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# taz.de -- Kolumne Wir retten die Welt: Wenn Saugen Staub aufwirbelt
> Staubsaugen war lange nicht nur nervig, sondern eine Orgie der
> Stromverschwendung. Zum Glück hat die EU-Ökodiktatur den Stecker gezogen.
Bild: Achtung: Mehr Watt heißt nicht mehr Saugleistung
Das WUUIIIIIIIII klingt heute noch geqäulter als sonst. Wie ein Düsenjet,
der auf dem letzten Loch pfeift. Als ich endlich den Staubsauger
ausschalte, stinkt es auch schon in der ganzen Wohnung nach Großbrand im
Kabelwerk: Eine deftige Note aus verschmorten Gummi und geschmolzenen
Plastik. Ich kann die Dioxine und Furane in all ihrer Giftigkeit praktisch
durch die Luft wabern sehen.
Was aussieht und riecht wie ein Suizidversuch mit der chemischen Keule ist
doch nur unser mittelalter Staubsauger, der an seinem eigenen Dreck
erstickt ist. So erklärt es mir jedenfalls der Mann im Elektroladen, der
einen neuen Elektromotor einbauen will.
Wir kommen ins Plaudern. Der Fachmann klärt mich erstmal auf, dass die
Wattleistung des Staubsaugers wenig mit der Saugkraft zu tun hat. Ach was,
sage ich. „Sehnse, hätten Se nich jedacht, wa?“, grinst der Experte, „is
aber so.“ Und dann erzählt er eine Geschichte, die einem auch ohne Saugrohr
überm Kopf die Haare zu Berge stehen lässt: Noch vor ein paar Jahren seien
die Staubsauger so konstruiert gewesen, dass der Motor effizienter und die
Dichtungen dichter als heute gewesen seien.
## Die Hersteller sparen auf meine Kosten
Dann sparten die Hersteller an den Teilen – und erhöhten einfach die
Saugleistung bis zu 2000 Watt und drüber, um das auszugleichen. „Die
Hersteller haben ihre Kosten gesenkt und dafür mir als Verbraucher höheren
Stromverbrauch und höhere Kosten untergejubelt?“ frage ich empört. „Ich
sehe, Sie verstehen mich“, meint der Elektro-Experte. Als ich mit dieser
Geschichte das Umweltbundesamt anrufe, will man sich dazu besser nicht
äußern.
Aber jetzt kommt die gute Nachricht: Wer hat diesen Quatsch beendet? Die
Europäische Union. Echt! Die gleiche EU, die derzeit immer eins auf die
Schnauze bekommt. Die Briten wollen raus, der Rest der Welt will rein, und
für populistische Kurzschluss-Denker ist Brüssel für alles Böse von
Regenwetter bis Fußpilz verantwortlich.
Aber das mit den Staubsaugern, das haben die viel geschmähten „Brüsseler
Bürokraten“ gut hin bekommen. Und zwar mit der „Öko-Design-Richtlinie“.…
hat die Kommission 2009 in Abstimmung mit den Ländern Öko-Standards für
Lampen, Wasserkocher oder eben Staubsaugern bestimmt und beim Saugen
einfach Obergrenzen für den Stromverbrauch festgelegt: nicht mehr als 1600
Watt, ab nächstem Jahr höchstens 900 Watt. Außerdem müssen die Geräte auf
einer Skala angeben, wie gut sie saubermachen. Das Signal an Siemens, Bosch
und all die anderen Daniel Düsentriebs lautete: Baut die Dinger gefälligst
wieder effizienter und senkt den Stromverbrauch. EU-weit sollen da vier
AKWs eingespart werden können. Einfach so – weggesaugt.
## Der Fehler der EU: Sie gibt nicht an mit ihrem Erfolg
Das hat eine Menge Staub aufgewirbelt. Die Industrie warnte vor
„Überregulierung“, der „Spiegel“ vor dem „trüben Menschenbild“ der
EU-Kommission, manche Verbraucher fühlten sich in ihrem Grundrecht auf
rücksichtslosen Konsum eingeschränkt. Trotzdem ist die Welt nicht
untergegangen. Im Gegenteil: Gesaugt wird heute besser als vorher, nur mit
weniger Stromverbrauch. Wenn man der EU etwas vorwerfen will, dann das: Sie
lobt sich viel zu wenig selbst für diesen Erfolg.
So sieht sie aus, die Öko-Diktatur, die wir wollen: Schädlichen Schwachsinn
einfach mal verbieten. Und den Anti-Ökos, die viel Wind um nichts machen,
mit überlegener Saugkraft begegnen.
19 Jun 2016
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Staubsauger
EU-Richtlinien
Nationalhymne
Klima
Elektrogeräte
Deutsche Umwelthilfe
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