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# taz.de -- Regisseurin über Leben mit Behinderten: „Ich will runter vom Soc…
> Freude, Zweifel und Trauer: Tabea Hosche geht es nicht um
> HeldInnengeschichten, sondern um eine ehrliche Darstellung des Alltags
> mit behinderten Menschen.
Bild: Tabea Rosche und ihre Tochter Uma
taz: Frau Hosche, normalerweise porträtieren Sie fremde Menschen. Warum
haben Sie sich nun für Ihre eigene Geschichte entschieden?
Tabea Hosche: Mir ist aufgefallen, dass in Filmen über Menschen mit
Behinderung oft HeldInnen-Geschichten erzählt werden. Es geht dann um
Höchstleistungen, die behinderte Menschen vollbringen oder um Elternpaare,
die – nach dem ersten Schock – alles super auf die Reihe kriegen. Ein
typisches Narrativ: Die Behinderung führt zur Einsicht, worauf es wirklich
ankommt im Leben, rückt die Perspektive zurecht und die wahren Werte in den
Vordergrund.
Ist es denn nicht so?
Das Leben mit Uma ist viel mehr – und das will ich ehrlich zeigen. Als
Mutter eines behinderten Kindes werde ich oft bewundert, auf einen Sockel
gestellt. Wie ich das wohl alles schaffen würde und wo ich die Kraft
hernehme, werde ich gefragt. Aber auf diesem Sockel ist es einsam. Denn
wenn andere Menschen mich nur bewundern, schaffen sie es nicht, zu fragen,
wie es mir wirklich geht. Ich werde wegapplaudiert. Darauf habe ich keine
Lust mehr. Ich will etwas zur Debatte über Leben mit Behinderung beitragen
und nicht mehr auf dem Sockel stehen.
Bei neun von zehn Kindern, denen in der Schwangerschaft das Downsyndrom
diagnostiziert wird, entscheiden sich die werdenden Eltern für einen
Abbruch der Schwangerschaft. Sind die HeldInnengeschichten nicht auch ein
Weg, der behindertenfeindlichen Tendenz etwas entgegenzuhalten?
Das mag sein, aber folgt daraus zwangsläufig, dass meine Aufgabe sein muss,
gute Stimmung für behinderte Kinder zu machen? Sollte ich mir verbieten,
offen zu reden, weil ich Angst habe, dass man meine Äußerungen als Plädoyer
gegen Behinderung missverstehen könnte? Ich kann wirklich jedem Mut machen,
es mit einem behinderten Kind zu versuchen, aber ich kann niemanden davon
überzeugen, indem ich meine Zweifel und meine Trauer verheimliche.
Mütter, die über das Leben mit ihren Kindern publizieren, werden oft dafür
kritisiert. Gleichzeitig stehen sie in der Kritik, für ihre Kinder zu
sprechen, statt sie selbst sprechen zu lassen. Wie gehen sie damit um?
Ich bin bisher nie mit privaten Themen in die Öffentlichkeit gegangen, habe
keinen Facebook-Account, viele meiner Auftraggeber wussten nichts von
meiner behinderten Tochter. Hätte ich zwei nichtbehinderte Kinder, hätte
ich vermutlich keinen Film über unsere Familie gedreht. In erster Linie
geht es aber auch nicht um Uma, sondern um mich und meinen Mann und wie wir
mit ihrer Behinderung umgehen. Ich bin die Protagonistin des Films und
erzähle aus meiner Sicht. Ich filme und ich schaue auf mein Kind und meine
Familie. Und ich finde, ich habe das Recht, zu erzählen. Auch und gerade,
weil mein Kind es nicht kann.
Gibt es Szenen, bei denen Sie sich gegen die Veröffentlichung entschieden
haben?
Ja. Aber ich habe versucht, streng mit mir zu sein und nicht
auszusortieren, nur weil es mir peinlich ist oder ich mal nicht gut
rüberkomme. Das muss ich aushalten, denn ich will ja gerade keinen
HeldInnenfilm erzählen.
2 Jun 2016
## AUTOREN
Mareice Kaiser
## TAGS
Schwerpunkt Abtreibung
Inklusion
Down-Syndrom
Menschen mit Behinderung
Helden
Leben mit Behinderung
Pränataldiagnostik
Bundesteilhabegesetz
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Behindertengleichstellungsgesetz
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Familie
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