieb die Welt ruiniert wird. | |
| 15 May 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
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