Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Oxfam-Studie zu Nachhaltigkeitssiegel: Süße Bananen und bittere A…
> Rainforest Alliance ist eines der populärsten Siegel für Nachhaltigkeit.
> Doch sind die Arbeitsbedingungen auf zertifizierten Plantagen wirklich so
> gut?
Bild: Die Mehrheit der befragten Arbeiter gab an, immer wieder schutzlos Pestiz…
Berlin taz | Das hören Verbraucher gern: Farmen, die das
Nachhaltigkeitssiegel der US-Umweltorganisation [1][Rainforest Alliance]
haben, „verringern den Einsatz von chemischen Mitteln“. So steht es auf der
Internetseite der Initiative mit dem grünen Frosch als Logo. Und: „Sie
sorgen für das Wohlergehen ihrer Arbeiter und deren Familien.“
Deshalb klebt der Frosch bereits auf allen Ananas und fast allen Bananen
der [2][Supermarktkette Lidl]. Auch bei Edeka und Rewe tragen die meisten
das Siegel. Aldi Nord und Süd wollen nach einer Umfrage der Organisation
Oxfam demnächst komplett bei beiden Fruchtarten auf Rainforest umstellen.
Doch selbst Bananen und Ananas mit dem Frosch kommen laut Oxfam mitunter
von Plantagen, auf denen gegen Menschen- und Arbeitsrechte verstoßen wird.
Die Firmen hätten nicht besser abgeschnitten als die Konkurrenz ohne das
Siegel. Der Verband hat für [3][eine am Dienstag veröffentlichte Studie]
Plantagen in Ecuador und Costa Rica besucht und über lokale Gewerkschafter
sowie Umweltaktivisten mehr als 200 Arbeiter von 23 Plantagen befragen
lassen. Die beiden Länder wurden ausgewählt, weil Ecuador Deutschland dem
Statistischen Bundesamt zufolge die meisten Bananen liefert, Costa Rica die
meisten Ananas.
Die Mehrheit der befragten Arbeiter auf den Rainforest-Alliance-Plantagen
gaben laut Oxfam an, dass sie immer wieder schutzlos Pestiziden ausgesetzt
seien. So würden Flugzeuge Pestizide sprühen, während Menschen auf der Farm
sind. Oder sie müssten weniger als eine Stunde nach dem Sprühen wieder aufs
Feld. „Wir machen uns große Sorgen, weil wir unter dem Pestizidregen
arbeiten müssen. Wir bekommen Hautausschläge. Aber wenn man sich beschwert,
riskiert man, entlassen zu werden“, zitiert der Verband einen Arbeiter
eines Lidl-Zulieferers.
## Schwindel- und Ohmachtsanfälle
Der ecuadorianische Exporteur Tropical Fruit Export bestreitet die
Vorwürfe. Er verkauft an Lidl Bananen des beschuldigten Produzenten Matías.
Da die Plantage so groß sei, könne in einem Teil gesprüht werden, obwohl
sich in einem anderen Teil Arbeiter aufhalten. „Pestizide verbreiten sich
sehr schnell und weit“, sagte dazu die Autorin der Studie, Franziska
Humbert.
Auch die costa-ricanische Farm Agrícola Agromonte, von der Edeka, Rewe und
Aldi Süd Ananas bezögen, sprühe häufig Pestizide, wenn Arbeiter auf dem
Acker sind. Bei dem Lidl-Produzenten Finca Once in dem mittelamerikanischen
Land bekämen die Beschäftigten zwar Schutzkleidung. Jedoch „ginge diese
schnell kaputt, und die Ausgaben für Neuanschaffungen würden von ihrem Lohn
abgezogen“, sagen Betroffene in dem Oxfam-Report.
Am meisten würden Arbeiter über Schwindel- und Ohmachtsanfälle, Erbrechen
und allergische Hautreaktionen klagen. Die Finca nutze nach eigenen Angaben
zum Beispiel die von der US-Umweltbehörde EPA als „wahrscheinlich
krebserregend“ klassifizierten Chemikalie Diuron, Mancozeb und Oxyfluorfen
sowie das von der WHO als akut toxisch eingestufte Oxamyl, das bei
Einatmung tödlich wirkt.
Finca Once schrieb dazu, Lidl würde „jede Lieferung ständig“ auf Pestizide
untersuchen lassen. Damit sind offenbar Rückstände in der Ware gemeint.
Aber nicht alle verwendeten Mittel sind auch nach der Ernte noch in der
Frucht zu finden. Die „meisten“ – also nicht alle – Sprühaktionen fän…
frühmorgens oder abends statt, wenn keine Arbeiter auf dem Feld seien, so
Finca Once weiter.
