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# taz.de -- Grüne übers Bundesteilhabegesetz: „Im Rollstuhl auf Hilfe angew…
> Menschenrechte und gesellschaftliche Teilhabe dürfen nicht von
> Kostenerwägungen beschnitten werden, sagt die grüne Bundestagsabgeordnete
> Corinna Rüffer.
Bild: Immer noch in weiter Ferne: die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen m…
taz: Das Bundesarbeitsministerium hat einen Referentenentwurf für ein
Bundesteilhabegesetz für Menschen mit Behinderungen veröffentlicht.
Sozialverbände, Grüne und die Linkspartei protestieren. Wo liegt das
Problem?
Corinna Rüffer: Dass die Bundesregierung das Gesetzesvorhaben verfolgt, ist
gut und überfällig. Schließlich hat Deutschland die
UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2009 ratifiziert, die die
gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an der
Gesellschaft vorsieht. Die Bundesregierung hat aber versprochen, die
Eingliederungshilfe für Behinderte aus dem System der Fürsorge
herauszulösen. Das ist nicht passiert.
Was bedeutet das konkret?
Eingliederungshilfe beinhaltet Unterstützung, die ein behinderter Mensch
braucht, etwa Assistenz bei der Arbeit, in der Freizeit. Diese
Unterstützungsleistung soll weiterhin wie Sozialhilfe behandelt werden. Wer
dafür Ansprüche geltend machen will, muss sich vor den Ämtern nackig
machen, also angeben, welches Einkommen und Vermögen er oder sie hat, und
der Lebenspartner. Das allermeiste beim Vermögen wird angerechnet.
Aber es gibt doch mit dem neuen Gesetz höhere Freibeträge für Betroffene.
Nach der neuen Regelung sollen Personen 25.000 Euro ansparen dürfen, ohne
dass dies auf die Eingliederungshilfe angerechnet wird. Das betrifft aber
nicht die vielen Leute, die zusätzlich zur Eingliederungshilfe noch Hilfe
zur Pflege bekommen, also im häuslichen Bereich Unterstützung brauchen. Für
die bleibt es bei dem Vermögensfreibetrag von 2.600 Euro; für einen
Paarhaushalt sind es nur ein paar Hundert Euro mehr. Leute mit Behinderung
ziehen also weiterhin einen Partner mit in die Armut.
Hartz-IV-Empfänger merken kritisch an, dass bei ihnen auch eigenes Vermögen
angerechnet wird.
Diese beiden Bereiche muss man auseinander halten. Ein Mensch mit
Behinderung kann nichts daran ändern, dass er Unterstützungsbedarf hat,
dass er sich nicht alleine anziehen kann, nicht alleine auf die Toilette
kann. Oft betrifft das ja Menschen, die schwerst eingeschränkt sind. Im
Bundesteilhabegesetz geht es nur um den Ausgleich dieser
behinderungsbedingten Nachteile, also auf keinen Fall darum, behinderte
Menschen gegenüber Hartz-IV-Empfängern irgendwie zu bevorteilen.
Behindertenverbände sind besorgt wegen der Kostendebatte. Eine persönliche
Rund-um-die-Uhr-Betreuung mit mehreren Assistenten im Schichtdienst kann
10.000 Euro im Monat kosten.
Die neuen Regelungen sind geeignet, Menschen mit hohem Assistenzbedarf im
Zweifelsfall dazu zu zwingen, aus der eigenen Wohnung hinaus in ein Heim zu
ziehen. Bisher gibt es im Recht einen Vorrang ambulant vor stationär, diese
Unterscheidung zwischen ambulant und stationär wird aufgehoben. Das Wunsch-
und Wahlrecht, was die Betreuungsform betrifft, wird zwar im Gesetz betont,
aber auf „angemessene“ Wünsche der LeistungsbezieherInnen beschränkt.
Was könnte das in der Praxis bedeuten ?
Es gibt bisher schon große regionale Unterschiede in den Kommunen,
inwieweit Menschen mit schweren Einschränkungen mithilfe von Assistenten
alleine leben oder doch in Einrichtungen wohnen. Die Kommunen wollen Kosten
sparen. Und wenn da jetzt ein Rollifahrer kommt und sagt, ich möchte gerne
24-Stunden-Assistenz haben, die leicht in den fünfstelligen Bereich geht,
dann überlegen sie möglicherweise schon, ob es nicht günstiger wäre, diese
Person in ein Heim zu schicken.
Bisher war es so, dass die Gerichte weitgehend den Betroffenen eine
selbstständige Lebensweise mit Hilfe von Assistenten zugestanden haben.
Stimmt. Wenn die Leute die Kraft hatten, den Kampf vor Gericht
durchzustehen, ist es meist so ausgegangen, dass sie zu Hause bleiben
konnten. Aber mit dem neuen Gesetz verschlechtert sich die Rechtslage.
Die Grünen könnten dem Gesetz im Bundesrat die Zustimmung verweigern. Was
sind Ihre Gegenvorschläge?
Wir wollen, dass die Teilhabeleistungen ohne Bedürftigkeitsprüfung gewährt
werden. Und dass es ein echtes Wunsch- und Wahlrecht gibt, ohne nachteilige
Kostenvergleiche. Die Menschenrechte und gesellschaftliche Teilhabe lassen
sich nicht durch Kostenerwägungen beschneiden.
1 Jun 2016
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
## TAGS
Bundesteilhabegesetz
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Grüne
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