Mehrere Befragte aus Costa Rica erklärten, viele Feldarbeiter stammten aus
Nicaragua. Sie hätten keine Aufenthaltserlaubnis und würden über
Mittelsmänner beschäftigt. Zahlreiche Arbeiter müssten bis zu 12 Stunden
arbeiten, um auf die rund 16 Euro Mindestlohn zu kommen, die ihnen laut
Gesetz schon für 8 Stunden zustünden. Existenzsichernd wäre ein Lohn von
mindestens 20 Euro. Finca Once wies den Vorwurf zurück, den Mindestlohn zu
unterschreiten. Agrícola-Agromonte-Abnehmer Rewe und Edeka forderten von
Oxfam konkretere Informationen, um die Angaben zu prüfen.
## Gewerkschaft erlaubt oder verboten?
Die meisten befragten Arbeiter auf den Bananen-Fincas in Ecuador hätten
über Entlassungen wegen Gewerkschaftszugehörigkeit berichtet, so Oxfam.
Ähnlich sei die Lage auf zwei Ananas-Farmen in Costa Rica. Wohl auch
deshalb gaben die meisten ecuadorianischen Befragten an, ihrer Meinung nach
würde ihr Unternehmen es nicht zulassen, dass sie eine Gewerkschaftsgruppe
gründen. Lidl-Lieferant Tropical Fruit schrieb dazu, seine Farm würde sich
nicht gegen eine Gewerkschaft stellen. „Die Arbeiterschaft der Plantage hat
jedoch bis jetzt keine gegründet.“
Rainforest Alliance teilte mit, ihre bereits „eingeleiteten Ermittlungen
konnten die Anschuldigungen durch Oxfam Deutschland nicht bestätigen“. Man
prüfe die Sache aber noch. Oxfam-Autorin Humberts Urteil steht dennoch
schon fest: „Die Supermärkte kontrollieren das Aussehen der importierten
Früchte penibel und geben ganze Lieferungen bei kleinsten Makeln zurück.
Aber sie lassen es zu, dass die Menschen, die sie ernten, dabei vergiftet
werden.“ Die Bundesregierung müsse den Handel dazu verpflichten, Menschen-
und Arbeitsrechte bei ihren Lieferanten durchzusetzen.
31 May 2016
## LINKS
[1] http://www.rainforest-alliance.org/de/about/marks/rainforest-alliance-certi…
[2] http://www.presseportal.de/pm/58227/3296295
[3] https://www.oxfam.de/suedfruechte-bittere-wahrheit
## AUTOREN
Jost Maurin
## TAGS
Nachhaltigkeit
Bananen
Fair Trade
Ananas
Unternehmen
Schwerpunkt Pestizide
Brasilien
Schwerpunkt Pestizide
Nachhaltigkeit
Oxfam
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
Fair Trade
Bremen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kolumne Navigationshilfe: Ein Besuch bei der Schmetterlingsfrau
Costa Rica gilt oftmals als Paradies für den Naturschutz. Doch wenn man
durch die endlosen Ananasplantagen fährt, bekommt dieses Bild tiefe Risse.
Renate Künast zu Ethikgesetz für Firmen: „Der Entwurf ist zu dünn“
Die Grünen-Politikerin kritisiert das geplante Gesetz zur
Unternehmensverantwortung: Es lade zu Übertretungen ein und sein
Geltungsbereich sei zu klein.
Gewerkschafter über Pestizide in Ecuador: „Das vergiftet ganze Dörfer“
Jorge Acosta Orellana war Pestizidpilot. Er berichtet über
Flugzeugabstürze, Kriminalisierung von Aktivisten und den Kampf um besseren
Arbeitsschutz.
Fair-Trade-Expertin über Lage in Brasilien: „Es ist alles weg“
Die Umbrüche schaden der solidarischen Ökonomie im Land, sagt Ana Asti. Ein
Interview über die Zukunft des fairen Handels.
Offener Brief zu Pestizidflug: Pestizidchen, da kommst Du geschneit
Woanders eingesetztes Gift verbreitet sich unkontrolliert auch auf ihre
Felder: Nun wehren sich Öko-Landwirte gemeinsam mit Bio-Firmen.
Fairer Handel: Die Suche nach dem besten Standard
Begehrt als fair gehandelte Waren sind Südfrüchte, Kaffee und Blumen. Zu
den verlässlicheren Gütesiegeln zählt heute das Fairtrade-Siegel.
Rückschlag für faire Händler: Oxfam will Gepa auslisten
Die Nichtregierungsorganisation plant, künftig keine Produkte der
Fairtrade-Pioniere mehr in ihren Secondhand-Läden zu verkaufen.
Aus Le Monde diplomatique: Smart und schmutzig
Ein fair produziertes Handy gibt es nicht. Aber es gibt Initiativen, die
sich um bessere Arbeitsbedingungen in den Montagefabriken kümmern.
Nachhaltiger Konsum: Bitte kaufen Sie nett ein
Die Deutschen konsumieren selten öko und fair. Das will die
Umweltministerin ändern. Ihr Programm verspricht viel, nur nichts Neues,
sagen Kritiker.
Utopistische Gegenökonomie: Nicht auf die Revolution warten
Das Bremer Kollektiv Colectivo vertreibt ökologisch und fair erzeugte Waren
als Alternative zum entfesselten Markt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.